Datenbank-Umstellung: Aufwand unterschätzt?

22.09.1978

Obwohl auf dem Personalmarkt immer mehr "Datenbank-Spezialisten" gesucht werden, der Anwender also offensichtlich den Problemkreis "Datenbank" in den Griff bekommen will, scheint der Aufwand hierfür immer noch unterschätzt zu werden. An der Hardware soll's nicht liegen - das haben uns alle vier befragten DB-Spezialisten bestätigt. Enorme Schwierigkeiten bereitet vielmehr - so Michael Bauer von der GES - ". . . in vielen Fällen eine sorglose Planung des DB-Designs und der damit verbundenen Betriebs- und Trainingskosten". Nach seinen Erfahrungen gibt es heute kein Verfahren, das dem Anwender diese Fragen präzise beantworten kann. Viele Datenbanken werden - nach Meinung von Hans-Werner Steffen, CACI Inc., Hamburg, - implementiert, "weil es gerade modern ist oder der Anwender unter dem Zwang des Rationalisierungserfolges steht". Hierbei wird der Aufwand zwangsläufig unterschätzt, mit dem Ergebnis, daß "das gewählte DBMS den betrieblichen Anforderungen nicht genügt oder die Datenbank den wachsenden betrieblichen Anforderungen bald nicht mehr genügen kann".

Michael Bauer

Leiter des Bereiches DV-Beratung, GES Gesellschaft für

elektronische Systemforschung mbH, Allensbach

Man kann zwar nicht pauschalieren, daß die Implementierung einer Datenbank - Kosten- und Zeitbedarf - unterschätzt würde, aber in vielen Fällen trifft dies zu. Ist sorglose Planung die Ursache?

Bei der Untersuchung von Kostenansätzen für Datenbanken konnte ich feststellen, daß oft einige Kostenarten recht vage nur geschätzt oder ganz weggelassen wurden. Dies traf meist bei Trainingsaufwand, Betriebskosten (Wartung, DB-Administrator) und Betriebskosten (Maschine) auf. Auch der Aufwand für die planerische Vorbereitung - das Design - wird öfters unterschätzt.

Den Grund dazu sehe ich in zwei Faktoren: 1. Die jeweilige DB-Implementierung ist die erste in dem betroffenen Unternehmen. Es liegen deswegen noch keinerlei Erfahrungen vor.

2. Für viele Kostenarten gibt es kaum Anhaltspunkte, welche Größenordnungen sie annehmen werden. Sie werden durch das gewählte DBMS, die Aufgabenstellung, die Komplexität des Projektes und noch vieles mehr stark beeinflußt.

So gibt es zum Beispiel kein Verfahren, präzise vorherzusagen, wieviel Personalkapazität für die Wartung des DBMS, die laufende Pflege der Verzeichnisse und die kontinuierliche Auswertung der Statistiken und ähnlichem gebunden werden. Noch ein weiteres Beispiel: Der Aufwand für das DB-Design differierte je nach eingesetztem DBMS um bis zu 300 Prozent!

Sicherlich könnten systematische Nachkalkulationen eine statistische Basis schaffen, um die Fehleinschätzungen in der Planung zu reduzieren. Laufen aber auch wirklich alle Kosten, die durch die Datenbank verursacht werden, in eine Nachkalkulation ein?

Auch psychologische Probleme spielen eine Rolle. So zeigen zum Beispiel unsere Untersuchungen, daß als Ziel Nummer 1 bei geplanten neuen DV-Anwendungen ein "hohes Maß an Wirtschaftlichkeit" erreicht werden soll. Häufig ist eine Datenbank ein sinnvolles Mittel, diese neuen Anwendungen DV-technisch zu realisieren. Wenn sich im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsüberlegungen aber dann herausstellt, daß es nicht so einfach ist, die Vorteile der Datenbank zu quantifizieren - und die erwarteten Einsparungen nicht zu erheben sind -, dann sinkt auch die Bereitschaft, verborgene Kostenaspekte ans Licht zu zerren.

