Das Unternehmen gehoert Ex-Bull-Chef Stern Acri will schon 1996 erste Modelle ihres Supercomputers vermarkten Von CW-Mitarbeiter Lorenz Winter

08.10.1993

PARIS - Bis Mitte 1995 will die Firma Advanced Computer Research International (Acri) mit Sitz in Lyon die ersten Prototypen des von ihr entwickelten Supercomputers europaeischer Bauart vorstellen. Als Jaques Stern 1989 erstmals sein Ziel verkuendete, galt es als reichlich gewagtes Unterfangen, es Unternehmen wie Cray, NEC, Hitachi oder IBM gleichtun zu wollen.

In den vergangenen Monaten gewann das Vorhaben dank einiger geschickter Schachzuege des Acri-Gruenders jedoch allmaehlich an Glaubwuerdigkeit. Anfang 1993 naemlich investierten DEC, Bull, France Telecom, der Energieversorger EDF, die Industrieholding des franzoesischen Atomenergiekommissariats und zwei Banken 40 Millionen Franc (rund 13 Millionen Mark) in Sterns Firma. "Das wird uns helfen, den Abstand zu anderen europaeischen Entwicklern wie Meiko in England, Parsytec in Deutschland oder auch Archipel und Telmat in Frankreich zu verringern, einige von ihnen sogar schon bald zu ueberrunden", glaubt Firmensprecherin Anne Schroeder.

Minderheitsbeteiligung durch Cray ist denkbar

Keiner der Partner duerfte bei der Operation vom Februar mehr als sieben Prozent an Acri erworben haben. Noch in diesem Herbst soll dann eine zweite Kapitalaufstockung folgen, die laut Stern "umfangreicher und internationaler angelegt" ist als die erste. Damit waere Acri finanziell noch breiter als zuvor abgesichert, sein Gruender duerfte dann allerdings die bisherige Kapitalmehrheit einbuessen.

Das Gruendungskapital des Unternehmens stammte zu 50 Prozent von der Vermoegensverwaltung Stern SA, 25 Prozent flossen in Form eines Darlehens des franzoesischen Staates, und die restlichen 25 Prozent kamen aus dem Esprit-Programm der EG.

Kurz nach der ersten Kapitalspritze verabredete Stern mit DEC zudem, dass Acri ausser einem selbst entwickelten Prozessor auch die Alpha-RISC-CPU der Amerikaner und deren Unix-Version fuer seine Rechner nutzen werde.

Vertriebsniederlassungen in USA und Europa geplant

Im April folgte dann eine weitere Technologiepartnerschaft mit Cray. In deren Rahmen gruendeten die Franzosen und Amerikaner in Belgien die Firma Acset zur Entwicklung gemeinsamer Compiler fuer die Maschinen beider Unternehmen. Etwa 20 Ingenieure und Techniker von Acri und Cray sollen via Acset auch bei der Portierung und Optimierung von Anwenderprogrammen zusammenarbeiten. Eine spaetere Minderheitsbeteiligung von Cray an Acri ist laut Stern "nicht undenkbar".

Acri beschaeftigt heute insgesamt 160 Mitarbeiter; noch vor Jahresende soll die Beschaeftigtenzahl auf 200 steigen. Das Unternehmen sucht bereits in Lyon neue Raeume im Stadtzentrum, um sich auf die Fertigung der ersten Kleinserien vorzubereiten. Firmensprecherin Schroeder meint, nach den Prototypen von 1995 sei schon 1996/97 mit einem definitiven Entry-Level-Modell und einer modular aufgebauten Rechnerpalette zu rechnen.

Beabsichtigt sind zunaechst etwa zehn Erstinstallationen bei einer Reihe von Referenzkunden der franzoesischen und europaeischen Industrie. Nach der Mineraloelbranche und der Autoindustrie, die Supercomputer bei der Modellierung von Produkten und Verfahren einsetzten, haelt Stern jetzt auch die Biochemie und die Pharmazie sowie das Bank- und Versicherungswesen fuer geeignete Anwender. Mainframes haetten in der Industrie zwar weithin abgewirtschaftet, doch schaffe das Vordringen wissenschaftlicher Methoden bei der Unternehmensfuehrung rasch Bedarf fuer eine neue Generation von Grossrechnern.

Zur Vermarktung seiner Produkte plant Acri bereits die Errichtung einer Verkaufs- vertretung in den USA sowie einer weiteren fuer den Europa-Markt - "nicht notwendigerweise mit Sitz in Frankreich", wie Stern betont.