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DLD Conference

"Daten sind die Grundlage für Gespräche"

20.01.2013
Von 
Thomas Cloer war Redakteur der Computerwoche.
Burdas Digital- und Innovationskonferenz "Digital, Life, Design" (DLD) in München steht in diesem Jahr unter dem Motto "Patterns that connect".

Dabei geht es nicht zuletzt um das aktuelle IT-Buzzword Big Data. DJ Patil, Data Scientist bei Greylock Partners, appellierte in seinem Vortrag, bei der Analyse der wachsenden Datenberge den Menschen nicht außen vor zu lassen. Wir alle seien dieser Tage doch allzu oft "Gefangene unserer Tools und Infrastruktur" (beispielweise Dashboards) und säßen dem weit verbreiteten Irrtum einer "Künstlichen Intelligenz" auf, warnte Patil: "Daten können uns täuschen, einschränken und ausbremsen."

Als Beispiel wählte er die Star-Trek-Filme: Captain James T. Kirk sei nur deswegen als großer Entscheider in Erscheinung getreten, weil ihm stets der Vulkanier Spock zur Seite gestanden habe, illustrierte Patil. Konfrontiert mit neuen Daten habe Spock immer zuerst "Faszinierend" gesagt, um dann eine Analyse zu liefern, auf deren Grundlage der Captain entscheiden konnte. Daten sollten zunächst als Grundlage für Gespräche dienen, empfiehlt DJ Patil. In den Unternehmen gebe es zu viele Meetings, in denen Daten nicht Diskussions-, sondern gleich Entscheidungsgrundlage seien.

Burda-Umsatz zu mehr als 50 Prozent digital

Den ersten DLD-Tag hatten zuvor Organisatorin Steffi Czerny und die beiden Chairmen Hubert Burda und Yossi Vardi (Israel) eröffnet. Der Münchner Medienmogul erklärte, unterstützt von seinem CEO Bernhard Kallen kund, dass der Burda-Konzern mittlerweile über 50 Prozent vom Umsatz digital erwirtschafte. Das sind mehr als eine Milliarde Euro.

Der amerikanische Fotojournalist Rick Smolan stellte sein neues Buch "The Human Face of Big Data" vor, das durch Sponsoring von EMC ermöglicht wurde und deutlich machen soll, wie die wachsenden Datenberge und ihre Analyse das Leben der Menschen verändern. Der blaue Planet entwickle gerade ein "digitales Nervensystem" (Stichwort "Internet der Dinge"). Smolan sieht das durchaus positiv - Daten retteten oftmals Leben und seien eher hilfreich als gefährlich: "Big Data is not Big Brother."

In einer Panel-Diskussion saßen sich Telekom-Chef René Obermann und Wagniskapitalgeber Klaus Hommels von Lakestar gegenüber. Die beiden waren sich nicht einig darüber, ob in Europa genügend Venture Capital zur Verfügung stehe. Obermann sieht die Lage positiv und lobte die lebendige Startup-Szene beispielsweise in Berlin ("Das macht mich optimistisch"). Hommels zeigte sich deutlich skeptischer. Europa verliere vielversprechende Gründungen schon während der ersten und zweiten Finanzierungsrunde. In den USA gebe es Regionen mit besonders günstigen steuerlichen Bedingungen, etwa den Bundesstaat Delaware, die es Gründern wesentlich leichter machten. Die Firmen, die dorthin gingen, seien für das hiesige Ökosystem "verloren".

Deutsche Gründer haben schlechte BWL-Kenntnisse

Hommels beklagte außerdem, dass die hiesigen Gründern zwar technisch oftmals sehr begabt seien, ihnen aber die betriebswirtschaftlichen Grundkenntnisse fehlten. In nahezu jeder Industrienation lerne man darüber mehr in der Schule als in Deutschland. Das typische (und beste) Gründer-Alter sieht Klaus Hommels übrigens bei 24 bis 28: "Danach hat man schon zu viel gelernt, was man wieder vergessen müsste."

Obermann verriet zu seiner beruflichen Zukunft übrigens nichts Neues. "Ich will einfach zurück zu einer kleineren Firma, um wieder zu lernen", sagte der Telekom-Topmanager. Dabei könne er sich durchaus vorstellen, auch ins Ausland zu gehen, falls er auch seine Frau Maybrit Illner dazu überreden könne - allerdings nicht in die USA: "Dazu bin ich einfach zu europäisch, fürchte ich." Obermann hatte übrigens kein Problem damit, dem versammelten DLD-Auditorium seine Email-Adresse zu verraten. Er freue sich auf Vorschläge für interessante Partnerschaften und beantworte seine Mails im Übrigen auch meistens persönlich, versicherte der Telekom-Chef.

