BMC Exchange in Essen

Das KI-basierte Unternehmen wird Realität

21.11.2017
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Welchen Druck der digitale Wandel auf Unternehmen ausübt und wie Künstliche Intelligenz (KI) immer mehr in den Mittelpunkt der digitalen Strategien großer Konzerne rückt, wurde auf der großen Anwenderkonferenz von BMC Software in Essen deutlich.
  • Haniel-CIO Dirk Müller nennt schnelle Materialanalysen via Smartphone als Beispiel für den rasanten digitalen Fortschritt
  • Continental-Manager Oliver Lindner beschreibt, wie sich sein Unternehmen zum "AI-powered Enterprise" weiterentwickelt
  • BMC präsentiert viele neue Produkte für das Management von Multi-Cloud-Umgebungen

Nachdem im Sommer 2013 eine Reihe von Investoren den Softwarekonzern BMC gekauft und von der Börse genommen hatten, war es ruhig geworden um den Softwareriesen. In aller Stille hat sich das Softwarehaus, das in den 80ern mit Produkten für die IBM-Mainframe-Welt groß wurde, einer Runderneuerung unterzogen. Heute stellt sich BMC als Spezialist für das "Digital Enterprise Management" auf. Was das heißen soll, wurde auf der Hausmesse BMC Exchange in Essen deutlich. Die Veranstaltung fand in der Zeche Zollverein statt, einem ehemaligen Steinkohlebergwerk, das heute eines der größten Industriedenkmäler in Deutschland darstellt. Der Rahmen war gut gewählt: BMC zeigte in einem Umfeld der Schwerindustrie Technologien, die die digitale Revolution befeuern.

Leben in einer "exponentiellen Welt"

Dirk Müller, CIO der Haniel-Gruppe und Chef der Digitaleinheit Schacht One, erklärte, wie Unternehmen in einem sich exponentiell beschleunigenden Umfeld überleben können.
Dirk Müller, CIO der Haniel-Gruppe und Chef der Digitaleinheit Schacht One, erklärte, wie Unternehmen in einem sich exponentiell beschleunigenden Umfeld überleben können.
Foto: BMC

Mit Dirk Müller, dem CIO der Haniel-Gruppe und Leiter des konzerneigenen Digital Lab "Schacht One", hatte BMC einen Gastredner eingeladen, der die großen Herausforderungen für alle Unternehmen auf den Punkt brachte. Müller machte deutlich, dass wir in einer "exponentiellen Welt" leben, in der sich Geschwindigkeit und Leistung in schwindelerregendem Tempo erhöhen. Moores Law, wonach sich die Anzahl der Transistoren in einem integrierten Schaltkreis festgelegter Größe alle zwei Jahre verdoppeln, sei ein Beispiel dafür, die oft zitierte "Reiskornparabel" ein anderes.

Schnelle Materialanalyse auf dem Smartphone

Um die disruptive Kraft der Digitalisierung aufzuzeigen, ging Müller auf das Startup SCiO ein, das ein einfaches Spektrometer-System für schnelle Materialanalysen entwickelt hat. Das Unternehmen hat dazu das traditionelle "Near Infrared Spectrometer" mit Hilfe mikrooptischer Technologie auf einen wenige Millimeter großen Sensor geschrumpft, der kaum Strom verbraucht und - integriert in Smartphones oder vernetzte Gegenständen - schnelle Analysen erlaubt. Landwirte können damit beispielsweise Eiweiß, Fett, Feuchtigkeit und Energiegehalt von Futter oder Feldfrüchten messen. Industrieunternehmen können SCiO nutzen, um Werkstoffe oder Nahrungsmittel zu analysieren. Gesundheitsbehörden und Pharmaunternehmen können Medikamente überprüfen. Ein Entwickler-Toolkit hilft Anwendern, den SCiO-Sensor und die dahinterstehende Cloud-Infrastruktur für die eigenen Anforderungen in der Materialanalyse anzupassen.

Müller machte weiter deutlich, dass erst die Verbindung der klassischen Stärken großer Unternehmen - etwa Kundenbasis, Know-how, Mitarbeiter, Marken, finanzielle Mittel - mit den Vorteilen agiler, schneller und erfindungsreicher Startups zum Erfolg führe. "Es gibt so viel interessante Technik, aber was mache ich damit?" Digital Hubs seien wichtig, um Dinge auszuprobieren und "anfassbar" zu machen (Minimum Viable Products). "Um die Schnittstellen zum SAP-System muss ich mich auch kümmern - aber erst viel später", so Müller.

