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"Das paßt doch gar nicht in Microsofts Geschäft"

31.05.1996

CW: Es hat den Anschein, als ob alle wichtigen Systemhersteller sich auf Windows NT als das marktdominierende Server-Betriebssystem der Zukunft einrichten. Jetzt versucht auch Tandem, bislang auf das Segment fehlertoleranter Systeme konzentriert, über ein NT-Engagement in die offene Welt zu marschieren.

Richardson: Den ersten Schritt in Richtung offene Welt hat Tandem vergangenes Jahr mit seiner Technologie Servernet gemacht. Die erlaubt es dem Unternehmen, seine beiden disparaten Rechnerproduktlinien zu vereinen - also die Himalaya- und die Integrity-Linie.

CW: Aber muß man denn nicht die Kooperation mit Microsoft und die Entwicklung von Intel-Prozessor-basierten Servern als eigentliche Chance für Tandem ansehen, um die proprietäre Ecke verlassen zu können?

Richardson: Nun gut, Servernet wird jetzt zwar auf NT portiert. Allerdings wohl zunächst auf die Mips- und dann erst auf die Intel-Hardwareplattform. Diese Portierung wird aber sowohl Tandem als auch seinen Softwarepartnern noch erhebliches Kopfzerbrechen bereiten.

CW: Die Zusammenarbeit mit der Gates-Company sehen Sie also eher kritisch?

Richardson: Nein, verstehen Sie mich nicht falsch. Für Tandem dürfte sich die Übereinkunft mit Microsoft auf lange Sicht als sehr gut erweisen. Denn durch sie wird die Tandem-Architektur weiter geöffnet. Roel Pieper (CEO von Tandem, Anm. d. Red.) weiß schon, was er tut. Er versteht den Markt offener Systeme und die Bedeutung von Partnerschaften sehr gut. Alles, was ich sage, ist, daß sich die Probleme dieser Microsoft-Tandem-Partnerschaft bei deren Umsetzung ergeben werden.

CW: Warum glauben Sie, daß Tandem den Schritt Richtung Intel und Microsoft getan hat?

Richardson: Für Tandem ist es von großer Bedeutung, in Zukunft auch im Geschäft mit skalierbaren NT-Servern mitbieten zu können - Tandem muß nämlich von seinem doch recht hohen Kostenmodell herunter.

CW: Microsoft arbeitet heute doch mit jedem der wichtigen Systemanbieter zusammen. Relativiert das nicht die Bedeutung der Zusammenarbeit mit Tandem?

Richardson: Natürlich will Herr Gates Tandems Technologie nutzen, um die Bedeutung seines Betriebssystems NT zu erhöhen. Und sicherlich arbeitet Microsoft nicht nur mit Tandem zusammen, sondern auch mit HP, NCR, Compaq oder DEC. Microsoft kooperiert mit jedem, aus dem einfachen Grund, weil Gates sich die Forschungs- und Entwicklungsbemühungen seiner Partner zu eigen machen will. Am Ende pickt sich Gates dann die Komponenten heraus, die er für das Geschäftskonzept von Microsoft am besten brauchen kann.

CW: Kann man - wie einige aus der Branche glauben - Technologie- und Kooperations-Partnerschaften wie etwa jetzt zwischen Gates und Pieper wirklich als Indiz werten für Microsofts Drang in die Gefilde des sogenannten Datacentric Computing, also der unternehmensweiten DV?

Richardson: Hierzu gibt es einiges zu sagen: Erstens paßt die Tandem-Microsoft-Kooperation eigentlich nicht in das Geschäftskonzept der Gates-Company. Wenn Microsoft an Stückzahlen denkt, denkt es in Millionen. Die Welt geclusterter Server, wie wir sie in den kommenden Monaten und Jahren sich entwickeln sehen werden, repräsentiert demgegenüber keinen Markt, der für Microsoft und NT groß genug ist. Ich glaube übrigens auch nicht, daß es Verantwortliche aus DV-Zentren sind, die NT Server gekauft haben und kaufen.

CW: Wenn Microsoft also vom Enterprise-Computing in Verbindung mit NT spricht ...

Richardson: ... dann glaube ich zum zweiten, daß die Leute von Microsoft so lange das Wort Enterprise Computing in den Mund nehmen, bis wirklich jeder anfängt, ihnen das auch abzukaufen. Wenn die Meta Group von Enterprise-Computing redet, dann meinen wir die Lösung von DV-technischen, datenzentrierten Aufgaben. Dann reden wir von Dingen wie Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit und Skalierbarkeit von Serversystemen typischerweise in der Größenordnung von Mainframe-Umgebungen.

CW: Viele große Unternehmen zeigen aber doch Interesse an Microsoft?

Richardson: Natürlich unterhalten viele Großfirmen Beziehungen zu Microsoft, aber nicht dann, wenn es etwa um Enterprise-Server-Produkte geht.

Mit Brian Richardson, Program Director Open Computing & Server Strategies bei er Meta Group, sprach CW-Redakteur Jan-Bernd Meyer