Datenschutz nicht als Technologiebremse benutzen

05.07.1985

Paul Laufs, CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Die SPD bekennt sich in ihren Leitlinien zum Datenschutz zu der vom Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil vom 15. Dezember 1983 geforderten Gewährleistung des sogenannten informationellen Selbstbestimmungsrechts der Bürger sowie zur Notwendigkeit des Einsatzes der modernen Informations- und Kommunikationstechniken. Für die Unions-Parteien stimme ich beiden Grundsätzen gerne zu, wenn nur die Aufgeschlossenheit der SPD gegenüber der Nutzung der automatischen Datenverarbeitung und ihrer Fortentwicklung ernst gemeint wäre. Leider läßt die SPD immer wieder erkennen, daß ihr die ganze Computertechnik nicht geheuer ist und sie diese am liebsten einfrieren, wenn nicht gar abschaffen würde. So wurde im September 1984 bei einem Datenschutzkonzept der hessischen SPD-Regierung die Forderung, erhoben, man müsse "den Pakt mit der Wissenschaft aufkündigen", weil der Computer das Recht des Menschen auf Leben bedrohe. Die Leitlinien der SPD gehen zwar nicht so weit, lassen aber überall Mißtrauen gegen die Nutzung der EDV durchscheinen, wenn Datenabbau, Beschränkung des Datenaustausches auf ein unerläßliches Maß und intensivere Kontrollen gefordert sowie eine gesetzliche Festschreibung des heute praktizierten Umgangs mit Daten strikt abgelehnt werden.

CDU und CSU sind demgegenüber der Auffassung, daß der Gesetzgeber den neuen Technologien der Datenverarbeitung und Informationsübermittlung vorurteilsfrei und nüchtern begegnen muß. Gerade angesichts der raschen Fortentwicklung auf diesem Gebiet ist es Aufgabe der Politik, gegenüber der modernen Technologie offen zu bleiben und nur einzugreifen, wo Bürgerrechte in Gefahr sind. Es wäre unvernünftig, den Fortschritt bei den Informations- und Kommunikationstechniken zu verbieten, weil es möglicherweise auch schädliche Anwendungen geben kann.

Neben dieser anderen Einstellung gegenüber unserer Industriegesellschaft, wie sie sich zur Zeit auch in Hessen beim Ausstieg der SPD aus der wirtschaftlichen Nutzung der Kernenergie manifestiert, haben die Unions-Parteien eine wesentlich andere Auffassung vom Sinn des Datenschutzes. Für die SPD soll das Datenschutzrecht nicht nur Verletzungen der Rechte des einzelnen abwehren. Vielmehr soll die Datenschutzgesetzgebung auch eine "Regelung zur Verteilung der Informationen" bringen. Für die SPD ist also der Datenschutz, wie es der hessische Innenminister im Februar dieses Jahres in großer Offenheit ausgesprochen hat, ein "Steuerungsinstrument", mit welchem man entscheiden will, welche Nutzung der technischen Möglichkeiten notwendig und vertretbar ist. Das läuft im Ergebnis auf eine Politisierung und staatliche Reglementierung der elektronischen Datenverarbeitung, aber auch aller anderen Informationsbeziehungen hinaus, weil die SPD Datenschutzgesetze verlangt, die über den Einsatz der automatisierten Datenverarbeitung auch konventionelle Informationsbeziehungen reglementieren. Ziel der SPD ist es offenbar, unter dem Etikett "Datenschutz" unserer Gesellschaft eine von ihr als richtig empfundene "Informationsordnung" aufzunötigen.

Die Unions-Parteien wollen demgegenüber das Datenschutzrecht im Rahmen seiner bisherigen Zweckbestimmung, nämlich der Verhinderung von Mißbräuchen beim Einsatz der automatisierten Datenverarbeitung, weiterentwickeln. Dort, wo die elektronische Datenverarbeitung mit ihren spezifischen Möglichkeiten der nahezu unbegrenzten Speicherung, blitzschnellen Übermittlung und fast beliebigen Kombination personenbezogener Daten zu Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht gebraucht werden kann, sollte der Gesetzgeber zum Schutz der Bürger eingreifen. Mehr verlangt auch das Bundesverfassungsgericht nicht. Wir wollen bewußt davon absehen, den Umgang mit personenbezogenen Daten schlechthin zu regeln, wie es die von der SPD verlangte "Datenverkehrsordnung" mit sich brächte. Wenn Bund und Länder begännen, alle Notizen, Abfragen von Informationen und den Austausch von Aufzeichnungen zwischen Bürgern im Wirtschaftsleben oder innerhalb der öffentlichen Verwaltung zu regeln, landeten wir bei einer überbürokratisierten und unerträglichen Bevormundung der Bürger. Könnte die SPD ihre Leitlinien verwirklichen, stünde am Ende nicht der vollkommene Datenschutz, sondern die totale staatliche Reglementierung aller Informationsbeziehungen. Weder der "familiäre Datenschutzbeauftragte" für den Heimcomputer des Familienvaters, noch die Notwendigkeit, den Gesetzgeber vor der Einrichtung von Online-Anschlüssen zu fragen, noch eine Mitbestimmung des Betriebsrats, welcher DV-Gerätetyp nun angeschafft werden soll, wären erträgliche Ergebnisse einer Datenschutznovelle.

Wenn die CDU/CSU in der Koalition den Datenschutz durch Novellierung, des Bundesdatenschutzgesetzes, sowie durch bereichsspezifische Regelungen für das Verwaltungsverfahren und den Sicherheitsbereich im Rahmen der vom Bundesverfassungsgericht auf gezeigten Grundsätze fortentwickelt, werden wir nicht nur auf die Persönlichkeitsrechte der Bürger, sondern auch darauf achten, daß dabei die Verfolgung von Kriminalität, die Begrenzung von Kreditrisiken oder die Werbung und Geschäftsanbahnung im Wirtschaftsleben nicht auf der Strecke bleiben. Bevor man weitere Datenschutzregelungen gerade im privaten Bereich fordert, sollte man die Rechtsprechung unserer höchsten Zivil- und Arbeitsgerichte zur Kenntnis nehmen. Danach ist bereits jetzt beim Umgang mit personenbezogenen Daten eine sorgfältige Abwägung der schutzwürdigen Belange der Beteiligten geboten, die von den Gerichten im vollen Umfang nachgeprüft wird. Wo dann noch Mängel sind, ist der Gesetzgeber auf dem Gebiet des Zivil- und Arbeitsrechts gefordert.

Die Unions-Parteien werden den Datenschutz dort, wo es der Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Bürger fordert, konsequent verstärken. Sie werden aber Datenschutz nicht als Technologiebremse oder als Mittel zur Verstaatlichung der Informationsbeziehungen mißbrauchen lassen.