Eine "Elefantenrunde" befasste sich mit der Frage, wer im Journalismus und in den Medien künftig die (Deutungs-)Hoheit haben werde. Wenig überraschend betonte dabei der "New-York-Times"-Verleger Arthur Sulzberger Jr., welche Bedeutung es für den Qualitätsjournalismus habe, dass Reporter vor Ort seien. Auf der anderen Seite bräuchten die etablierten Medien bessere Wege, um mit ihrer Leserschaft zu interagieren - auch um über den Rückkanal an Informationen und damit an Material für neue Inhalte zu gelangen. Zeitungen seien weiterhin ein unverzichtbares Element der Demokratie, betonte Sulzberger.

Sein "Digital-Sidekick" Martin Nisenholtz verstieg sich zu der Aussage, die wohl größte Autorität sei mittlerweile der Page Rank (von Google). Er beschrieb außerdem das bekannte Paradoxon, dass durch die Digitalisierung zwar die Reichweite der Medien enorm gestiegen sei, gleichzeitig aber die Möglichkeiten zur Monetarisierung ihrer Inhalte schwänden.

Immerhin bieten die vielen neuen digitalen Kanäle laut Nisenholtz immer mehr Journalisten die Chance, sich selbst als Marke zu etablieren. Und davon, ergänzte Sulzberger, habe natürlich nicht nur der Einzelne etwas, sondern natürlich auch seine Marke und Institution.

Kritik am geplanten Leistungsschutzrecht

Der New Yorker Journalismusprofessor und Buchautor Jeff Jarvis geißelte das hierzulande von der schwarz-gelben Koalition in Berlin geplante "Leistungsschutzrecht" für Presseverleger als den grundsätzlich falschen Weg, der Digitalisierung der Medien und sich daraus ergebenden Krise zu begegnen. Auch Katharina Borchert, Chefin von "Spiegel Online", glaubt nicht an ein Leistungsschutzrecht zur Rettung der Medien. Sie warnte in puncto Monetarisierung journalistischer Inhalte auch ganz ausdrücklich vor neuen Werbeformen, die immer stärker in redaktionelle Inhalte "eingebettet" daherkämen. Auch wenn Banner zunehmend überkommen und alles andere als ideal seien, müsse man "Kirche und Staat trennen", warnte Borchert.

Anders als die Befürworter des Leistungsschutzrechts sieht Borchert nicht Suchmaschinen wie Google als die größte Gefahr an: "Man kann Google gewiss in vielen Punkten kritisieren, aber wir profitieren auch stark von ihnen." Nicht zuletzt angesichts ihrer ganz persönlichen Gewohnheiten sieht die Spiegel-Online-Chefin eher die immer fragmentiertere Mediennutzung als längerfristige Bedrohung für die großen Medienmarken.

Speziell für deutschsprachige Medien sei es außerdem enorm schwierig, die Sprachbarriere zu durchbrechen und international erfolgreich zu sein. Verleger Sulzberger wies darauf hin, dass sich dies durch mobile Nutzung teilweise ändere - die "New York Times" sei schon mit ihrem englischsprachigen Angebot (mittlerweile publiziert man auch in Landessprache) in China dank iPhone & Co. viel häufiger gelesen worden als im stationären Web.

Plädoyer für Pressefreiheit

Martin Nisenholtz lobte Googles Bemühen, bei seinen Suchergebnissen stärker die "Autorität" des Urhebers zu berücksichtigen. Allerdings gebe es bei der Indexierung der journalistischen Inhalte noch eine ganze Menge Verbesserungpotenzial, auf das sich die Suchmaschinenbetreiber konzentrieren sollten. Vollkommen einig war sich die Runde zum Abschluss dann in Sachen Pressefreiheit. "We must defend speech. Full stop", proklamierte Dozent Jarvis. Dem pflichteten sowohl Sulzberger als auch Borchert uneingeschränkt bei.

Die DLD-Konferenz läuft noch bis zum Dienstag. Auf der Webseite http://www.dld-conference.com kann man die Veranstaltung anhand von Livestreams und Blogposts verfolgen.