Databased translating and publishing hilft im Kampf gegen Babylon Computer sind nach wie vor sehr unvollkommene Uebersetzer Von Bertram von Negelein*

01.10.1993

Die Software, die technische Dokumentationen automatisch in eine andere Sprache uebersetzt, existiert noch nicht. Dennoch gibt es moderne DV-Mittel, die Uebersetzungsarbeit zu effektivieren. Wolfgang Sturz, Inhaber eines der groessten technischen Uebersetzungsbueros im sueddeutschen Raum, hat diesbezueglich einige Erfahrungen sammeln koennen.

"Ungebrochen gross" ist nach Auffassung von Wolfgang Sturz der Bedarf an qualifizierten technischen Uebersetzungen - "trotz schwacher Konjunktur". Die Verordnungen der europaeischen Gemeinschaft beleben das Geschaeft: So muessen beispielsweise Maschinenbauhersteller laut EG-Richtlinie spaetestens ab 1995 technische Dokumentationen wie Betriebsanleitungen mit ihren Produkten liefern, die nicht nur Mindestanforderungen an die Sicherheit erfuellen, sondern auch in der Sprache des Landes verfasst sind, in dem das Produkt eingesetzt werden soll. Freiwillig halten sich schon heute viele Unternehmen an diese Bestimmungen, weil Kundenservice zu einem wichtigen Argument im Wettbewerb geworden ist.

Die Auftraege fuer Uebersetzer scheinen also gesichert. Doch Sturz warnt vor "Feierabend- und Kuechentisch-Uebersetzern", die vom schnellen Neugeschaeft leben. Vielleicht seien sie etwas billiger, doch nur selten koennten sie wirklich gute Arbeit leisten. Hohe Qualitaet und breiten Kundenservice kann seiner Ueberzeugung nach nur ein gut funktionierendes Team bieten: "Uebersetzer muessen zum einen die Zielsprache exzellent beherrschen, zum anderen aber auch auf dem jeweiligen Fachgebiet versiert sein."

Menschen sind die besseren Dolmetscher

Diese Professionalitaet kann bis heute kein Sprachcomputer und kein Uebersetzungsprogramm erzielen. Zwar sind ein gutes Dutzend Spezialprogramme auf dem Markt. Doch nach Erfahrung von Sturz taugen sie allenfalls dort, wo es um einfache Wort-fuer-Wort- Uebersetzungen geht. In aller Regel sind die automatisch transferierten Texte von Uebersetzern aufwendig und zeitraubend nachzubearbeiten.

So kann ein gutes Uebersetzungsprogramm die einige tausend Worte starke Reparaturanleitung eines japanischen KFZ-Herstellers zwar schneller in eine andere Sprache uebertragen als ein Fachmann. Ein entsprechendes Projekt zeigte jedoch, dass die erforderliche Ueberarbeitung des holprigen und teils unverstaendlichen Computertextes den Kostenvorteil wieder wettmachte. "Die menschliche Sprache ist so kompliziert, dass die Computer auch mit leistungsfaehigen Programmen nur sehr grobe Uebersetzungen ausspucken", weiss Profi-Uebersetzer Sturz.

Statt dessen setzt er wie viele Dienstleistungsunternehmen auf Computertechniken, die die Arbeit des Menschen nicht ersetzen, sondern unterstuetzen. Das A und O ist fuer Sturz eine reibungs- und grenzenlose Kommunikation. Denn das Buero arbeitet mit mehreren hundert freiberuflichen Spezialisten zusammen, die in gut einem Dutzend Laendern sitzen.

Diese Multinationalitaet haengt mit den speziellen Anforderungen eines Uebersetzungsbueros zusammen. "Es macht sich im Stil und den Sprachgewohnheiten schnell bemerkbar", ist Sturz ueberzeugt, "wenn der Uebersetzer nicht im Land seiner Zielsprache lebt." Deshalb hat er mit Hilfe modernster Kommunikationstechnik ein multinationales Netzwerk aufgebaut. Zuallererst geht es darum, Auftraege trotz grosser Entfernungen zwischen Mitarbeitern kostenguenstig und ohne Zeitverzug im Team zu verteilen. Hierzu bedient sich jeder Uebersetzer entweder des international zugaenglichen und zudem kostenguenstigen Telefaxdienstes, oder er verfuegt ueber einen Anschluss zur Datenfernuebertragung.

