Mit preiswerten Terminals und attraktiven Gebühren die Einstiegsschwelle gesenkt:

Datenfernverarbeitung bald für jedermann?

16.12.1977

"Datenfernverarbeitung kann ich mir nicht leisten. Das ist nur etwas für die Großen. Viel zu hohe Kosten. Welche DV-Dienste kann ich denn schon für meinen Betrieb für DFÜ benutzen? Das ist nur etwas für Spezialisten."

An solche oder ähnliche Aussagen zum Thema Datenfernverarbeitung hat man sieh schon fast gewöhnt. Obwohl bereits derzeit rund 50 000 Datenendstellen an den Fernmeldewegen der Deutschen Bundespost (DBP) existieren, führen insbesondere kleine und mittlere Unternehmen häufig an, daß die betriebswirtschaftlich sinnvolle Anwendung der Datenfernverarbeitung durch eine zu hohe "Einstiegsschwelle" bezüglich Kosten und notwendigem Wissen behindert oder sogar verhindert werde.

Bereits jetzt erkennbare Entwicklungstendenzen lassen aber erwarten, daß diese "Einstiegsschwelle" in naher Zukunft drastisch gesenkt werden kann.

Die Anwendung der Datenfernverarbeitung wird dann sogar nicht nur i im kommerziellen Bereich so selbstverständlich sein wie heute die Benutzung des Telefons, sondern darüber hinaus sogar in weiten Teilen der privaten Haushalte zum Alltäglichen gehören.

Um welche Entwicklungstendenzen geht es hierbei?

Die wohl augenfälligste Entwicklung ist auf dem Terminalsektor zu beobachten.

Die ständig fallenden Preise für Halbleiterspeicher und Mikroprozessoren, die Verfügbarkeit von in Großserie hergestellten alphanumerischen Tastaturen, Kassettenlaufwerken und elektronischen Anzeigegeräten (modifizierte Fernsehmonitore) ermöglichen es der Industrie, bereits heute intelligente Terminals zu Niedrigstpreisen anzubieten. So ist beispielsweise ein Terminal, bestehend aus Sichtgerät, Tastatur, Kassettenlaufwerk und Mikroprozessor (4KB RAM, 4KB ROM), für rund 600 Dollar erhältlich.

Neuer Dienst "Bildschirmtext"

Eine weitere, wenn auch bisher nicht so stark beachtete Entwicklung vollzieht sieh auf dem Gebiet neuer Dienstangebote.

Die Deutsche Bundespost hat erstmals auf der diesjährigen Funkausstellung in Berlin den zukünftigen Dienst Bildschirmtext vorgestellt.

Unter Verwendung von (mit Zusatzelektronik versehenen) handelsüblichen Farbfernsehern, Tastatur, Modem und Telefonanschluß (Fernsprechnetz) können Informationsdienste in Anspruch genommen werden die über sogenannte Bildschirmtext-Zentralen angeboten werden.

Informationsanbieter können ihre Daten entweder über die Tastatur in die Bildschirm-Textzentrale einbringen oder bei größerem Informationsangebot ihren eigenen Rechner an das Bildschirmtext-Netz anschließen. Mit einem größeren Feldversuch wird die DBP im Jahre 1980 beginnen. Interessant an diesem Dienst, der eine Reihe von neuen technischen Kommunikations-Möglichkeiten eröffnet, sind vor allem die hierfür von der DBP in Aussieht gestellten Kosten und Gebühren. So wird beispielsweise für die erforderliche Zusatzelektronik im Fernsehempfänger ein Preis von 200 bis 500 Mark genannt.

Paketvermittlung aus dem Experimentierstadium heraus

Eine bisher von der breiteren Öffentlichkeit weitgehend unbemerkte Entwicklung hat sich auf dem Gebiet der Paketvemittlungstechnik vollzogen. Nachdem Ende der sechziger Jahre die ersten experimentellen Paketvermittlungsnetze (ARPA, NPL) erfolgreich installiert wurden, ist diese Technik in der Zwischenzeit so ausgereift daß sie bereits von einigen Herstellern in ihren geschlossenen Systemen (Beispiel SNA) angewendet wird. Entsprechend den wach senden Marktanforderungen haben sich darüber hinaus eine Reihe von Fernmeldeverwaltungen entschlossen, Paketvermittlungsdienste öffentlich anzubieten. Mit Hilfe der Paketvermittlungstechnik ist es möglich, Betriebsmittel wie Datenübertragungseinrichtungen (Modems) und Datenübertragungswege quasi gleichzeitig für mehrere "logische" Verbindungen zu nutzen (analog der Betriebsmittelvergabe in einem Multiprogramming-Betriebssystem).

Warten auf internationale Normen

Die Frage: "Wann wird ein solcher Dienst in der Bundesrepublik öffentlich angeboten?", drängt sich förmlich auf. Die Antwort hierauf hat die DBP schon mehrmals gegeben. Ein solcher Dienst werde angeboten, wenn:

- Internationale Normen für Paketvermittlungsdienste existieren

- Ein solcher Dienst mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand eingeführt werden könne,

- Der Markt für diesen Dienst vorhanden sei.

Aus heutiger Sicht können die ersten beiden Forderungen als erfüllt betrachtet werden. Einerseits existieren internationale CCITT-Empfehlungen für Paketvermittlungsdienste, andererseits ist diese Technik so ausgereift, daß sie bereits am Markt angeboten wird.

Bezüglich der Marktanforderungen ist zu erwähnen, daß die DBP bereits heute bereit ist, im Rahmen von Pilotprojekten solche Dienste anzubieten, wie dies etwa im "Pilotkomplex technisch/wissenschaftliche Rechnerverbundsysteme" (PIX) der Fall ist.

Von der Formulierung entsprechender Marktanforderungen potentieller Anwender wird es letztlich mit abhängen, wann die DBP einen Paketvermittlungsdienst öffentlich anbieten wird.

Preiswerte Terminals, attraktive Verkehrsgebühren sowie herstellerneutrale, kompatible Kommunikationsprozeduren (technisch freizügige Kommunikation jeder mit jedem möglich) werden sowohl auf der Anwenderseite als auch auf der DV-Service-Anbieterseite neue Märkte schaffen.

Aus dieser Sicht braucht der Anwender in Zukunft (hoffentlich) weder ein Datenfernverarbeitungs-Spezialist noch kapitalkräftig zu sein.

*Heinz Sarbinowski ist Berater für Datenfernverarbeitungsfragen bei der GMD, Darmstadt