Ein Trost vielleicht: Eine Studiengruppe von NCC mußte beim Besuch amerikanischer Datenbankanwender mit mindestens zwei Jahren Praxis feststellen daß auch hier eine Wirtschaftlichkeitsrechnung selten und eine exakte Nachkalkulation nie durchgeführt worden waren.

Dieter Büscher

Leiter der Hardware-Planung, Landesamt für elektronische

Datenverarbeitung, Berlin

Ein Datenbank-System zu installieren, ist heutzutage nicht mehr allzu schwierig: Der Hersteller hat das System, der Anwender schreibt die entsprechenden Programme. Schwierig wird das Vorhaben nur dann, wenn man spezielle Anforderungen an ein Datenbank-System stellt: Etwa die hohe Verfügbarkeit von Daten, wie wir sie für unsere polizeilichen Verfahren benötigen. Viele spezielle Anforderungen sind nicht von vornherein im Datenbank-System implementiert - die meisten künftigen Anforderungen müssen bereits bei der Konzeption des Systems berücksichtigt werden. Hinter dem eigentlichen Datenbank-System gibt es ein Steuerprogramm, an das sich die Anwenderprogramme anschließen. Dieses Steuerprogramm muß der Anwender selber schreiben, was von den meisten oft unterschätzt wird.

Gerade wenn eine hohe Verfügbarkeit gefordert wird, muß daran gedacht werden, das die Hardware ausfallen kann. Viele Anforderungen lassen sich nach und nach realisieren und die entsprechenden Komponenten dazukaufen, im DB-Konzept müssen diese Dinge jedoch von vornherein berücksichtigt werden.

Unser derzeit größtes Problem ist das Generieren von zerstörten Daten. Hier bietet das DB-System die Möglichkeit, diese Informationen aus Sicherungskopien zu generieren. Wenn wir jedoch unsere Datenbank für ein bestimmtes Verfahren neu laden müssen, dauert dies etwa sieben Stunden. Wir müssen aber innerhalb von zehn Minuten den Auskunftsdienst wieder herstellen können. Dieser Punkt kann bis heute vom Hersteller nicht gelöst werden. Wir mußten nun selbst ein Konzept für die Problemlösung entwickeln, die Realisierung ist jedoch teuer.

Ein weiteres Problem, mit dem der Anwender selber fertig werden muß und das häufig unterschätzt wird, sind die Antwortzeiten. Ein weiterer wesentlicher Punkt, der kaum später hinzugefügt werden kann, ist die Möglichkeit der Parallelverarbeitung. Wichtig für den Anwender ist auch, von vornherein zu wissen, auf welchen Datenträgern gespeichert werden soll und wie man die Daten physisch verteilt. Eine große Hilfe leisten hierbei Hardware-Monitore.

Problematisch in unserem Fall ist auch das Ändern in der Datenbank, wenn sehr viele Änderungen innerhalb kurzer Zeit erforderlich werden: Einmal im Jahr zur Zeit der Lohnsteuerkarten-Verteilung muß beinahe jeder Satz in der Datenbank "angefaßt" werden. Diese Arbeit fahren wir jetzt im Batch, weil das System diese Menge von Änderungen nicht verkraftet.

Wer also ein Datenbank-System implementieren will, sollte sich nicht ausschließlich auf den Hersteller verlassen, sondern vielmehr darauf achten, daß die organisatorischen Aspekte im eigenen Haus nicht unterschätzt werden.

Hans-Dieter Janson

Verfahrensberater, Vertrieb Datentechnik, Siemens AG, Berlin

Heutzutage scheitert immer wieder das Vorhaben mancher Anwender Datenbank-Systeme zu installieren. Der Grund hierfür ist einmal, weil man bei den Überlegungen zum Einsatz von Datenbanken primär davon ausgeht, das Hauptaugenmerk auf die Hard- und Software-Voraussetzungen zu konzentrieren. Dies ist jedoch nur Voraussetzung für ein flexibles Datenbanksystem, das es ermöglicht, die Komplexität dieser Problematik sukzessive aufbauen zu helfen.

