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Das klassische Telefon hat ausgedient

09.03.2001
Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört - nämlich die Sprach- und Datennetze in den Unternehmen. Administratoren, die ihre TK-Welt auf das Internet Protocol (IP) umstellen möchten, haben inzwischen eine große Auswahl an Produkten.

Von CW-Redakteur Martin Seiler

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört - nämlich die Sprach- und Datennetze in den Unternehmen. Administratoren, die ihre TK-Welt auf das Internet Protocol (IP) umstellen möchten, haben inzwischen eine große Auswahl an Produkten. Avaya, 3Com, Marconi und andere kündigen zudem neue Lösungen oder Erweiterungen an.

Längst schon sind es nicht mehr die möglichen Einsparungen, die Unternehmen als Hauptanreiz für das Zusammenlegen ihrer Daten- und Sprachnetze sehen. Viel verlockender ist für sie die Aussicht, sich aus der Abhängigkeit der Anbieter traditioneller TK-Anlagen zu befreien: Server-basierte Telefonanlagen sollen laut den Versprechungen der Hersteller wesentlich einfacher zu konfigurieren sein. Auch reizt der Gedanke, durch die Vereinheitlichung der Kommunikationslandschaft für Sprache und Daten - Stichwort Computer Telephony Integration (CTI) - zusätzliche Synergieeffekte zu erreichen. Diese können beispielsweise darin bestehen, dass nur noch ein zentrales Verzeichnis im Unternehmen gepflegt werden muss, das von allen Abteilungen und Anwendungen als Adresspool genutzt werden kann, gleichzeitig aber auch Informationen über Komponenten und Services im Netz bereithält.

VoIP ist stark im Kommen

Aus Gründen wie diesen erwarten etwa die Analysten von Synergy Research, dass das Volumen des Markts für VoIP-Lösungen (Voice over IP) von 213 Millionen Dollar im Jahr 2000 auf 3,9 Milliarden Dollar im Jahr 2005 steigen soll. Über 19 Millionen IP-fähige Nebenstellen soll es dann weltweit geben, nahezu 20 Prozent des Umsatzes mit TK-Anlagen werden nach Schätzung der Auguren bis dahin mit Server-basierten Telefonielösungen erzielt.

Eine Befragung von 500 Unternehmen, die das US-amerikanische Beratungshaus Phillips Infotech im Herbst 2000 vornahm, ergab, dass die Mehrzahl der Anwender aufgeschlossen gegenüber der VoIP-Technik sind. Bis 2004 wollen 91 Prozent der untersuchten Firmen mit der Implementierung von IP-Telefonie-Lösungen beginnen.

Jede Menge Produkte

Wer heute den Entschluss fasst, die Sprach- und Datenübertragung im Unternehmen zusammenzuführen, kann aus einer recht breiten Palette an Produkten auswählen. Nahezu jeder große Netz- oder TK-Ausrüster bietet VoIP-Komponenten, hinzu kommen eine ganze Reihe kleinerer Anbieter, die sich ihren Anteil an diesem Markt sichern wollen.

Avaya Communications, im letzten Frühjahr aus der Abspaltung der Enterprise Network Group von Lucent Technologies hervorgegangen, setzt dabei auf seine Produktreihe "Enterprise Class IP- Solutions" (Eclips). Dazu gehören der Kommunikations-Server "Avaya IP 600", der klassische TK-Anlagen in Umgebungen mit 20 bis 200 Endpunkten pro Standort ersetzen soll. Das Gerät im 19-Zoll-Chassis für den Rack-Einbau bietet Funktionen wie Sprach-Mail, Konferenzschaltung für bis zu sechs Teilnehmer und Anrufverteilpläne (Call Distribution). Zudem unterstützt die Anlage Telefonistenkonsolen etwa für das Sekretariat oder den Empfang. Zum Lieferumfang gehören unter anderem Anwendungen für Faxversand und -empfang, der "Avaya Message Manager" sowie das Verwaltungs-Tool "Site Administration".

