Datenbankriesen fürchten Open Source

14.12.2005
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Wolfgang Herrmann war Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.
"Bis zum Jahr 2008 werden Open-Source-Datenbanken lediglich für nicht geschäftskritische Applikationen eingesetzt." Donald Feinberg, Gartner-Analyst
"Bis zum Jahr 2008 werden Open-Source-Datenbanken lediglich für nicht geschäftskritische Applikationen eingesetzt." Donald Feinberg, Gartner-Analyst

Auch Feinberg beurteilt die Perspektiven der Open-Source-Systeme zurückhaltend. In den nächsten fünf Jahren stellten sie keine ernsthafte Bedrohung für kommerzielle Anbieter dar: "Bis zum Jahr 2008 werden Open-Source-Datenbanken lediglich für nicht geschäftskritische Applikationen eingesetzt", so seine Prognose. Kommerzielle Datenbanken böten Unternehmensanwendern noch immer gewichtige Vorzüge, darunter eine größere Funktionsbreite, besseren Support, Skalierbarkeit und mehr Verwaltungs- und Entwicklungswerkzeuge. Eine Ausnahme bilde die aktuelle Version 5 von MySQL. Er gehe davon aus, dass SAP die Software aus Schweden für den Einsatz mit seinen ERP-Systemen zertifizieren werde.

MySQL holt auf

In Sachen Funktionalität haben Open-Source-Datenbanken gegenüber den kommerziellen Rivalen aufgeholt. MySQL etwa wurde lange Zeit nur in Universitäten und Kleinstunternehmen gesehen, weit entfernt von den Anforderungen einer "richtigen Firma". Ein oft gehörter Einwand war, dass das System keine echten Transaktionen unterstütze. Dieses Feature ist zusammen mit Row Level Locking schon seit der Version 3.23 in der InnoDB Storage Engine von MySQL implementiert. Inzwischen verfügt MySQL 5 über Features wie Stored Routines, Trigger und Views, die lange Zeit teuren kommerziellen Produkten vorbehalten waren.

Doch es gibt Grenzen. Geht es um Hochverfügbarkeit, Systemadministration oder Backup und Recovery, gelten die etablierten Datenbanken noch immer als überlegen. Experten empfehlen den Einsatz von MySQL 5 deshalb nur für bestimmte Bereiche, beispielsweise für leseintensive Anwendungen oder als Subsystem für eine "Master"-Datenbank (siehe Kasten "Mehr zum Thema: Wo sich der Einsatz von MySQL 5 lohnt").

Bis sich die Datenbank in unternehmenskritischen Bereichen durchsetzt, wird wohl noch einige Zeit vergehen, räumt MySQL-Manager Giesel ein. Unternehmen tauschten ihre Altsysteme nicht ohne Not gegen ein Open-Source-Produkt aus. Mit dem wachsenden Kostendruck könne MySQL seine Vorteile aber immer besser ins Spiel bringen.

Trotz funktionaler Defizite der Open-Source-Konkurrenz reagieren die Platzhirsche im Datenbankmarkt zunehmend nervös. Anfang nächsten Jahres bringt Oracle mit "Oracle 10g Express Edition" (Oracle XE) eine kostenlose Einstiegsversion seines Flaggschiffprodukts. Für die von Lawrence Ellison geleitete Company ist dies schon der zweite Anlauf im Lowend-Segment. Die "Oracle 10g Standard Edition One" für Server mit maximal zwei Prozessoren können Unternehmen zum Preis von 149 Dollar pro zugreifenden Nutzer erwerben.

Für die Gratisversion XE liefert Oracle keinen Support. Anwender könnten über die Online-Community "Oracle Technology Network" (OTN) Unterstützung erhalten, ließ Ellison verbrei- ten. Dies sei als "Kampfansage an Angebote wie MySQL" zu verstehen.

Auch den Branchenprimus IBM lässt die Entwicklung nicht ungerührt. Die relationale Datenbank DB2 soll demnächst ebenfalls in einer kostenlosen Einstiegsversion verfügbar sein. Als Teil der PHP-Entwicklungsumgebung hatte Big Blue schon zuvor die Datenbank Cloudscape der Open-Source-Community zur Verfügung gestellt. Selbst Microsoft, auf Windows-Plattformen bislang unangefochtener Marktführer, plant mit der "Express Edition" eine Gratisvariante des "SQL Server 2005".