Verhaltene Resonanz auf Apples Smartwatch

Das sagen Experten und Analysten zur Apple Watch

13.03.2015
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Reagierte die ITK-Branche in der Vergangenheit auf neue Apple-Ankündigungen eher euphorisch - hier sei nur an Apple Pay erinnert - so ist die Resonanz auf die Apple Watch eher verhalten, um nicht zu sagen sogar enttäuscht.

Mark Zimmermann; Senior Innovation Manager bei der EnBW Energie Baden-Württemberg: "Die Watch ist ein Grenzgänger zwischen Technik und Mode"

Mark Zimmermann, Senior Innovation Manager bei EnBW.
Mark Zimmermann, Senior Innovation Manager bei EnBW.
Foto: EnBW AG

Die Vorstellung der Apple Watch als neues Produkt wirft die gleichen Fragen auf, die bei der Einführung von iPod, iPhone und iPad bestanden. Hauptsächlich mit Blick auf den Preis wird Apple kritisiert und damit ein "Misserfolg" suggeriert. Ob die Apple Watch ein Erfolg wird oder nicht, entscheidet sich jedoch nicht durch diese Einschätzung, sondern durch die Apps, das Nutzungsverhalten und der Glaube in die Produktkategorie. Nicht umsonst hat Apple mitgeteilt, dass die Verkaufszahlen in der nächsten Zeit nicht publiziert werden (sollen).

Die Apple Watch ist ein Grenzgänger zwischen Technik und Mode. Sie ist das erste Apple Produkt in verschiedensten Ausführungen (Stichwort "Personalisierung"), um den individuellen Kundengeschmack zu treffen. Wie bereits auf der iPhone 6 Keynote Ende 2014 angedeutet, gibt es dabei drei verschiedene Kollektionen der Apple Watch. Diese Auswahl bezieht sich jedoch lediglich auf die verwendeten Materialien und nicht auf das Innenleben.

Die Apple Watch ist der Beginn eines neuen Zeitalters. In dieser Uhr steckt sehr viel Potential für neue Geschäftsmodelle, die fast nichts mehr mit dem Verkauf von Geräten zu tun haben, sondern mit einer neuen Dimension der Kundenbindung. Sie wird der Startschuss sein für eine Welt, in der mobile Geräte unser Leben radikal verändern werden.

Max Hille, Analyst bei Crisp-Research: "iRefuse"

Maximilian Hille, Analyst bei Crisp Research
Maximilian Hille, Analyst bei Crisp Research
Foto: Crisp Research AG

Tim Cook lud gestern Abend (19:00 deutscher Zeit) zum alljährlichen Frühjahrstreffen der Apple-Community ein. Wie gewohnt war das Programm gespickt von bereits lange diskutierten und bekannten Ankündigungen wie auch von einigen Überraschungen. So wurden Funktionen für die neue Gesundheitskampagne von Apple sowie die Software CarPlay vorgestellt. Darüber hinaus gab es als Überraschungselement eine neue Serie von MacBooks. Der eigentliche Star des Abends sorgte aber eher für ein müdes Lächeln als für feuchte Augen: Die Apple Watch.

Die Apple Watch beantwortet Fragen, die keiner so wirklich gestellt hat. Dies gab es bei Apple schon häufiger und wurde am Ende erfolgreicher als man es sich jemals hätte ausmalen können. Der Unterschied bei der Apple Watch ist allerdings, dass sie in einen Markt eintritt, der ohnehin schon für tot erklärt werden muss. Smartwatches sind zu Recht als teures Spielzeug verrufen, die nur wenige sinnvolle Neuerungen in den Alltag bringen.

Apples Design-Ikone kann in einer Preisspanne von 400 bis 18.000€ erworben werden. Dass der Wert dieser Uhr im Laufe der Zeit steigt, ist mit der alternden Technik im Herzen eher unwahrscheinlich. Stolze Nutzer der Apple Watch können mit ihrer nahezu maßstabsgetreuen Kopie ihres iPhones am Handgelenk den Puls messen, telefonieren, Nachrichten versenden, Erinnerungen empfangen und in sozialen Netzwerken aktiv sein. Viel mehr aber auch nicht.