Wem der radikale Umstieg zu gewagt erscheint, der kann auch eventuell vorhandene "Definity"-PBX-Systeme von Lucent durch Software-Upgrades und Zusatzmodule IP-tauglich machen und erst später den reinen IP-Weg gehen. Für die Anbindung von Home Offices oder kleinerer Standorte mit weniger als 25 Mitarbeitern ist der "R 300 Office Communicator" gedacht. Auch Avaya verfügt darüber hinaus über eigene IP-Telefone. Anders etwa als die Modelle von Cisco ist hier jedoch kein Switch, sondern ein Hub integriert. Außerdem sucht der Hersteller noch nach einer eleganten Methode, um die Stromversorgung der Geräte sicherzustellen. Momentan ist hierfür ein externes Netzteil notwendig, Avaya hat nach Angaben von Thomas Nowotny, Director Marketing and Strategic Business Development, jedoch vor, mit Konkurrent Cisco gleichzuziehen und die Versorgung über das LAN-Kabel zu realisieren.

Neuigkeiten gibt es auch von Mitbewerber 3Com: Das Unternehmen hat unlängst seine neu entwickelte IP-Telefonie-Plattform "Superstack 3 NBX" vorgestellt. Sie ist als Erweiterung der bekannten "NBX 100" gedacht und unterstützt laut Hersteller nun bis zu 600 Nebenstellen. Gegenüber der NBX 100 besitzt die Superstack-Version mehr Speicherkapazität für Voice-Mails. Insgesamt stehen 72 Ports bereit, über die Sprachnachrichten angenommen werden können. Neu ist außerdem die Integration der Anlage in die Management-Lösung "3Com Network Supervisor", wodurch sich die Administration und der Betrieb des Systems vereinfachen sollen. 3Com will die Superstack 3 NBX ab April liefern.

Zudem hat der Hersteller seine IP-Systemtelefone für die professionelle Nutzung optimiert. Sie besitzen nun bessere Displays, außerdem sind sie mit einer Infrarot-Schnittstelle ausgestattet, die den Datenaustausch mit Palm-Handhelds ermöglicht.

Der LAN-Telefonie widmet sich auch der Hersteller Marconi mit seiner VoIP-tauglichen TK-Anlage "Sphericall". Der Softswitch, in dessen Entwicklung Know-how von Sphere Communications eingeflossen ist, kann existierende PBX-Systeme ergänzen oder ersetzen, da er laut Anbieter bis zu 15.000 Nebenstellen unterstützt. Herkömmliche Telefonfunktionen wie Sprachspeicherung oder automatische Anrufverteilung sind ebenso verfügbar wie die Möglichkeit, die Anlage via Wahlcode oder grafische Schnittstelle und Point and Click an die Benutzerbedürfnisse anzupassen. Überdies besteht die Möglichkeit, eingehende E-Mails in Sprache umzuwandeln oder Faxnachrichten weiterzuleiten. Die Lösung kann mit Anwendungen wie Outlook, Netmeeting oder Notes integriert werden. Sphericall steht ab sofort in Version 3.1 zur Verfügung. Marconi sieht das System als besonders geeignet für den Aufbau von Call-Centern oder den Einsatz von Videotelefonie.

Einen Vorstoß in Richtung Sprach-Daten-Konvergenz macht auch die Aachener Datus AG. Das Unternehmen erweitert seine Produktpalette um die neu entwickelte "Office-Point"-Linie. Diese Geräte vereinen Angaben des Herstellers zufolge in einer Box Router, Switch und TK-Anlage. Damit sollen sie besonders geeignet sein, um die gemeinsame Übertragung von Sprache und Daten über ein Netz zu unterstützen. Die integrierte TK-Anlage bietet alle Merkmale einer klassischen Nebenstellenanlage wie Rückfragen, Halten, Terminruf, Sprachansagen oder Music on Hold, passend dazu bietet Datus Systemtelefone an. Ab Sommer dieses Jahres soll die Produktlinie VoIP-fähig sein. Das erste Modell der Reihe, der "Office Point 3410", ist nach Angaben des Herstellers speziell auf die Bedürfnisse von Großunternehmen mit verteilten Standorten zugeschnitten.