Kolumne

"Das letzte Spiel von SCO"

15.08.2003
Christoph Witte Chefredakteur CW

Unternehmen, die das Ende ihrer Lebensspanne erreicht haben, werden in letzter Zeit nicht mehr ruhig und diskret liquidiert, sondern ihre Manager und Aktionäre versilbern vorher noch alles, was von Wert sein könnte. Und wenn sich kein Käufer findet, wie im Fall SCO, lassen sich immer noch ein paar Rechtsverstöße ins Feld führen, derer sich die Konkurrenten angeblich schuldig gemacht und so das betroffene Unternehmen in den Ruin getrieben haben. Dann stehen die Chancen nicht schlecht, ein amerikanisches Gericht zu finden, das den Mitbewerb zur Zahlung einer saftigen Wiedergutmachung verdonnert. Noch geeigneter, mit einer sterbenden Firma Geld zu verdienen, sind allerdings Patente.

Mit seiner Klage gegen die IBM und der angedrohten Verfolgung von Linux-Anwendern spielt SCO sein letztes Spiel. Mit dem Patent für Unix System V in der Hand behaupten die Rechtsanwälte des Herstellers, IBM habe via AIX unrechtmäßig Unix-Code an die Open-Source-Gemeinde weitergegeben. Dass SCO nach dieser Drei-Milliarden-Dollar-Klage den Einsatz erhöhte und von den Millionen Linux-Nutzern saftige Lizenzgebühren einfordert, ist nur logisch.

Bisher gab sich die Anwenderschaft angesichts der Forderungen betont lässig. Sie bezweifelt mit einigem Recht, dass SCO seine Ansprüche durchsetzen kann. Bisher hat das Softwarehaus seine "Beweise" nicht auf den Tisch gelegt, sondern nur ausgewählten Experten in Ausschnitten gezeigt. Und die hatten bis jetzt keine Möglichkeit, nachzurecherchieren, wie es zu den angeblichen Ähnlichkeiten gekommen ist.

Mit den Gegenklagen von Red Hat und IBM gewinnt der groteske Streit eine neue Dimension, die SCO seinem Ziel näher bringt, möglichst viel Geld einzustreichen. Zunächst einmal ist jetzt ein hoher Streitwert etabliert, der das Verfahren für SCO erst richtig interessant macht. Wenn das Unternehmen seine Anschuldigungen untermauern kann, stehen die Chancen auf einen außergerichtlichen und finanziell einträglichen Vergleich nicht schlecht. Sollte SCO in dem Verfahren jedoch unterliegen und seinerseits zu Reparationszahlungen verpflichtet werden, lässt sich immer noch Konkurs anmelden und die Zahlungen nicht begleichen. Das nennt man eine gute Ausgangslage.

Wer diese Pokerpartie gewinnt, ist zwar spannend, für die Linux-Gemeinde aber folgenlos. Denn selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass SCO seine Ansprüche durchsetzen kann, ist die Open-Source-Szene gewieft genug, einen lizenzfreien Ausweg zu finden.

Die indirekten Auswirkungen auf die gesamte IT-Branche lassen sich indes noch nicht absehen. Wenn das Geschäftsmodell von SCO Schule machen sollte, könnte sich das Innovationstempo extrem verlangsamen, könnten es sich sogar nur noch Unternehmen mit ganz tiefen Taschen leisten, neue Produkte auf den Markt zu bringen. Nur sie hätten die Finanzpower, etwaige Streitigkeiten mit Patentinhabern wegen angeblicher Patentverstöße auszufechten. So gesehen erweist SCO der gesamten IT einen Bärendienst.