Hinsichtlich des USP trifft Tim Cook selbst den Nagel auf den Kopf: "Wäre es nicht toll, das iPhone in der Tasche zu lassen, wenn es klingelt?" Die Apple Watch ist schlichtweg ein neues Gerät mit altbekannten Funktionen. Im Gegensatz zu den großen Erfolgen von Apple (iPod, iPhone, iPad, Mac) ist sie allerdings nur ein verlängerter Arm und kein eigenständiges Device. Sucht man nach einem wirklich produktiven, neuartigen Nutzen, steht man in einer Sackgasse. Besonders für das Enterprise-Business lassen sich wenige spezifische Use Cases finden.

Da eine Smartwatch am Handgelenk ohnehin nicht das produktive Potenzial von beispielsweise Smart Glasses oder VR-Brillen besitzt, lebt sie vor allem durch die unterstützten Anwendungen. Ob Unternehmen auf den Smartwatch-Zug aufspringen ist unbekannt und wird maßgeblich an der Marktdurchdringung liegen. Taxi-Konkurrent Uber ist einer der ersten Unternehmen, die über die Smartwatch eine Kundenschnittstelle aufbauen wollen. Es ist aber nicht zu erwarten, dass diesem Vorbild massenhaft gefolgt wird.

Schlussendlich hätte man bei einem derart hohen Preispunkt erwarten können, dass mit der Apple Watch gänzliche neue Arten der Kommunikation, Steuerung oder des Verhaltens aufkommen. Bislang ist davon noch nichts zu sehen. Die Apple Watch ist - wie ihre Konkurrenten auch - ein teures Spielzeug, das fast ausschließlich über das Design Begehrlichkeiten weckt. Der rationale Nutzer mit einer hohen Preissensibilität wird allerdings mit verschränkten Armen am Verkaufsstand vorbeilaufen. Auch die Use Cases aus den Unternehmen werden erst dann kommen, wenn die Durchdringung im Markt erfolgreich ist. So bildet sich ein Teufelskreis. Die Drohung, die Apple Watch könnte der erste große Flop von Apple werden, erscheint somit nicht weit hergeholt.

Matt Johnston, CMO/CSO von Crowdtester Applause: "Der Nutzer ist König"

Matt Johnston, CMO/CSO bei Applause.
Matt Johnston, CMO/CSO bei Applause.
Foto: Applause

Nach dem Apple-Event ist eines klar: Der Nutzer ist König und damit ist es für Unternehmen umso wichtiger, einen umfassenden Ansatz zur Sicherung von App-Qualität zu verfolgen. Ob es darum geht, neue Zielgruppen zu erschließen, Feedback über Apples Research Kit zu generieren oder um die vielfältigen Optionen der Personalisierung, die die Apple Watch in Zukunft ermöglicht: Es gilt, die User Experience zu verstehen und die Nutzer möglichst an jedem digitalen Berührungspunkt von Anfang an zu begeistern.

Als Unternehmen, das bereits hunderte von Wearable- und Internet of Things-Apps getestet hat, freuen wir uns über die heutigen Ankündigungen. In-The-Wild Testing und unser Ansatz für eine 360° App-Qualität ist heute wichtiger denn je - über alle Gerätetypen, Systeme und Nutzungssituationen hinweg.

