Wie die IT-Anbieter um Kunden kämpfen

Das Werben um den Anwender

15.10.2003
Von von Uwe
Seit gut einem Jahr werden mittelständische Unternehmen von den IT-Herstellern intensiver umworben als je zuvor. Eine Marketingoffensive mit großen Sprüchen jagt die andere. Doch beim Service gibt es noch Nachholbedarf.

BILLIGER , schneller, besser - so wollen viele IT-Anbieter den Mittelstand bedienen. Zumindest behaupten sie das. Anwender erleben es in der Praxis oft anders. So zum Beispiel Klaus M.: Er wollte einen Midrange-Rechner der RS-6000-Familie von IBM kaufen. Als er jedoch nach fünf Telefonaten mit dem Vertrieb von IBM Deutschland noch immer kein Systemhaus als Ansprechpartner genannt bekam, wandte er sich an die COMPUTERWOCHE. Erst auf deren Anfrage bei der IBMPressestelle wurde der mit Auftrag dro-hende Kunde schließlich beraten und bedient. Ähnliche Erfahrungen machen auch andere Mittelständler beim Hardwarekauf immer wieder - unabhängig vom Hersteller. Und im Softwarebereich sieht es ähnlich aus. Michael Gottwald, Geschäftsführer der Hamburger Softselect GmbH, die Anwender bei der Auswahl von Software berät, hat beispielsweise die Erfahrung gemacht, „dass mancher Partner von Microsoft Business Solutions, früher Navision, bei der

Projektanbahnung als Erstes nach dem Budget des potenziellen Kunden fragt. Und wenn das nicht deutlich sechsstellig ist, lässt das Interesse des Systemhauses spürbar nach.“ Derartiges erklären die Mittelstandsverantwortlichen der Hersteller gern als bedauerliche Einzelfälle, die sich auch mit dem besten Vertriebssystem nicht vermeiden lassen. Aber sind diese „Einzelfälle“ nicht vielleicht der Beleg für das Scheitern der Mittelstandsinitiativen der Großen?

Achim Heidebrecht etwa, IT-Leiter des mittelständischen Versicherungsunternehmens Proactiv (440 Mitarbeiter, Beitragsvolumen 850 Millionen,) musste bei einer Ausschreibung von Infrastruktur für ein Storage Area Network(SAN) mit Millionen-Budget erleben, dass „einer der angeschriebenen Anbieter sich nie bei mir meldete, sondern mir einfach einen Business-Partner auf den Hals hetzte. Anscheinend waren die 1,3 Millionen dem Hersteller zu wenig.“ Doch Heidebrecht ließ sich nicht abwimmeln und wurde schließlich wie gewünscht beliefert. „Ich möchte selbst entscheiden, bei wem ich einkaufe“, erklärt er selbstbewusst. Bei den Herstellern und Dienstleistern der IT-Branche sei man oft nicht flexibel genug, um auf konkrete Vorstellungen des mittelständischen Kunden einzugehen. Heidebrecht: „Die Anbieter

tun so, als ob sie sich um den Mittelstand kümmern, aber im Prinzip versuchen sie, ein Massengeschäft zu betreiben. Und die meisten der 08/15-Lösungen, die einem da per Brief oder Telefon angeboten werden, passen einfach nicht.“ Denn auch wenn manches preislich attraktiv wirke: Wer nicht die Mannschaft habe, um beispielsweise ein Data Warehouse aufbauen und nutzen zu können, habe auch von günstigen BI-Software- Lizenzen nicht viel. Andreas Zilch, Analyst beim Marktforschungsunternehmen Techconsult in Kassel, sieht die Bemühungen der Anbieter weniger kritisch: „Natürlich dauert es seine Zeit, bis diese Mittelstandsprogramme greifen, denn sie verlangen von den Herstellern große Umstellungen. Aber einige gute Ergebnisse sind bereits sichtbar, allen voran bei IBM.“ Big Blue bietet unter dem Label „Express“ diverse Software- und Hardwareprodukte in speziellen Mittelstandsversionen, die zwar weniger Funktionalität aufweisen, dafür

aber auch weniger kosten als die entsprechenden „Normalversionen“. Auch Cisco hat nach Ansicht von Zilch gezeigt, „dass man den Mittelstand mit ganz einfachen Mitteln besser ansprechen kann“. Der Hersteller von Infrastrukturkomponenten stellt mittelständischen Kunden jetzt beispielsweise gedruckte Handbücher zur Verfügung, während die Bedienungsinformationen früher prinzipiell nur im Web verfügbar waren.