Das Web setzt Collaboration-Trends

03.08.2005
Von Matthew Langham
Eine Reihe von Startup-Firmen zeigt mit pfiffigen Online-Applikationen, wie die Teamarbeit jenseits großer Groupware-Pakete aussehen kann.

Die Zusammenarbeit in vielen Unternehmen erfolgt innerhalb einer Gruppe immer noch über den Austausch von E-Mails oder über das gemeinsame Editieren eines Office-Dokuments. Inzwischen gibt es aber im Bereich der Web-basierenden Collaboration-Tools einige interessante Entwicklungen, die entweder aus dem Umfeld von Open-Source-Projekten hervorgegangen sind (Wikis) oder als kleine dedizierte Lösungen für bestimmte Aufgabenstellungen entwickelt wurden.

Hier lesen Sie …

• welche neuen Web-Anwendungen Beispielcharakter für Online-Collaboration haben;

• wie kommerzielle Anbieter ein Geschäftsmodell mit Open-Source-Wikis entwickeln;

• für welche Aufgaben sich spezialisierte Collaboration-Tools besonders eignen;

• welche Rolle RSS bei Online-Zusammenarbeit spielt.

Remix the Web

Eine weitere Entwicklung, die eine neue Generation von Web-Anwendungen auszeichnet, ist die Verfügbarkeit von APIs. Sie erlauben damit den programmatischen Zugriff auf ihre Funktionen. Damit lassen sich dann Features aus Backpack, Delicious, den RSS-Aggregatoren Bloglines (http://www.bloglines.com/services/api/) oder der Blog-Suchmaschine Technorati (http://developers.technorati.com/wiki/TechnoratiApi) in eigene Anwendungen einbinden. Die APIs sind meistens Web-Services vom Typ XML über HTTP ("REST") und verwenden damit eine ähnliche Technologie wie sie auch von Amazon, Ebay oder Yahoo angeboten wird.

RSS als Infoformat

Fast unbemerkt hat sich das auf XML basierende RSS zu einem Industriestandard für neue Web-Anwendungen entwickelt.

Ursprünglich als Syndication-Format gedacht, unterstützt RSS heute auch Kollaborationsfunktionen. So kann man sich über Änderungen in Wikis, Aufgabenlisten wie Ta-da Lists oder neue Bookmarks bei Delicious informieren lassen. Diese Benachrichtigungen können in einem RSS-Reader auf die gleiche Weise wie News-Beiträge abonniert werden.

Mehr zum Thema

www.computerwoche.de/go/

*70837: IBM bündelt sein Collaboration- Portfolio;

*77517: Klappe: Groupwise, die Siebte;

*74838: Ingredienzien für coole Websites: Ajax, Tags und RSS;

*72835: Weblogs - noch ein zartes Pflänzchen.

Heute erfreut sich Social Software wie Wikis oder Weblogs einer zunehmenden Verbreitung auch in Unternehmen. Diese Applikationen zeichnen sich durch eine einfache Bedienung mittels Browser aus und fördern den flexiblen und offenen Austausch von Informationen auch innerhalb von Gruppen.

Neben den Open-Source-Wikis (beispielsweise "Kwiki", "JSPWiki", "MoinMoin") findet man heute auch kommerzielle Anbieter, die auch das Hosting der eigentlichen Wiki-Anwendung übernehmen oder auch die vorhandene Editier-Funktionen um zusätzliche Möglichkeiten aufwerten. Der bekannteste Anbieter einer kommerziellen Lösung dürfte heute die Firma Socialtext (http://www.socialtext.com/) sein.

Socialtext - Enterprise Social Software

Socialtext richtet sich mit seinem Angebot primär auf den Unternehmensmarkt aus. Die angebotene Lösung ist eine Kombination aus den verschiedenen Social-Software-Ansätzen wie Wikis und Weblogs. Jeder Benutzer kann eigene Workspaces anlegen, andere Teilnehmer dorthin einladen oder selbst an einen solchen partizipieren.