DV ist Hilfsmittel im Uebersetzerbuero

Via Telefonleitung werden Texte und Dateien zwischen den Arbeitsplaetzen des Uebersetzerbueros und der Mitarbeiter - auf Wunsch aber auch zu Kunden - uebermittelt. Dazu hat das Buero eine Mailbox installiert. Wenn ein Auftrag ganz eilig ist, kann ein Kunde damit beispielsweise eine satzfertige Uebersetzung als Datei ueber die Telefonleitung direkt aus dem Rechner abrufen.

Zur Basisausruestung eines jeden Profi-Uebersetzers gehoert heute eine komfortable Textverarbeitung. Wichtiger als manche Raffinesse eines Spezialprogramms fuer Uebersetzer ist laut Sturz, dass solch eine Software den Alltagsanforderungen gerecht wird. Vor allem muss es ueber einen internationalen Zeichensatz verfuegen, also auch fremdlaendische Buchstaben darstellen koennen, und es soll moeglichst weltweit verfuegbar sein. So verwendet er in seinem Unternehmen Wordperfect, kann aber auch Texte anderer Formate konvertieren und bearbeiten.

Programme pruefen die Fachausdruecke

Immer wichtiger fuer Uebersetzungsbueros werden Terminologiedatenbanken und Programme zur Textanalyse. Ein Uebersetzer kann mit dem Terminologieprogramm den Rechner dazu veranlassen, dass er unbekannte Fachausdruecke in einer Datenbank - vergleichbar einem Lexikon - "nachschlaegt" und auf Wunsch ersetzt. Besonders wichtig sind solche Programme, wenn umfangreiche Kataloge und Handbuecher, die nicht selten einige tausend Seiten stark sind, arbeitsteilig uebersetzt werden.

Hier garantiert die Terminologie-Datenbank den einheitlichen, moeglichst vorab mit dem Kunden vereinbarten Gebrauch von Fachbegriffen. Eine Textanalyse findet bestimmte Textstellen wie Fettdruck und Kursivschrift oder Abschnitte, die nach Kundenwunsch besonders bearbeitet werden sollen. Weil am Markt erhaeltliche Programme nicht flexibel und leistungsfaehig genug sind, werden solche Programme im Hause Sturz zum Teil selbst geschrieben.

Seit etwa einem Jahr bieten Computerhersteller Uebersetzungsprogramme an, die den Profi interaktiv bei der Arbeit unterstuetzen sollen. Sie beruhen auf dem Konzept, dass einmal uebersetzte Saetze komplett mit ihrem Ausgangstext in einer Datenbank gespeichert werden. Wiederholen sich nun diese Saetze in aehnlicher oder gar, zum Beispiel bei Neuauflage eines Handbuchs, in gleicher Form, erkennt dies das Programm und schlaegt dem Uebersetzer am Bildschirm automatisch die bereits einmal angefertigte Uebersetzung vor. Es ist einleuchtend, dass durch das Speichern kompletter Saetze sehr grosse Datenbanken entstehen, was jedoch angesichts des extremen Kostenverfalls fuer Speichermedien keine grosse Rolle mehr spielt. Problematischer ist allerdings, dass die Programme sehr umstaendlich zu handhaben sind.

Ferner spricht gegen diese elektronischen Arbeitsmittel, dass der wirtschaftliche Vorteil erst dann zum Tragen kommt, wenn ein Handbuch bereits einmal mit diesem System erstellt worden ist und im Rahmen einer neuen Auflage ueberarbeitet und aktualisiert werden soll.

PC-Programme sind fuer Profis ungeeignet

Auch dann taugen diese Uebersetzungsprogramme nur unter der Voraussetzung, dass ein gleicher Sachverhalt, der an verschiedenen Stellen beschrieben wird, im Ausgangstext voellig identisch formuliert ist. Nur so kann das Programm den Satz erkennen und die passende Uebersetzung auf Anhieb finden. Bei naeherer Marktanalyse kommen ohnehin nur wenige, recht teure Applikationen ernsthaft fuer den menschlichen Uebersetzer in Frage. PC-basierte Anwendungen wie "Globalink", "FB-Translator" oder "German Assistant" eignen sich aufgrund ihrer eingeschraenkten Leistungsfaehigkeit nicht fuer einen professionellen Einsatz.

