Der Schädiger im Visier

Datensicherung und Datenverlust - wer haftet im Schadensfall?

10.12.2010
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

BGH: Wie berechnet sich der Schaden bei Datenverlust?

Während damit grundsätzlich die Datensicherung durch den Unternehmer in den Vordergrund zu rücken ist, stellt sich zusätzlich die Frage, wie der Schaden bei einem eingetretenen Datenverlust zu berechnen ist. Hierzu hat der BGH (Bundesgerichtshof) im Dezember 2008 (Aktenzeichen VI ZR 173) im Detail Stellung genommen.

Der BGH hatte über folgenden Fall zu entscheiden: Ein Ingenieurbüro befasste sich mit der Planung von Steuerungsanlagen im Industriebereich. Ein IT-Dienstleister, der für das Büro arbeitete, brachte seinen damals zwölfjährigen Sohn zur Arbeit mit. Dieser installierte unbeaufsichtigt auf dem Betriebsrechner ein Computerspiel. Durch dieses wurde der Datenbestand auf der Festplatte weitgehend zerstört und unbrauchbar. Das Ingenieurbüro hatte keine eigene Datensicherung vorgenommen. Im Vorprozess verurteilte das Landgericht Frankfurt Vater und Sohn dazu, dem Ingenieurbüro 70 Prozent des bei Hard- und Software entstandenen Schadens zu ersetzen, während dem Ingenieurbüro 30 Prozent als Mitverschulden angelastet wurden. Der durch das Ingenieurbüro bezifferte Schaden belief sich insoweit auf 350.000 Euro, in dieser Höhe erging das Urteil zulasten der Beklagten.

In der Berufungsinstanz befand das OLG Frankfurt, dass das Ingenieurbüro nur rund 350 Euro beanspruchen könne für die Anschaffung einer neuen Festplatte. Die Datenwiederherstellung sei dagegen nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand möglich und im Hinblick auf den wirtschaftlichen Wert der Daten unzumutbar im Sinne des § 251, Absatz 2, Satz 1 BGB. Dabei bemesse sich der Wert der wiederhergestellten Daten nach dem Aufwand, den das Ingenieurbüro seit dem Verlust der Daten tatsächlich zu deren Wiederherstellung betrieben habe. Da es aber weder hierzu noch zu den künftig tatsächlich erforderlich werdenden Kosten ausreichend vorgetragen habe, sei auch keine Schätzung der ersatzweise zu zahlenden Entschädigung möglich.

Der BGH hob das Urteil des OLG Frankfurt auf und verwies an diese Instanz zurück. Nach Meinung des BGH sei eine Wiederherstellung der Daten als "Naturalrestitution" möglich, soweit diese in anderer Form (z.B. in ausgedruckter Form) noch vorhanden und reproduzierbar seien. In allen anderen Fällen könnten auch nicht Wiederherstellungskosten im Sinne von "Reparaturkosten" beansprucht werden (§ 249 Satz 2 BGB). Denn bei qualifizierten geistigen oder schöpferischen Leistungen sei eine Neuschaffung keine "Wiederherstellung" im schadensrechtlichen Sinne. In diesem Fall könne der Geschädigte von vornherein nur Wertersatz nach § 251 Absatz 1 BGB beanspruchen.

Damit ergibt sich eine hohe Haftbarkeit für die Herbeiführung eines Datenverlustes nach dem Schadensersatzsystem des Zivilrechts, auch wenn das Urteil des BGH keine wirklich neue Wendung in der Rechtsprechung enthält.