Innerhalb eines Workspaces lassen sich dann in bekannter Manier einzelne Wiki-Seiten erstellen oder ein Weblog führen. Das System ist recht komfortabel und bietet etwa für die Bearbeitung eines Wikis einen WYSIWYG-Editor. Als mögliche Anwendungsgebiete für die Lösung führt Socialtext Projekt-Management, Projektkommunikation, verteilte Dokumentenerstellung oder auch Customer Relationship Management auf.

Socialtext bietet zwei Installationsversionen ihrer Lösung an. Zum einen wird die Kombination aus Wiki und Weblog Software bei Socialtext selbst gehostet ("Socialtext Workspace") oder aber man richtet ein "Socialtext Appliance" ein, eine Kombina- tion aus Hardwareeinschub und Software. Zu beiden Varianten offeriert die Firma ergänzende Dienstleistungen (Anpassungen, Integration, Schulung etc.). Zusätzlich bietet die Enterprise-Version auch die Integration des Systems in bestehende Unternehmensverzeichnisse (etwa über LDAP). Das Socialtext-Angebot basiert auf der freien Software Kwiki (http://www.kwiki. org/).

JotSpot - Application Wiki

JotSpot (http://www.jotspot. com/) bezeichnet sich selbst als Anwendungs-Wiki und damit wird schon deutlich, dass die Firma ein anderes Zielpublikum für das Produkt im Auge hat als Socialtext. Die Firma JotSpot des Excite-Gründers Joe Kraus vereinigt die Wiki-Philosphie mit Funktionen, die aus dem Office-Umfeld her bekannt sein dürften.

Meldet man sich für ein JotSpot-Konto an, dann sieht man zuerst die bekannte Wiki-Umgebung. Allerdings bietet die Infrastruktur mehr als nur die Möglichkeit, Web-Seiten zu erstellen. Es Sie zielt darauf ab, innerhalb einer kollaborativen Umgebung auch weitergehende Anwendungen zu unterstützen.

Neben der bekannten Wiki-Syntax, mit der man etwa Texte formatiert (sofern man nicht den WYSIWYG-Editor verwendet), versteht JotSpot auch eigene Befehle, um beispielsweise Tabellen mit Eingabefeldern in Wiki-Seiten einzubetten. Auch Kalender lassen sich über diese Syntax in die Seite integrieren. JotSpot erlaubt auch den Import von Microsoft Excel oder Word-Dokumenten. Anschließend stehen die Daten (nicht aber die Formeln bei Excel) innerhalb des Wikis zur Verfügung. So wird ein Excel-Dokument dann in eine Wiki-Tabelle um gewandelt und kann wiederum mit Wiki-Mitteln bearbeitet werden.

JotSpot bietet aber auch vorgefertigte Templates an, die man als Basis für eigene Lösungen verwenden kann. So gibt es Schablonen für die Erstellung eines Unternehmensverzeichnisses, Gruppenkalender, Knowledgebase oder bis hin zu einer vollständigen CRM-Applikation. Die so erstellten Lösungen oder auch die Wiki-Seiten lassen sich für andere Benutzer freigeben, damit auch hier gemeinsam gearbeitet werden kann.

JotSpot bietet mehrere Versionen an. So ist die Einstiegsversion kostenfrei und man kann mit bis zu 5 Benutzern bis zu 50 Wiki-Seiten erstellen. Die Workgroup-Version kostet 49$ / Monat und erlaubt eine unbegrenzte Anzahl an Nutzern bis zu 2000 Seiten zu editieren. Dazwischen gibt es noch die Versionen "Team" und "Mini".

Really Simple Software

Neben den beschriebenen umfangreichen Lösungen findet man zunehmend auch Anwendungen im Netz, die für eine klar umgrenzte Aufgabe im Rahmen einer Zusammenarbeit entwickelt wurden. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie sehr einfach zu bedienen (mittels Browser) und meistens kostenfrei sind, oder zumindest recht günstige Einstiegskonditionen bieten.

