CW-Gespräch mit Baan-Manager Stefan Exner

"Das Vertrauen hat sich ausgezahlt"

13.07.2001
Der lange Zeit schwer angeschlagene ERP-Anbieter Baan wittert unter dem Dach der britischen Invensys-Gruppe wieder Morgenluft. Dorothea Wendeln-Münchow* unterhielt sich mit Stefan Exner, General Manager für Zentraleuropa, über die künftige Strategie des Unternehmens.

CW: Im August vergangenen Jahres hat Invensys Baan übernommen. Hat Baan inzwischen die Krise von damals überstanden?

Exner: Baan hat bereits im vierten Quartal 2000 schwarze Zahlen geschrieben und das Ergebnis im ersten Quartal 2001 weiter verbessert. Wir sind heute wieder ein profitables Unternehmen.

CW: Welchen Einfluss hat Invensys auf die Aktivitäten von Baan?

Exner: Baan profitiert von der großen Erfahrung, die Invensys mit der Übernahme und dem erfolgreichen Turnaround von Unternehmen hat. Dabei geht es zum einen um eine strikte finanzielle Steuerung der Unternehmen im Konzern. Andererseits wird den Beteiligungen jedoch ihre eigene Kultur belassen, was sich positiv auf die Mitarbeiter auswirkt. Auch bei Baan hat Invensys auf ein Management gesetzt, das aus dem Unternehmen kommt. Dieses Vertrauen hat sich ausgezahlt.

CW: Welche Rolle spielt der Bereich Invensys Software Systems bei der weiteren Entwicklung von Baan?

Exner: Wir sind integraler Bestandteil von Invensys Software Systems, aber nach wie vor ein eigenständiges Unternehmen. Sy-nergieffekte bringt unter anderem die gemeinsame Nutzung von Büros und technischer Infrastruktur. Zudem koordinieren wir das Vorgehen bei gemeinsamen Kunden, die damit Service aus einer Hand bekommen können. Schließlich geht es auch um die Integration von Produkten.

CW: Wie reagieren Kunden und Interessenten auf neue Produkte und die neue Aufstellung von Baan am Markt?

Exner: Das Feedback auf den Turnaround ist ausgesprochen positiv. Baan kommt in den Auswahlprozessen für Enterprise Applications wieder in die engere Wahl, und wir gewinnen neue Kunden - über 200 seit der Übernahme durch Invensys, davon allein 40 in meiner Region.

CW: Welche Position sehen Sie für Baan im Vergleich zu Wettbewerbern wie SAP?

Exner: Man muss zwischen Wettbewerbern, die sich global aufstellen, und denen, die ihre Kunden in bestimmten regional begrenzten Märkten haben, differenzieren. Wir zählen uns nach wie vor zu den Global Playern. Damit ist auch die Frage hinsichtlich SAP beantwortet.

CW: Wo sehen Sie einen Wettbwerbsvorteil gegenüber SAP?

Exner: Wir haben uns klar auf die Unternehmen der Fertigungsindustrie konzentriert und dabei den Anspruch, weltweit wieder einer der führenden Anbieter für Enterprise Applications zu werden. Unser Vorteil aus meiner Sicht ist die Fokussierung auf klar definierte Zielmärkte. Diese Konzentration auf vertikale Märkte und die Implementierung von Branchenlösungen sichern uns für die nächsten Jahre eine gute Marktposition. Wir werden darin auch von Analysten bestätigt.

CW: Wird Baan nach der jüngsten Bekanntgabe schwarzer Zahlen wieder expandieren?

Exner: Unsere erste Priorität ist es, die Profitabilität zu erhalten. Dann wollen wir selbstverständlich wieder eine bedeutende Position im Markt erreichen und in den nächsten drei Jahren überproportional wachsen.

CW: Wie drückt sich das in Zahlen aus?

Exner: 1997 hatte Baan einen Umsatz von 750 Millionen Dollar erreicht. Wir haben konkrete Pläne, wie wir diese Marke in den nächsten drei Jahren überschreiten wollen.

CW: Welche konkreten Ziele stehen im Business-Plan von Baan?

Exner: Wir sind bereits sehr erfolgreich im US-Markt, wo es für europäische Anbieter auch heute noch schwierig ist, sich zu etablieren. In Europa sind wir im zurückliegenden Quartal um 34 Prozent gewachsen. Besondere Wachstumschancen sehen wir neben Asien insbesondere in Ost- und Zentraleuropa. Dazu werden wir in Polen und Tschechien in diesem Jahr eigene Niederlassungen eröffnen. In diesen Ländern müssen sich die Unternehmen auf den Beitritt zur Europäischen Union vorbereiten - moderne ERP-Lösungen sind dazu ein wichtiger Beitrag. In Deutschland sehen wir zusätzliche Marktchancen durch die wirtschaftliche Schwäche vieler lokaler Anbieter, die den Sprung von Alt-ERP zum Collaborative Commerce nicht schaffen werden.

*Dorothea Wendeln-Münchow ist freie Journalistin in Hannover.

Zur Person

Stefan Exner übernahm im Februar 2000 die Geschäftsführung der Baan Deutschland GmbH und ist seit Oktober 2000 als General Manager für das Geschäft von Baan in Zentraleuropa (Deutschland, Österreich, Schweiz und Osteuropa) verantwortlich. Der 42-jährige gelernte Wirtschaftsingenieur war zuvor bei der Sennheiser Electronic GmbH für die Bereiche Vertrieb, Finanzen, Personal und Marketing verantwortlich. Exner begann seine Laufbahn 1986 bei IBM Deutschland, wo er zunächst im System-Engineering und im Vertrieb für die Fertigungs- und Prozessindustrie tätig und anschließend für die Einführung neuer Vertriebs- und Marketing-Konzepte zuständig war.

Mehr als ein Strohfeuer?

Lange Zeit stand es mit dem niederländischen ERP-Anbieter Baan bekanntlich Spitz auf Knopf. Der Niedergang des Unternehmens war eine Mischung aus Räuberpistole (undurchsichtige Firmenverflechtungen und Buchungspraktiken) sowie Fehlern im operativen Geschäft. Die Folgen waren ein katastrophaler Umsatzeinbruch sowie horrende Verluste. Mit dem Einstieg des britischen Elektronik-Konzerns Invensys wurde im August vergangenen Jahres quasi in letzter Minute der Bankrott abgewendet. Baan, nach dem Börsengang 1995 zeitweise neben SAP die zweitgrößte europäische Software-Company, musste kräftig abspecken: bei den Kosten (Personal) und in puncto Marktausrichtung. Unternehmen der Fertigungsindustrie sowie der öffentliche Dienst stehen nun im Fokus der Niederländer. Für das Ende März beendete erste Halbjahr unter dem Dach von Invensys meldete Baan vor kurzem einen Gewinn von 8,5 Millionen Dollar. Allein in den ersten drei Monaten des Kalenderjahres habe man Einnahmen in Höhe von 103 Millionen Dollar erzielt. Davon waren rund 36 Millionen Dollar reine Lizenzumsätze, was einer Steigerung von 45 Prozent gegenüber dem Vergleichsquartal des Vorjahres entspricht.