Datenanalyse statt Bauchgefühl

26.02.2008
Von Ronald Grieß
Kunden lassen sich nicht mehr in Segmente einordnen. Firmen benötigen neben CRM-Applikationen Analysewerkzeuge, um mit individuellen Angeboten auf Trends zu reagieren.

Die Regeln für Verkaufsgespräche haben sich geändert. Der Kunde ist anspruchsvoller, informierter und fordert mehr. Er hat die Macht und damit das Sagen: Ist er nicht zufrieden, wechselt er den Anbieter. Erstkäufer lassen sich nur dann zum Folgekauf bewegen, wenn ihre Erwartungen erfüllt werden. Stammkunden gewinnt man durch Kundenzufriedenheit. Kundenbindung lässt sich erreichen durch Wechselbarrieren. Loyalität entsteht, wenn die Konsumenten begeistert sind. Oberstes Ziel der Unternehmen muss es sein, loyale Kunden aufzubauen. Sie kaufen öfter, mehr und sind weniger preissensibel. Für solche Abnehmer muss das Unternehmen weniger Geld für Werbung, Kundenakquise und interne Prozesse ausgeben, sichert sich damit höhere Erträge. Doch damit nicht genug: Ein loyaler Kunde ist der vertrauenswürdigste Werbeträger, wenn er den Anbieter weiterempfiehlt.

Glossar

Data Mining: Herausfinden beispielsweise von Regelmäßigkeiten und Abweichungen sowie Abhängigkeiten innerhalb eines Datenbestands.

Data Warehouse: datenbankgestützte Sammlung von Informationen beispielsweise über Kunden aus unterschiedlichen IT-Systemen eines Unternehmens.

Multi-Channel: In Verbindung mit CRM ist damit gemeint, Kunden über verschiedene Kommunikationskanäle wie Telefon, E-Mail, Web-Seiten und Briefpost anzusprechen.

Olap: Online Analytical Processing umfasst Methoden, um Geschäftsdaten auf Grundlage zuvor festgelegter Frage zu untersuchen. Etwa Umsatz eines Produkts in einer Region über einen bestimmten Zeitraum. Für solche Abfragen werden Olap-Cubes (Datenwürfel) vorbereitet.

Hier lesen Sie ...

warum Unternehmen neben Funktionen für die Verkaufssteuerung Methoden zur Datenanalyse benötigen;

warum beispielsweise Banken in analytische CRM-Funktionen investieren;

welche internen Strukturen in Unternehmen eine übergreifende Sicht auf Kundendaten erschweren.

Fazit

Um kurz- und langfristig erfolgreich zu sein, müssen Firmen die dynamischen, analytischen Eigenschaften ihres CRM-Systems erweitern. Dabei sollten sie relevante Kontaktdaten aller Interaktionskanäle in aussagekräftige Kundeninformationen und -segmentierungen überführen. Letztlich bringen solche Informationen nur dann etwas, wenn die Analyseergebnisse aller Interaktionskanäle zur Verfügung stehen. Mit solch einem umfassenden CRM-Konzept können Unternehmen ihre Kunden zielgruppenspezifisch betreuen.

Der Weg zu verlässlichen Orientierungshilfen

In den unterschiedlichen IT-Lösungen eines Unternehmens lagern relevante Kundendaten, die sich sammeln und analysieren lassen. Beispielsweise können Kundeninformationen aus Point-of-Sales-Systemen des stationären Handels, Internet- oder Telefonanfragen und Bestellungen gewonnen werden. Um diese Daten effizient zu nutzen, müssen Firmen sie aus den verschiedenen Kanälen zusammentragen und in geeigneter Form zur Auswertung bereitstellen. Dadurch erhält das Unternehmen verlässliche Orientierungshilfen für Entscheidungen. Je mehr Informationen zusammenkommen, desto umfassender ist der Blick auf den Kunden und desto gezielter lassen sich Kommunikationsmaßnahmen entwickeln. Dabei helfen analytische CRM-Systeme. Richtig verwendet, steigern sie die Profitabilität. Gleichzeitig können Unternehmen ermitteln, welche Wertschöpfung sie mit dem CRM-Programm beziehungsweise ihren kundennahen Prozessen erzielen. Sie haben so die Möglichkeit zu steuern und zu kontrollieren. Analytik ist Pflicht, will man den Kunden richtig ansprechen und ihn an sich binden.

Profitables Kunden-Management fußt auf einer integrierten Datenbasis, in der alle Informationen über das Produkt, den Kunden, Angebote, Vertriebsmaßnahmen, Kampagnen und den Umsatz verfügbar sind. Weitere Komponenten des analytischen CRM sind ein Data Warehouse (Datensammlung von Kundeninformationen aus unterschiedlichen Quellen), Berichtsfunktionen (Reporting), Olap (Online Analytical Processing) und Data Mining.

CRM-Systeme basieren überwiegend auf Standardsoftware. Solche Programme sind für typische Anforderungen in großer Vielfalt und in allen Preisklassen auf dem Markt verfügbar. CRM-Lösungen für besondere Anforderungen werden hingegen meist als Individuallösung erstellt. Es gibt eine Vielzahl von Angeboten, großen Zuwachs verzeichnen hier On-Demand-Lösungen, die Firmen gegen eine monatliche Gebühr mieten, sowie Open-Source-Software.