Die Zukunft wird den Translator-Tools gehoeren

Bei umfangreicheren Programmen wie "Metal", einer Siemens- Entwicklung, muss man allein mit Softwarekosten in Hoehe von 120000 Mark rechnen, auch bei dem Paket "Logos", einem Uebersetzungssystem fuer verschiedene Sprachrichtungen, liegen die reinen Software- Investitionen bei 200000 Mark - ohne Hardware-Kosten, Pflege und Wartung. Guenstiger im Preis ist das von der franzoesischen Firma Gachot per Online-Zugriff auf den Zentralrechner in Paris angebotene "Systran" mit seinen fachspezifischen Modulen. Doch hier kostet laut Sturz eine Rohuebersetzung fast soviel wie die Arbeit eines menschlichen Uebersetzers. Die Zukunft wird also mehr den Translator-Tools gehoeren, die dem Berufsuebersetzer dabei helfen, schneller, besser und insgesamt preiswerter zu arbeiten. Seit zwei Jahren wird in DTP-Fachkreisen auch intensiv ueber ein neues DV-gestuetztes Verfahren diskutiert, das erheblich zur Reduktion der Uebersetzungskosten beitragen koennen soll: "Data- based publishing", eine Unterart des Desktop publishing (DTP). "Wirklich saubere Loesungen gibt es noch nicht sehr lange", urteilt Sturz und schildert an einem Beispiel, um was es geht: Ein Hersteller fuer elektronische Bauteile beauftragte das Reutlinger Buero, einen Katalog in mehrere Sprachen zu uebersetzten. Das umfangreiche Werk wurde zunaechst als Datenbankdatei abgespeichert. Das bedeutet, dass jedes einzelne Produkt als eigener Datensatz im Rechner aufzufinden ist. Die Datenbank ist relational aufgebaut, also sind zum Beispiel Katalognummer, Produktbeschreibung und Preis in getrennten Spalten eingetragen.

Datenbanken helfen bei Teiluebersetzungen

Ueber eine Maske ruft der Uebersetzer ausgewaehlte Felder des Datensatzes auf. Bei jedem Produkt des Kataloges wird nur der Text bearbeitet, der tatsaechlich zu uebersetzen ist. Auf andere Felder hat der Uebersetzer keinen Zugriff; unberuehrt von Eingriffen bleiben so zum Beispiel die Katalognummern. Der Uebersetzer kann sich das sehr fehlerbehaftete Abtippen von Dokumenta- tionsteilen sparen, die ohnehin unveraendert bleiben, und kann Daten wie Preise fuer den gesamten Katalog in einem Zug automatisch umrechnen lassen. "Hier wird Qualitaet direkt produziert und muss nicht erst hineinlektoriert werden", formuliert Sturz.

Datenbanken, mit denen dieses Problem geloest werden konnte, gibt es grundsaetzlich seit laengerer Zeit. Die grosse Neuheit ist jedoch die automatische Verknuepfung solcher Produkte mit Databased- publishing-Systemen. Als Vorarbeit muss der Fotosetzer lediglich das Seitenlayout definieren, also im DTP-System Spaltenbreite, Seitenlaenge und Typografien festlegen. Diese Vorgabe gilt dann fuer die Kataloge aller Sprachen und sorgt fuer ein voellig einheitliches Erscheinungsbild.

Rationalisierung bei Katalogen

Im niederlaendischen wie im deutschen oder franzoesischen Katalog sind die Waren gleich plaziert, nur die Produktbeschreibung ist uebersetzt. Nicht nur die Layoutarbeit wird dadurch weniger muehsam. Auch Korrekturen und Aenderungen lassen sich selbst dann noch problemlos vornehmen und in alle Sprachausgaben uebertragen, wenn der Satz des Kataloges bereits fertig erstellt ist.

Je mehr Sprachen der Kunde wuenscht, desto groesser ist der Rationalisierungseffekt. Am deutlichsten wirkt sich das Verfahren bei Neuauflagen eines Katalogs aus, die bislang mit hohen Kosten verbunden waren. In einem Katalogprojekt konnte Sturz mit diesem Verfahren die Kosten beinahe halbieren.

Uebersetzer Wolfgang Sturz: Computer scheitern an der Kompliziertheit der menschlichen Sprache.