Dataquest wirft einen Blick in die Zukunft der PC-Technik

06.06.1997

Bei den unterschiedlichen Rechnerarchitekturen, die für den Einsatz in Unternehmensnetzen konzipiert sind, räumt Dataquest den "Net-PC"- und "Zero-Administration"-Initiativen von Microsoft und Intel die größten Chancen ein. Dabei unterscheidet sich der Net PC ohnehin nur marginal von den derzeit überall eingesetzten herkömmlichen Rechnern. Die benutzten Applikationen liegen auf einem zentralen Server. Um die Netzlast gering zu halten, werden aber weiterhin lokale Kopien der Programme vorgehalten. Aus Sicherheitsgründen ist das Diskettenlaufwerk nicht mehr Bestandteil des PCs. Außerdem lassen die Anbieter bestimmte Schnittstellen weg oder machen sie für den Anwender unbenutzbar. Sofwareseitig sollen die Net PCs mittlerweile sowohl vom Windows-95-Nachfolger "Memphis" als auch von NT 5.0 unterstützt werden.

Net PC hat gute Chancen

Martin Reynolds, Vice-President Technology von Dataquests PC Technology Program, erwartet, daß mit Net-PCs Einsparungen zwischen 20 und 30 Prozent bei den Total Costs of Ownership (TCO) möglich sein werden. Drei Gründe sprechen nach Ansicht von Reynolds besonders dafür, daß sich die Architektur durchsetzen wird: Die Spezifikationen könnte schon 1998 von den meisten PCs erfüllt werden, es gebe nur geringen Bedarf an extrem platzsparenden Geräten, und last, but not least ermöglichten die Net-PCs einen gelungenen Kompromiß zwischen IT-Management und den Wünschen der Benutzer.

Harsche Kritik gab es an den Dateigrößen, die vor allem Microsofts Office-Paket erzeugt. "In Zeiten riesiger Festplatten scheint es Microsoft zu gefallen, einem Anwender in den Formaten die ganze Welt zu Füßen zu legen", so Reynolds. Würden die Dateien künftig allerdings zentral vorgehalten, sei ein solcher Ansatz untragbar: Zehnmal so hoch wie für eine lokale (E)IDE-Festplatte seien die Kosten bei zentraler Raid-Speicherung. Die Entwickler der Gates-Company hätten einiges zu tun, um die Dateigrößen spätestens bei "Office 98" deutlich kompakter zu gestalten. Ob allerdings die Anwender einen erneuten Wechsel der Formate hinnehmen werden, blieb bei dieser Argumentation offen.

Für die jüngst in Microsofts Roadmap aufgetauchten "Windows Terminals" erwartet Dataquest noch keinen großen Markt. Die Geräte, die - vergleichbar mit X-Window-Terminals - nur die Intelligenz besitzen, um Anwendungen grafisch darzustellen, die auf einem entfernten NT Server ablaufen, konkurrieren direkt mit dem Network Computer (NC) unter Unix. Reynolds stellte die These auf, daß der Kauf von Web-TV durch Microsoft möglicherweise das Know-how für den Remote Access zu NT Servern liefern soll und nicht etwa in Zusammenhang mit dem Internet-Zugang über Set-top-Boxen stehe, der in Microsofts Portfolio ohnehin keinen rechten Sinn mache.

Prozessoren: Pentium II dominiert

Dem im Mai 1997 vorgestellten Pentium II sagen die Dataquest-Analysten bereits ab 1998 eine goldene Zukunft voraus. Mit seinem gegenüber dem Pentium Pro auf 32 KB verdoppelten Level-1-Cache und dem gemeinsam mit der Prozessorlogik und einem Teil des Chipsatzes in einer kompakten Einheit ("Single-Edge-Contact" = SEC) untergebrachten Second-Level-Cache biete der neue Chip sowohl bei der Leistung als auch bei den Kosten Vorteile. Für 1998 rechnet Dataquest damit, daß der Pentium II mit etwa 50 Millionen verkauften Einheiten bereits der dominierende PC-Prozessor wird. Bis Ende 1997 erwarten die Analysten Taktraten bis zu 300 Megahertz, bereits Ende 1998 könnte die 500-Megahertz-Grenze erreicht sein.

Eine kritische Bemerkung in Richtung Microsoft konnte sich Reynolds nicht ersparen. Im Zusammenhang mit der Tatsache, daß Intel den neuen Chip-Boliden speziell auf hohe Leistung unter Windows 95 optimiert hat, stichelte der Analyst: "Stellen Sie sich vor: Intel mußte die Chiphardware so modifizieren, daß sie die Probleme in Windows 95 ausbügelt, und konnte nicht warten, bis Microsoft die Fehler seines Betriebssystems beseitigt hat - erschreckend, oder?"