Continental will ein "AI-powered Enterprise" sein

Reges Besucherinteresse fand auch ein Vortrag von Oliver Lindner, Stratege für IT Service Management und Künstliche Intelligenz bei der Continental AG. Das strategische Ziel des Automobilzulieferers aus Hannover sei es, ein "AI powered Enterprise" zu werden. Lindner beschrieb zunächst die wichtigsten Elemente, auf denen "das digitale Unternehmen 3.0" aufsetze. Service-Orientierung gehöre dazu, ebenso das "Ende-zu-Ende-Denken von Services und Prozessen" jenseits der angestaubten Silo-Strukturen sowie ein "plattformbasiertes Angebot", das sich als Filter und Mittler zwischen Kunden und Lieferanten ansiedele. Weitere Zutaten seien der Umgang mit komplexer Vernetzung im Zeitalter des "Internet of Everything": "Sie müssen beherrschen, mit Sensoren umzugehen", sagte der Conti-Mann. Und schließlich gehe es auch darum Prozesse aufzusetzen, die auf der Grundlage von Daten und Wissen optimiert seien.

Continental ist dabei, eine KI-basierte Welt mit intelligenten Systemen und Services aufzubauen. Der Manager beschrieb, wie der Konzern mit Amazon Web Services (AWS) und Microsoft Azure als Partner seine "Data Cloud" weiterentwickele und die Anwender im Business in die Lage versetze, auf dieser Basis Analytics zu betreiben. "Wir haben unendlich viele Daten in unserem Data Lake, das ist der Keller für unsere KI-Aktivitäten", so Lindner. "Man kriegt Machine Learning erst ab fünf Petabyte Daten so richtig gut hin." Dabei dürfe es sich aber nicht um "Datenmüll" handeln, sondern um Daten, die in einem Kontext stünden. "Man braucht die Bezüge."

Die große Kunst besteht dem Conti-Mann zufolge darin, die richtigen Fragen zu stellen und sich genau zu überlegen, welche Ziele mit KI erreicht werden sollen. "Wir wollen KI verstehen, KI-fähige Produkte entwickeln und KI-gestützte Lösungen bauen", so der Manager. Im klassischen Reifengeschäft beispielsweise könne es darum gehen, mit intelligenter Technik das Abnutzungsverhalten im laufenden Betrieb zu erkennen oder den Untergrund zu analysieren, auf dem sich Reifen bewegen. Solche Informationen könnten für die Produktentwicklung extrem hilfreich sein. Denkbar sei auch ein Geschäftsmodell "Reifen as a Service": Dabei mieten die Kunden die Reifen und zahlen für die gefahrenen Meter. Wenn sie schnell und aggressiv unterwegs sind, wird die Rechnung entsprechend teurer.

BMC zeigte Software für das Multi-Cloud-Management

Dan Streetman, Executive Vice President Vertrieb und Marketing bei BMC, hält Geschwindigkeit für die größte Herausforderung, der Unternehmen derzeit ausgesetzt sind.
Dan Streetman, Executive Vice President Vertrieb und Marketing bei BMC, hält Geschwindigkeit für die größte Herausforderung, der Unternehmen derzeit ausgesetzt sind.
Foto: BMC

Natürlich nutzte auch BMC Software die eigene Bühne, um die Weiterentwicklung seiner Produkte zu veranschaulichen. Im Mittelpunkt dabei stand die Keynote von Dan Streetman, Executive Vice President für Vertrieb und Marketing, der das Thema "Speed" in den Mittelpunkt stellte. "Geschwindigkeit ist die neue digitale Währung", sagte der Manager und verwies darauf, dass Kunden heute ultrakurze Reaktionszeiten auf allen digitalen Kanälen erwarteten. Deshalb müssten Unternehmen auch ihre Back-office-Prozesse "neu denken". Multi-Cloud-Umgebungen böten viele Möglichkeiten, doch schlecht gemanagt könnten sie zu einer Bremse werden.

Laut BMC-Deutschland-Chef Ingo Marienfeld laufen derzeit noch 70 Prozent der Workloads in den eigenen Rechenzentren der Unternehmen, doch das ändere sich nun in großen Schritten. Die Zukunft gehöre Multi-Cloud-Environments - und hier setzt BMC Software mit einem breiten Lösungsangebot an, von dem in Essen bereits jede Menge zu sehen war. Besonders wichtig ist dabei laut Anbieter ein neuer Typ von "Discovery-Lösungen", der Kunden dabei helfen soll, "das Licht in der eigenen IT anzuknipsen", wie Marienfeld sagte.

Zu wissen, welche Anwendungen und Assets im Unternehmen, aber auch in den vielfältigen Cloud-Umgebungen eingesetzt werden und dabei auch die Verbindungen und gegenseitige Abhängigkeiten zu identifizieren, sei künftig von zentraler Bedeutung. Mit der Software "Discovery for Multi-Cloud" zielt BMC darauf ab, schnell die Ursachen für Störungen und Anwendungsausfälle zu finden. Auch könne durch eine breite Erfassung sämtlicher Assets die Qualität der Daten in der Configuration Management Database (CMDB) signifikant erhöht werden.