Projekte verlagern sich in Richtung analytisches CRM

Der erste - und vielleicht auch wichtigste - Schritt für die erfolgreiche Einführung einer analytischen CRM-Lösung im Unternehmen ist die strategische Planung des Projekts. Nur wenn von vornherein feststeht, wer welche Informationen in welcher Form und welchem Grad benötigt und welche internen Prozesse betroffen sind, kann auch die technische Umsetzung zügig und kosteneffizient gelingen.

In manchen Branchen verlagern sich die CRM-Investionen von den operativen Programmen zur Vertriebssteuerung in Richtung analytischer Funktionen. Ein Beispiel dafür sind Banken. Deutsche Geldinstitute beschäftigen sich heute zunehmend mit Konzepten und Systemkomponenten für das analytische CRM. An Bedeutung gewinnt zudem die Integration der verschiedensten Kontaktpunkte mit den Kunden. Momentan werden die Profitabilitätspotenziale der meisten Kundenbeziehungen nur unzureichend ausgenutzt. Cross- und Up-Selling-Aktivitäten sind mangels Kundensegmentierung, individueller Kundenanalyse und Bedarfsprognose oft noch nicht über den konzeptionellen Status hinausgekommen. CRM-Lösungen können hier Abhilfe schaffen. Idealerweise stellen automatisierte Analyse- und Prognose-Algorithmen fundierte Empfehlungen auf dem Bildschirm bereit - ergänzt um die notwendige Argumentationshilfe. Analytische CRM-Applikationen ermitteln für jeden Bankkunden individuelle Handlungsempfehlungen.

Je mehr Banken über ihre Kunden wissen, desto besser können sie sich am Markt positionieren. Natürlich sammelt jedes Unternehmen heutzutage mehr Kundeninformationen, als ausgewertet werden können. Das allein produziert aber noch kein Wissen. Erst durch Strukturierung können Geldhäuser ihre Daten handlungsleitend und erfolgssteigernd nutzen.

Prognose des Kundenverhaltens wird schwieriger

Was die Situation erschwert: Anders als früher lassen sich Kunden heute kaum noch eindeutig bestimmten Segmenten zuordnen. Dadurch reichen soziodemografische Merkmale zur Einschätzung und Prognose des Kundenverhaltens längst nicht mehr aus. Viel entscheidender sind individuelle Eigenschaften und die aktuelle Situation.

Entscheidend ist, für den Kunden geeignete Botschaften zu formulieren und ihm über zu ihm passende Interaktionskanäle zu übermitteln. Vor allem die einträglichsten Bankkunden benutzen heute mehrere Kanäle. Verglichen mit denjenigen, die ausschließlich den persönlichen Kontakt mit ihrer Bank pflegen, sind diese "Multi-Channel-Kunden" bis zu 30 Prozent profitabler. Gründe dafür sind vor allem die niedrigeren Betreuungskosten (teil-)automatisierbarer Interaktionskanäle. IT-gestützte Kommunikation verhilft zu einer besseren Datenbasis, die wiederum in überdurchschnittlichen Cross-Selling-Erfolgen resultiert.

Von der Analyse zur Handlungsempfehlung

Die Analysemethoden, mit denen sich aus Interaktionsdaten Prognosen und Handlungsempfehlungen ableiten lassen, werden immer weiter verfeinert. Noch bis vor kurzem war es üblich, bereits vorhandene Kundendaten zu sammeln, zu analysieren und daraus eine statische Zuordnung zu vordefinierten Kundensegmenten abzuleiten. Heute erlaubt es die Vielfalt der - zum Großteil elektronischen - Interaktionskanäle, die Kunden dynamischen und situationsabhängigen Segmenten zuzuordnen. Dabei werden Kundenprofile bei jeder einzelnen Inter- und Transaktion aktualisiert und angepasst. Vorreiter auf diesem Gebiet sind die Anbieter von Kreditkarten, die besonders detailliert das Verhalten ihrer Kunden kennen.

Zu technischen Hindernissen kommen organisatorische

Auf dem Weg zu effizienten Kundenbeziehungen stehen den Unternehmen meist zwei Hindernisse im Wege: technische und organisatorische Limitierungen. Dies gilt nicht für Banken. Problem Nummer eins lässt sich meist relativ schnell eingrenzen und beheben. Sind die Schwierigkeiten organisatorischer Natur, ist hingegen ein Eingriff in die Unternehmenskultur oft unerlässlich. Denn solange sich verschiedene Vertriebs- und Servicekanäle - beispielsweise Online-Portal und Filiale - um die Kundenhoheit streiten, ist eine ganzheitliche Kundenanalyse und -betreuung nur schwer zu realisieren. Individuelle Angebote bleiben dann die Ausnahme. Der Normalfall sind unpersönliche Standardangebote mit - auf den einzelnen Kundenkontakt bezogen - niedrigerer Verkaufswahrscheinlichkeit.

Um die technischen und vor allem die organisatorischen Limitierungen bei der CRM-Einführung zu verringern, spielt der Projekt-Manager eine wichtige Rolle: die des Mediators. Er ist nicht nur für die Projektorganisation verantwortlich, sondern muss im Konfliktfall zwischen einzelnen Abteilungen vermitteln. (fn)