Intel-Konkurrent Advanced Micro Devices (AMD) hat laut Dataquest ebenfalls gute Karten. Ebenso wie Intel wird die Firma ab 1998 über ausreichende Produktionskapazitäten mit dem neuen 0,25-Mikrometer-Herstellungsprozeß verfügen. Als Ironie des Schicksals bezeichnete Reynolds die Tatsache, daß ein steigender Absatz des neuen AMD-Flaggschiffs "K6" gleichzeitig beim Erzrivalen Intel Produktionskapazitäten für leistungsstärkere Chips freischaufelt, so daß sich AMD gewissermaßen selbst das Wasser für neue, schnellere Chips wie den "K7" abgrabe. Dennoch rechnet Dataquest damit, daß der K6 aufgrund seines guten Preis-Leistungs-Verhältnisses vor allem im Midrange- und Low-end-Segment erfolgreich sein wird und schon in den Produktlinien von 1997 einen Platz verdient hat.

Cyrix bekommt Lob für seine Technologie und Fertigung. Allerdings sieht Dataquest in dem texanischen Hersteller weit stärker als in AMD ein Opfer von Intels Marketing-Politik. Dennoch billigen die Analysten Cyrix eine gute Überlebenschance im Consumer-Markt zu. Daneben könnte der "M2"-Prozessor, der Pinkompatibel zu bestehenden Intel-Chips sein soll, im Upgrade-Markt eine wichtige Rolle spielen.

Für den von Intel und Hewlett-Packard gemeinsam entwickelten "IA-64"-Chip (Codename "Merced") erwarten die Auguren erste Erfolge im Server-Markt für das Jahr 1999. In Desktop-Rechnern dürfte die CPU, die Dataquest als "Monster for the Millenium" bezeichnet, nicht vor dem Jahr 2001 an Bedeutung gewinnen. Bis zu diesem Zeitpunkt erwarten die Marktforscher auch neue Technologien für den PC-Hauptspeicher. Dabei habe es derzeit den Anschein, daß sich der von Intel favorisierte, hochgetaktete "Rambus"-DRAM-Hauptspeicher (heute bereits in "Nintendo-64"-Spielekonsolen eingesetzt) gegenüber konkurrierenden Entwürfen durchsetzen könne.

Mobile Rechner: Intels MMO vorn

Ähnlich wie das SEC-Package des Pentium II und anderer kommender Intel-CPUs wird sich nach Ansicht von Dataquest Intels "Mobile Module" (MMO) durchsetzen. Die Möglichkeit, den Lebenszyklus eines portablen Rechners durch mehrere Prozessor-Upgrades zu verlängern, bewerten die Analysten positiv. Darin liege allerdings auch gleichzeitig die Gefahr, daß durch die längeren Austauschzyklen künftig dann weniger Geräte gekauft würden. Die Anwender würden dann statt dessen auf teurere und besser ausgestattete Portables zurückgreifen, um über die ganze Nutzungszeit eine eventuell mehrfach auszutauschende CPU um leistungsstarke Komponenten zu ergänzen. Durch die Integration eines Teils der Kernlogik und des Chipsatzes im MMO stärkt Intel sein Monopol und macht es Notebook-Herstellern nahezu unmöglich, Nicht-Intel-Chips zu verwenden.

Bei portablen Rechnern erwartet Dataquest eine Reihe neuer Formfaktoren. Neben einem steigenden Absatz von Handheld-Geräten (Windows CE, Apple Newton, U.S. Robotics Pilot) sollen auch größere Portables auf den Markt kommen, die für den dauerhaften Einsatz "on the road" aber nur bedingt geeignet sind. Mit erweiterten Features und Komponenten zielen solche "transportablen Workstations" eher auf Teleworker und Arbeitnehmer, die nur einen Teil ihrer Arbeitszeit im Betrieb verbringen, ihren Rechner aber zwischen Büro und heimischem Arbeitsplatz hin- und herbewegen wollen.

Neue Technologien und Schnittstellen

Intels "Accelerated Graphics Port" (AGP), ein 600-MB/s schneller Bus, der Grafikdaten direkt in den Chipsatz befördert und bei aufwendigen Grafiken und 3D-Darstellung erhebliche Leistungszuwächse verspricht, wird ab 1998 den Markt dominieren. Hersteller von Systemen, Grafikadaptern und Chipsätzen, die diesen Trend ignorieren, tun dies laut Dataquest "auf eigene Gefahr". Bei der Geschwindigkeit des AGP erwarten die Marktforscher für die kommenden Jahre zudem Steigerungen der Bandbreite auf 1,2 und später auf 2,4 KB/s.

