Informationssystem aus dem Baukasten

Datenbanken und das Dilemma der MIS-Phobie

12.05.1978

Ganz offensichtlich hat die MIS-Euphorie der beginnenden siebziger Jahre

- nunmehr einer MIS-Phobie gewichen - lange Zeit den Blick für die Probleme hochintegrierten Informationssysteme auf Datenbankbasis die Tatsache außer acht, daß noch einige Probleme ungelöst, anderer mit großem Aufwand zu lösen sind.

Zu den ungelösten Problemen zählt der Stand der Hardware (schnelle und wirtschaftliche externe Speicher), die Ermittlung des Informationsbedarfs für strategische Entscheidungen und die Software, die Formulierung strategischer Entscheidungsprobleme gestattet. Diese Software existiert bislang nur in Ansätzen (im wissenschaftlichen Bereich etwa die Sprachen ALPHA und SEQUEL). Zu den nur schwer lösbaren Problemen zählt der Aufbau und die Unterhaltung komplexer Informationssysteme.

Ein weiteres Problem, an dem die Datenverarbeitung ohnehin krankt, sind die zeitlichen Vorstellungen über die Realisierung komplexer Informationssysteme. In der Regel entsteht für die Entwicklung ein Aufwand, der sich nur in einigen Mannjahren ausdrücken läßt. Die mit dem MIS verbundene Euphorie führte jedoch zu der Ansicht, auch solche Informationssysteme seien ohne weiteres in kurzer Zeit realisierbar. Dies wiederum führte zu unrealistischen Zeit- und Kostenschätzungen und in der Folge oft zum Scheitern der Projekte oder zu Kompromissen bezüglich der ursprünglichen Zielsetzung oder aber auch zu unbefriedigenden Lösungen.

Qualifizierte Informationssysteme sind erst dann möglich, wenn die erforderlichen Grundlagen hierfür geschaffen worden sind. Hierzu zählt:

- ein qualifiziertes und ausreichend besetztes Team,

- die Bereitschaft, alte Systeme durch neue zu ersetzen

- die Bereitstellung geeigneter und genügender Hardware,

- der Einsatz eines Datenbanksystems,

- ein aussagefähiges und umfassendes Dokumentationssystem und

- genügend Zeit für eine sorgfältige Planung.

Aus diesen Forderungen geht auch hervor, daß beim Aufbau leistungsfähiger Informationssysteme die Basisdatenverarbeitung funktionieren muß und das Unternehmen genügend Stabilität besitzen muß, um die Neuorganisation ohne größere Probleme zu verkraften.

Das Vorgehen bei der RIZ berücksichtigt im wesentlichen die angesprochenen Punkte. Die Entwicklung datenbankgestützter Informationssysteme auf der Basis von UDS wurde einem Projekt übertragen, dessen Mitglieder sowohl über Datenbankerfahrung als auch über Kenntnisse der bestehenden Organisation verfügen. Darüber hinaus wurde eine Gruppe gebildet, die für die Verwaltung der Datenbank in technischer und organisatorischer Hinsicht zuständig ist.

Bevor überhaupt Anwendungsaufgaben in Angriff genommen wurden, wurde ein Dokumentationssystem entwickelt, das die gesamte Datenbank beschreibt. Die einzelnen Dokumentationsunterlagen sind so aufgebaut, daß sie sich gegenseitig überlappen. In jeder Beschreibung sind Angaben enthalten, die auch in anderen Beschreibungen vorkommen. Damit läßt sich die bei jedem Datenbanksystem vorkommende Verknüpfung der Systemelemente darstellen. Beispielsweise kann man leicht feststellen, welche Programme bei der Änderung eines Datensatzes betroffen sind oder in welchen Areas ein Datensatz zu finden ist, in welchen Sets er auftritt und auf welche Art er mit anderen Satzarten verknüpft ist.

Es ist geplant, die Dokumentation über eine Anlage zur Textverarbeitung zu pflegen, um zu gewährleisten, daß die Dokumentation immer auf dem neusten Stand ist. Denkbar wäre auch, die Dokumentation mit Hilfe der Datenbank zu pflegen.

Ferner wurden Richtlinien für die Vergabe von Namen im Zusammenhang mit Datenbankanwendungen erlassen, die erst einen Anfang bei den Bemühungen um eine möglichst weitgehende Standardisierung darstellen. Es ist vorgesehen, alles, was im Zusammenhang mit der Datenbank einheitlich gestaltet werden kann, zentral zu verwalten und den Anwendern zur Verfügung zu stellen. Damit soll erreicht werden, daß Datenbankanwendungen mit Hilfe von Bausteinen geplant und realisiert werden können. Die Komplexität des Datenbanksystems beschränkt sich für den Anwender dann allein auf sein Problem und nicht auf die Verwaltung der Datenbank selbst.

Die Entwicklung der Datenbank selbst geht bei der RIZ von der Definition eines Gesamtsystems, aus das in Subsysteme zerlegt werden kann. Diese Subsysteme können weiter zerlegt werden, bis kleine Einheiten entstehen, die relativ schnell entwickelt und implementiert werden können. Das Gesamtsystem definiert somit den Umfang der Datenbank und stellt den Rahmen dar, der für die einzelnen Subsysteme die Grenzen angibt.

Das Design des Gesamtsystems obliegt dem Projekt "Datenbank". Es umfaßt auch die Entwicklung zentraler Bereiche der Datenbank, die allen Anwendern offenstehen. Hierunter fallen beispielsweise zentrale Dateien wie Kundenregister, Steuerungsinformationen oder Bereiche, die Leistungen des Rechenzentrums erfassen und damit die Grundlage für eine Fakturierung bieten. Um diese zentralen Bereiche gruppieren sich die Subsysteme (Personalsystem, Finanzsystem), die von den entsprechenden Gruppen in enger Zusammenarbeit mit dem Projekt "Datenbank" entwickelt werden. Mit dieser Vorgehensweise soll bei der RIZ erreicht werden, daß die Datenbank in sich konsistent bleibt, als Service allen Anwendern offensteht und eine einheitliche Datenbasis für alle Anwender geschaffen wird.

Um zunächst das Datenbanksystem UDS in den Griff zu bekommen, wurde eine Anwendung, die bereits mit einer Datenbankstruktur unterlegt ist, übernommen. Ferner ist die

Einrichtung einer Testdatenbank vorgesehen. Aus den Erfahrungen, die mit der Testdatenbank und der Pilotanwendung gesammelt werden, sollen

Empfehlungen abgeleitet werden, die weiteren Datenbankanwendungen

zugute kommen.

- Christian Lauer, Projektleiter "Datenbank" bei der Raiffeisen -

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