Eine Frage der Durchsetzbarkeit

Das Wichtigste zur betriebsbedingten Kündigung

30.11.2010
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen

Der vorgenannte Grundsatz gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer nur nach einer angemessen Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahme den neuen Arbeitsplatz ausfüllen kann. Fortbildung ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch die Weiterbildung in dem bisher ausgeübten Beruf, führt also zu einer graduellen Qualifizierung des Leistungsprofils des Arbeitnehmers im Rahmen des vorgegebenen Berufsbildes. Dagegen ist die Umschulung die Herausbildung eines Leistungsprofils in einem anderen Berufsbild.

Wie lange eine Umschulungs- bzw. Fortbildungsmaßnahmen dauern soll, wird von dem BAG nicht eindeutig festgelegt. Als Richtwert kann ca. drei Monate angenommen werden.

Die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer nach Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahme weiterzubeschäftigen, ist durch die Zumutbarkeit begrenzt. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, in eine vollständig neue Ausbildung in den Arbeitnehmer zu "investieren". Der Arbeitgeber ist also berechtigt, eine Kosten-Nutzen-Analyse zu erstellen, die die Frage der Zumutbarkeit klärt. Die Zumutbarkeit ist dann nicht mehr gewahrt, wenn Dauer und Kosten außer Verhältnis stehen.

Sozialauswahl

Die soziale Auswahl erstreckt sich innerhalb des Betriebs nur auf Arbeitnehmer, die miteinander verglichen werden können. Vergleichbar sind solche Arbeitnehmer, die austauschbar sind. Im Rahmen des Direktionsrechts oder durch eine Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag muss der Arbeitgeber also die Möglichkeit haben, diesem Arbeitnehmer den anderen / vergleichbaren Arbeitsplatz zuweisen zu können. Grundsätzlich ist insoweit auf derselben Ebene der Betriebshierarchie ein Vergleich - so genannte "horizontale Vergleichbarkeit" - anzustellen.

Die Vergleichbarkeit der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer richtet sich in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen; arbeitsvertragsbezogene und qualifikationsbezogene Merkmale spielen jedoch ebenfalls eine Rolle. Entscheidend ist jedoch die bislang ausgeübte Tätigkeit des Arbeitnehmers. Es ist zu prüfen, ob der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, die Funktion des anderen Arbeitnehmers wahrnehmen kann. Das ist nicht nur bei Identität des Arbeitsplatzes, sondern auch dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer auf Grund seiner Fähigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann.

Der Arbeitgeber ist jedoch nicht verpflichtet, einem sozial schutzwürdigeren Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigung zu geänderten (günstigeren oder ungünstigeren) Bedingungen anzubieten, und für ihn durch Kündigung eines anderen sozial besser gestellten Arbeitnehmers, mit dem der Gekündigte erst durch die Vertragsänderung vergleichbar wird, eine Beschäftigungsmöglichkeit zu schaffen. Im Rahmen der Sozialauswahl spielt der Grundsatz "Vorrang der Änderungskündigung vor der Beendigungskündigung" keine Rolle, das heißt, es ist auch unerheblich, dass der Arbeitnehmer evtl. nach einer angemessenen Fort- oder Umschulungsmaßnahme in der Lage wäre, den Anforderungen des anderen Arbeitsplatzes gerecht zu werden.