Neue Rechtsprechung zum Nutzungsrecht an Programmen

Das Oberlandesgericht München meint:Anwender darf Standardsoftware ändern

21.10.1988

Die Frage, ob der Anwender eines Standardprogrammes dieses abändern darf, ist umstritten. Das Oberlandesgericht München hat die Frage grundsätzlich bejaht.

Das Oberlandesgericht hatte im Urteil vom 27. Oktober 1987 (13 U 2458/87) einen Fall zu entscheiden, wo ein Lieferant von Standardprogrammen gegen ein Softwarehaus Schadensersatz wegen Verletzung des urheberrechtlichen Nutzungsrechts verlangte. Das Softwarehaus hatte ein Standardprogramm des Programmlieferanten für dessen Kunden modifiziert.

Das Oberlandesgericht München hielt diese Modifikationen für zulässig und wies die Klage ab.

Das Landgericht München hatte als erste Instanz im Urteil vom 17. Februar 1987 (21 O 7260/86) ausgeführt, daß die Lieferantin den Anwendern ("den Firmen") "ein uneingeschränktes Nutzungsrecht eingeräumt (habe). Gemäß ° 39 Absatz 1 Urheberrechtsgesetz sind diese Firmen im Grundsatz verpflichtet, das Computer-Programm nicht zu ändern.

Eine Ausnahme gilt nach ° 39 Absatz 2 Urheberrechtsgesetz für die Fälle, in denen nach Treu und Glauben die Einwilligung des Urhebers für die Änderung des Werks nicht versagt werden kann. Für das vorliegend zu beurteilende Programm ist dabei zu berücksichtigen, daß es insbesondere für den Großhandel mit elektronischen Bauteilen, aber auch für Herstellerfirmen von solchen Bauteilen konzipiert worden ist und auf die Bedürfnisse dieser Firmen zugeschnitten ist. Die Firmen, für die der Einsatz dieses Programms in Frage kommt, weisen naturgemäß keine in allen Einzelheiten übereinstimmende Organisation ihres Unternehmens auf, so daß das Bedürfnis besteht, das Computer-Programm auf die firmenspezifischen Belange abzustimmen.

Es ist im übrigen auch so, daß sich in Firmenorganisationen, etwa durch Rationalisierungsmaßnahmen, im Laufe der Anwendungszeit des Computer-Programms Veränderungen ergeben, die eine Anpassung dieses Programmes erfordern. Wenn man der Auffassung (der Lieferantin) folgen würde, daß dem Kunden eine Änderung des Computer-Programms für alle Fälle verboten ist, dann könnte das Computer-Programm bereits bei einer geringfügigen und aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten notwendigen Änderung der Unternehmensorganisation nicht mehr brauchbar sein. Eine unter Umständen ganz geringfügige und unbedeutende Anpassung des Computer-Programms wäre allein vom Willen der Beklagten abhängig und würde im Ergebnis für alle Modifikationen des Programms zu einem Kontrahierungszwang mit der Beklagten führen, die dann noch in die Lage versetzt wäre, die von ihr beanspruchte Vergütung ohne Rücksicht auf die Marktverhältnisse ihren Kunden zu

diktieren. ..." Dementsprechend sei das Änderungsrecht grundsätz-lich zu bejahen.

Das Oberlandesgericht München hielt diese Ausführungen des Landgerichts für "überzeugend". Es war im konkreten Fall der Auffassung, daß die Zustimmung im Vertrag bereits erteilt worden sei, so daß es auf die grundsätzlichen Erwägungen im konkreten Fall nicht mehr ankäme.

Würde man entsprechend dem Urteil des Oberlandesgerichts München vom 14. Januar 1988 (nebenstehend) den Vertrag als auf die Überlassung eines Vervielfältigungsstückes (° 17 Urheberrechts-gesetz) gerichtet ansehen, dürfte der Anwender "seine" Kopie gemäß ° 23 Urheberrechtsgesetz ändern, ohne daß es auf die Einwilligung des Lieferanten noch ankäme.

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* RA Dr. Christoph Zahrnt ist Rechtsanwalt in Neckargemünd; er ist auf DV-Verträge und Softwareschutz spezialisiert.