James McQuivey, Analyst für Disruptive Consumer Technologies und Apple bei Forrester Research: "Apple wird ohne Mühe 10 Millionen Uhren verkaufen"

James McQuivey, Analyst bei Forrester Research.
James McQuivey, Analyst bei Forrester Research.
Foto: Forrester

Alleine 20 Millionen Menschen in den USA haben die Absicht, sich etwas Neues von Apple zu kaufen. Und 36 Prozent geben an, dass sie Interesse haben, die Apple Watch zu erwerben. Für Apple dürfte es deshalb ein Leichtes sein, 10 Millionen Menschen in den USA und auf den internationalen Märkten zu überzeugen, sich eine Apple Watch zuzulegen. Wir belieben deshalb bei unserer ursprünglichen Einschätzung, dass es Apple sehr wahrscheinlich gelingt, bis zum Jahresende 10 Millionen Uhren abzusetzen. Zumal auch die Consumer dazu bereits sind. So geben 21 Prozent der Erwachsenen in Europa an, dass es sie nervt, ständig ihre Smartphone aus der Tasche ziehen zu müssen. Und 32 Prozent fasziniert der Gedanken, ein Wearable zu besitzen. Dabei bevorzugen 16 Prozent das Handgelenk, um ein Wearable zu tragen. Hinzu kommt, dass in vielen Fällen eine App einfach ein Overkill ist. Eine Smartwatch erlaubt es den Unternehmen, sich eine Strategie für die Micro-Momente ihrer Kunden zu entwickeln. Also für die Gelegenheit, wenn eine schnelle Information benötigt wird, bei der lediglich ein Blick auf ein Device oder ein Wearable genügt.

Salesforce per Blog: Wearables und Enterprise gehören zusammen

Salesforce sieht in seinem Blog eine Zukunft für Smartwatches im Business-Einsatz.
Salesforce sieht in seinem Blog eine Zukunft für Smartwatches im Business-Einsatz.
Foto: Salesforce

Unternehmen haben natürlich nicht erst mit der Apple Watch darauf gewartet, den Sprung vom Screen in der Hand aufs Display am Handgelenk zu wagen. Bereits in den letzten Monaten haben viele Firmen erste Schritte eingeleitet. In einer Umfrage haben unsere US-Kollegen bereits nachgehakt, welche Potentiale schon jetzt gesehen werden. 79 Prozent der Befragten gaben an, dass Wearables für die Zukunft ihres Unternehmens von strategischer Bedeutung sind. Dabei planen oder testen 62 Prozent bereits den Einsatz von Smartwatches. So sind 49 Prozent auch überzeugt, dass Smartwatches die größten Auswirkungen haben werden, gefolgt von Digital Badges. Auch bei der Frage, welche Geräte am schnellsten eingeführt werden, liegen die Smartwatches mit 41 Prozent vorn, gefolgt von den Smart Glasses mit 26 Prozent.

Bettina Rotermund, Unternehmensberaterin bei Iskander Business Partner: Apple erfüllt die Erwartungen nicht

Bettina Rotermund, Unternehmensberaterin bei Iskander Business Partner.
Bettina Rotermund, Unternehmensberaterin bei Iskander Business Partner.
Foto: Iskander Business Partner

Apple bleibt sich mit der Apple Watch in zwei Dingen treu: Erstens mit bestem Design (wenn auch zu einem stolzen Preis) und zweitens damit, Bestehendes zu kopieren und es mit dem Apple-Flair aufzuhübschen. Einige neue Funktionalitäten hat die Smartwatch von Apple zu bieten - allerdings keine, die den Markt - wie erhofft - beflügeln würden. So liefert der erfolgsverwöhnte Apple-Konzern auch nur eine Evolution statt einer Revolution im ohnehin wenig performanten Smartwatch-Markt. Nun bleibt abzuwarten, wie sich die Verkäufe der Apple Watch und daran gekoppelt der Gesamtmarkt der Smartwatches entwickeln werden.

Mit Sicherheit ist Apples Markensympathie und Marketingpower groß genug, um Fans auch zum Kauf dieses Geräts zu verführen, was Umsätze in Millionenhöhe garantiert. Zudem entspricht Apple mit der Apple Watch dem Wunsch nach Personalisierung und Bequemlichkeit im Umgang mit neuen Geräten - statt das Handy aus der Hosentasche zu fischen, genügt nun ein Blick auf die Uhr. Enttäuschend ist allerdings, dass die erhofften Mobile Health Applikationen überschaubar bleiben und auch hier nur Bestehendes in eine neue Form gegossen wurde.