Eine dieser aufgabenzentrierten Anwendungen ist das Online-Projektmanagement-System mit dem Namen "Basecamp (http://www.basecamphq.com/)". Es stammt von der Firma 37signals, die dafür das viel beachtete Web-Anwendungs-Framework "Ruby on Rails" entwickelte. Dieses ist mittlerweile als Open Source allgemein zugänglich und bildet die Grundlage für zwei weitere Colloboration-Tools aus gleichem Hause namens "Ta-da Lists (http://www. tadalist.com/)" und "Backpack (http://www.backpackit.com/)".

Kooperation mittels Ta-da Lists

Die Web-Anwendung Ta-da Lists erlaubt eine simple Aufgabenverwaltung via Browser. Dort können Aufgabenlisten erstellt und abgearbeitet werden. Einträge können abgehakt wer- den, wenn man sie erledigt hat. Man kann seine eigenen Listen auch veröffentlichen, so dass bestimmte Personen darauf zugreifen dürfen, (die dann die Daten auch modifizieren können) oder man lässt einen bloßen Lesezugriff für alle zu. Benutzer können sich über RSS über Änderungen in den Daten benachrichtigt lassen. Die Benutzung von Ta-da Lists ist kostenfrei. Benötigt man Funktionen, die über jene der Tada-Lists hinausgehen, dann kommt Backpack in Frage.

Organisieren mit Backpack

Backpack führt die Idee von Ta-da Lists weiter, indem man dort Listen mit Notizen, Bildern und sonstigen Dateianhängen ergänzen kann. Es gibt die Möglichkeit neue Einträge oder Notizen per E-Mail an die eigenen Backpack-Seiten zu senden. Das System erinnert bei Bedarf an Aufgaben, die noch ihrer Erledigung harren, die Benachrichtigung erfolgt per E-Mail oder SMS. Die erstellten Seiten sind per Voreinstellung privat und geschützt. Allerdings kann man sie für andere Personen freischalten, so dass sie diese dann auch bearbeiten können.

Backpack verfügt neben dem Browserzugang auch über eine Programmierschnittstelle. Dieses API erlaubt den Zugriff auf die Listen auch ohne Verwendung des Browsers - etwa um die Daten in einem Portal anzeigen zu können oder mittels eines anderen Programms weiterzuverarbeiten.

Social Bookmarks

Die lokale Speicherung von Bookmarks im Browser erschwert den Austausch von Links mit anderen. Außerdem sind sie nur an einem bestimmten Arbeitsplatz verfügbar. Ein früher Vertreter von Social-Bookkmark-Services, die diese Einschränkungen überwinden, ist del.icio.us. Er erlaubt die zentrale Verwaltung und Weitergabe von Links im Netz.

Die wahre Stärke von Delicious besteht aber im "Tagging". Hierunter versteht man die Möglichkeit, die Links mit selbst gewählten Schlüsselbegriffen zu versehen. So könnte man etwa die URL auf einem Artikel über die Open-Source-Software sugarCRM mit den Tags "CRM" und "opensource" versehen. Dadurch, dass auch andere Benutzer ihre Links auch mit solchen Tags auszeichnen, entstehen dann Gruppierungen (oder Kategorien) von Links.

Delicious bietet die Möglichkeit, Feeds zu Linksammlungen per RSS zu abonnieren. Hierbei kann es sich um die Linkliste eines Benutzers handeln oder aber man kann alle URLs zu einem bestimmten Begriff bestellen.

Neben dem Zugang mit einem Browser bietet Delicious auch die gleiche Funktionalität über ein API an und ermöglicht somit die Weiterverarbeitung der Bookmarks in eigenen Anwendungen.

Fazit

Inzwischen gibt es eine wachsende Zahl an Anwendungen mit Kollaborationsaspekten im Netz, die eine Zusammenarbeit mehrerer Personen zu einem Thema erlauben. Die Palette reicht dabei von Komplettumgebungen bis hin zu Tools für bestimmte Zwecke, die sich aber dann wiederum als Bausteine für eigene Lösungen eignen. Für die Zukunft dürfte sich die Tendenz weg von den monolithischen Alleskönnern hin zu modularen Einzellösungen fortsetzen. (ws)