Welches Medium die Nachfolge der guten alten Diskette antritt, ist noch nicht endgültig entschieden. Chancen darf sich Iomega mit dem "Zip"-Laufwerk ausrechnen: Die ausgereifte, festplattennahe Technik und das hervorragende Marketing überwiegen als Vorteile gegenüber mangelnder Kompatibilität zu 3,5-Zoll-Diskettenlaufwerken. Diese ist beim 120-MB-Diskettenlaufwerk "LS-120", derzeit vor allem von Compaq eingesetzt, zwar gegeben.

Dafür seien die Laufwerke zu langsam und würden zudem nach Ansicht von Dataquest für das falsche Segment vermarktet. "IT-Manager wollen einfach nicht, daß Angestellte 100 MB Daten in die Firma hinein oder aus der Firma heraustragen", erläuterte Reynolds.

Der Universal Serial Bus (USB), ein neuer Standard für serielle Peripheriegeräte, wird nach Meinung der Analysten ab 1997 verstärkt anzutreffen sein. Ein Jahr später dürfte auch die von Apple entwickelte schnelle I/O-Technik "Firewire" (IEEE 1394) in den ersten Geräten auftauchen, ab dem Jahr 2000 soll sie zum Standard für die Anbindung von DVD, digitale Kameras und Videorekorder sowie für Docking-Stations werden. Allerdings mangelt es noch an Unterstützung durch Standard-Betriebssysteme. Trotz mehrfacher Ankündigungen war Microsoft bis dato nicht in der Lage, passende Treiber für Windows 95 oder NT bereitzustellen.

Bildschirme: LC-Displays gehört die Zukunft

In Zeiten von Windows 95/NT und leistungsstarken Prozessoren wie Intels Pentium werden hochauflösende Monitore mit Auflösungen von 1280 x 1024 Pixel und mehr nach Ansicht von Dataquest den Durchbruch schaffen. Das Institut geht deswegen davon aus, daß künftig auf immer mehr High-end-Arbeitsplätzen in Unternehmen 17- und 19-Zoll-Bildschirme zu finden sind. Bereits 1997 sollen LC-Displays anfangen, große Kathodenstrahlröhren- (CRT-)Monitore abzulösen. Bereits 1998 könnten 14-Zoll-LC-Displays mit einer Auflösung von 1280 x 1024 Bildpunkten für rund 2000 Dollar zu haben sein. Gegen Ende des Jahrzehnts dürften dann im High-end-Segment Displays mit 20 Zoll Diagonale und Auflösungen von 3000 x 2500 Pixel auf dem Markt sein, so Dataquest. Neben dem geringeren Platzbedarf und Energieverbrauch sprechen vor allem die deutlich bessere Darstellungsqualität für die Flüssigkristall-Bildschirme.

Marktprognosen sogar für Apple optimistisch

Ungeachtet der NC-Offensive prognostizieren die Marktforscher für den weltweiten PC-Markt ein starkes, kontinuierliches Wachstum. Das erste Quartal 1997 sei mit 22 Prozent Wachstum weltweit sehr erfreulich verlaufen. Dabei schnitten die für den professionellen Einsatz vorgesehenen Produkte besser ab als ursprünglich vorhergesagt, während die Consumer-Geräte hinter den früheren Prognosen leicht zurückblieben. Die immer schnelleren Produktzyklen tragen zu einem fortlaufenden Austauschprozeß im gesamten Markt bei.

Eine gewagte Prognose gab Reynolds zum Ende seiner Ausführungen ab: Apple Computer werde 1997 ein relativ erfolgreiches Jahr haben. Dies liege aber nicht etwa daran, daß es dem Hersteller aus Cupertino gelungen sei, eine klare Linie für die Zukunft zu entwickeln und gegenüber seinen Kunden zu kommunizieren. Vielmehr sei die installierte Basis an alten 68K- und älteren Power-Macintosh-Rechnern sehr groß und stehe zum Austausch an. Die traditionell markentreuen Apple-Anwender würden sich daher mit neuen Power-Macs eindecken und Apple damit zu einem Zwischenhoch verhelfen.

Prognosen

- Beginn der Desktop-LCD-Revolution 1998- Intel hat 1998 einen Anteil von unter 50 Prozent am Pentium-Markt- AMD wird 1998 dafür sehr erfolgreich- Bis 1998 erreicht der Pentium 266, der P6 300 Megahertz Taktfrequenz- 1997 werden nicht mehr als 500000 NCs verkauft- Synchrones DRAM (SDRAM) gewinnt ab Weihnachten 1997 an Bedeutung- Apple hat 1997 ein gutes Jahr

PC Q4/97

- SEC-Prozessor ("Klamath")- NLX-Formfaktor (Slimline-ATX von Intel)- Accelerated Graphics Port (AGP) und 3D-Grafikadapter- Direkte MPEG-2-Wiedergabe- Digitale Audiofunktionen ("Audio Codec" - AC'97), Universal Serial Bus (USB), teilweise IEEE 1394 ("Firewire")- Superfloppy/Zip/CD-E/DVD