Der häufigste Fehler beim Aufbau von Datenbanken besteht darin, daß vorab versucht wird, ein Modell zu entwickeln, das sämtliche Probleme und Faktoren beinhaltet und auch bereits löst. Umfassende Datenbanken; die heute bereits im Rahmen des; IuD-Programms der Bundesregierung realisiert sind, wurden aufgebaut, indem man ein Datenbank-System verwendet, das die Möglichkeit schafft, den Thesaurus selbst aus den Anforderungen heraus zu entwickeln.

Wo also kein vorgegebener, fester Indexrahmen besteht, bedeutet das, daß zu dem Zeitpunkt, in dem ein solches System in Angriff genommen wird, lediglich bekannt sein muß, was erfaßt werden soll und welche Schlagworte benötigt werden. Die Voraussetzung hierzu ist natürlich, daß im Rahmen der Indexierung geschultes Fachpersonal vorhanden ist. Dann muß - auf der gesamten Tiefe der Problematik - die Datenbank zunächst einmal mit einer relativ geringen Zahl von Zielinformationen "aufgehängt" werden.

Wenn das Datenbank- oder Retrieval-System so flexibel aufgebaut ist, also selbständig jedes neue Schlagwort aufnimmt und in den Thesaurus einbezieht, stößt man bei quantitativer Ausweitung nicht mehr an die berühmten Grenzen, die sich durch ein vorgegebenes Konzept ergeben.

Zwar gibt es zumeist ein analysiertes Datenbanksystem, die organisatorischen Voraussetzungen im Unternehmen, in der Behörde oder der Institution sind jedoch nicht so weit ausgereift, daß die Erfassung der Daten auch gewährleistet ist. Nur dann kann ein Datenbank-System erfolgreich zum Laufen gebracht werden, wenn vom ersten Tage an eine geringe Zahl von Zielinformationen zur Verfügung steht, anwendbar ist und gewartet werden kann. Erst dann ist es möglich, sukzessive weitere Informationen hinzuzufügen und so - auch mit einem geringen Volumen - tagesaktuell zu sein. Auch die Akzeptanz der Benutzer hängt zum großen Teil von der tagesaktuellen Verfügbarkeit der Daten ab. Eine wichtige Voraussetzung, damit das System weiter gepflegt und entwickelt wird und die Verantwortlichen vom ersten Tage an zu ihren Entscheidungen stehen können.

Hans-Werner Steffen

Marketing-Manager, CACI, Inc. - International, Hamburg

Obwohl seit vielen Jahren von Datenbanken gesprochen wird, ist im Vergleich zu konventionellen Systemen nur eine geringe Anzahl von Datenbanken installiert. Die meisten in Europa installierten Datenbanken entstanden durch eine Konvertierung bestehender konventioneller Dateien, ohne daß grundlegende Überlegungen der Anwender hinsichtlich der Datenbanktechnik und der Voraussetzungen den Einsatz einer Datenbank angestellt wurden. Nur zu gern verschanzen sich die Anwender hinter den nicht quantifizierbaren Vorteilen des DB-Einsatzes. Dabei führen kleine Unternehmen eine Datenbank ein, weil es modern ist, sie zu haben. Viele große Anwender implementieren eine Datenbank unter dem Zwang des Rationalisierungserfolges. Der dabei auftretende Aufwand wird eindeutig unterschätzt. Es ist wesentlich billiger, wenn der Anwender zunächst eine grundlegende Datenanalyse als Basis des DB-Designs durchführt, anstatt nach der Implementierung feststellen zu müssen, daß das gewählte DBMS nicht den betrieblichen Anforderungen genügt beziehungsweise die Datenbank nicht den wachsenden betrieblichen Anforderungen genügen kann.