Neue Open-Enterprise-Strategie mit Unix

Das-Unix-Derivat AIX wird zur Alternative für IBM-Mainframes

20.09.1991

STUTTGART (CW) - Faßte Big Blue bis jetzt lediglich die proprietären Systeme MVS, VM und VSE unter der Bezeichnung "ESA-/390-Betriebssysteme" zusammen, so hat der Branchenriese die Systempalette jetzt um ein Unix-Derivat für die Großrechnerwelt erweitert. Das Betriebssystem ist integraler Bestandteil des neu vorgestellten Konzeptes "IBM Open Enterprise".

Was im Rahmen der SAA-Strategie schon seit vielen Jahren angedacht war, aber nie realisiert werden konnte, nämlich Anwendungen systemübergreifend auf den entsprechenden Hardwareplattformen ablaufen zu lassen, könnte mit Unix möglicherweise einmal Wirklichkeit werden.

Herstellerangaben zufolge läßt sich "AIX/ESA" auf sämtlichen Plattformen betreiben, die unter der Bezeichnung "ES/ 9000" zusammengefaßt wurden. Wie IBM allerdings in einem Gespräch mit Journalisten herausstrich, wird die Unix-Variante ausschließlich unter MVS/ ESA, unter VM und in einer PRI SM-Partition laufen.

Eine durchgängige Software-Plattform bis herunter zu den PS/2- oder RS/6000-Modellen erhält der Anwender also nicht. Trotzdem scheint IBM die wachsende Bedeutung von Unix auch in der Mainframewelt ernst zu nehmen. Das ESA-Unix unterstützt alle Großrechner einschließlich der Sechs-Wege-Summit ES/9000, Modell 900, sowie Vektorprozessor, die Escon-Verbindungsarchitektur und HIPPI-Kanäle.

Das neue Unix-Derivat basiert auf der von der Open Software Foundation (OSF) unterstützten Variante OSF/1, wurde aber deutlich über dessen Funktionsumfang hinaus erweitert. Kritiker sprechen von sogenannten "Proprietary-Fallen", die nicht nur die IBM sondern auch andere Anbieter in ihre Unix-Versionen einbauten. Big Blue hat unter anderem spezielle Reliability-, Availability- und Serviceability-Funktionen integriert. Auch geht das Systemmanagement weit über die OSF/l-Funktionen hinaus.

Herstellerangaben zufolge entspricht AIX/ESA den Spezifikationen von X/Open und IEEE (Posix). Bei der Vernetzung werden die Komponenten Network Computing System (NCS) und Network File System (NFS) unterstützt.

In einem Statement of Direction erklärte IBM die Absicht, auch die OSI-Standards und die Distributed Computing Environment (DCE) der OSF in AIX/ ESA zu implementieren. Kompatibilität zwischen den Unix-Derivaten AIX/370 und AIX/ ESA ist Herstellerangaben zufolge gegeben.

Stark verbesserte APPC-Funktionen

Auch über die proprietären Betriebssysteme hält IBM Neuigkeiten parat: MVS/ESA ist jetzt als Release 4.2.2 verfügbar und bringt als wichtigste Neuheit stark verbesserte APPC-Funktionen mit. Im Einsatz mit dem Produkt "Lanres/MVS" - das im übrigen auch für VM/ESA freigegeben wird - kann das Betriebssystem als Server für lokale Netzwerke genutzt werden, die mit dem Betriebssystem Netware 3 11 arbeiten und an denen PS/2-Rechner hängen. ln einem zukünftigen Release, so die Absichtserklärung der Armonker, werde man sich dem Trend beugen und auch in MVS/ESA Posix-Schnittstellen bereitstellen.

Das Release 1.1 des Betriebssystems VM/ESA unterstützt neuerdings das Speichersubsystem 9340 und bietet MVS-Gästen die Möglichkeit, die Verschlüsselungseinrichtung ICRF zu nutzen. Mit Hilfe der "VM/ PWS Communisation Services" soll ein schneller Datenaustausch zwischen dem VM-Host und programmierbaren Workstations erfolgen. Wie der Hersteller versichert, können sich zum Beispiel die Antwortzeiten bei Image-Anwendungen im VM-PWS-Verbund drastisch verkürzen.

Für VSE/ESA kündigt IBM Release 2 an: Hier sollen unter anderem Esson-Kanäle in Punktzu-Punkt-Konfigurationen unterstützt werden. In VM/VSE-Installationen wird es IBM-Angaben zufolge möglich sein, Escon-Verbindungseinheiten über VM/ESA zu konfigurieren.

Release 1.2 von VSE/ESA stellt jetzt auch unter anderem direkte Escon-Verbindungen zu diversen Peripherien wie 3990, 9345 und 3490E bereit.