Das Japan Syndrom

10.10.1980

Seit der Lambsdorff-Schelte reagiert man hierzulande allergisch auf das Japan-Lied vom "Über"-Arbeiter. Doch längst geht es nicht mehr nur um Cars und Cameras, wenn über unbequeme Konkurrenz aus dem Land der aufgehenden Sonne geklagt wird. Auch Überlegungen der Aufwertung von Nippoh-Chips in bundesdeutschen Computern spielen mittlerweile eine Rolle - vorerst freilich nur in Zeitungsspalten.

Mit Berichten über eine bevorstehende japanische Computer-lnvasion lassen sich nicht nur untrainierte DV-Laien verunsichern.

So ist es für die Redakteure der Tages- und Wirtschaftspresse offenbar aller Mühen wert, das Geheimnis des Vordringens der Japaner auf dem deutschen Computermarkt zu entschleiern Die Gefahr der Überfremdung der heimischen DV-lndustrie scheint jetzt sogar das offizielle Bonn zu beschäftigen.

Wer über Japan-Kontakte und ihre möglichen Folgen spekuliert, stößt sehr schnell auf die Firma Siemens. Wenn man nur tief genug in das System 7.800 der Münchner eindringt durch die Anwendung, das Betriebssystem und den Mikrocode hindurch - dann kommt man geradewegs in Tokio heraus. Das Haus Siemens, im Größtrechnerbereich ohne eigenes Angebot, vermarktet seit zwei Jahren auf eigene Rechnung und Systemverantwortung Fujitsu-Jumbos, um den Amerikanern, vornehmlich IBM, Control Data, Univac und Burroughs, das Behördengeschäft zu vermasseln - mit zweifelhaftem Erfolg, wie jüngste Abschlüsse zeigen (Uni Bremen, Flughafen München).

Auf der Japan-Welle schwimmt neuerdings auch die Badische Anilin, die Hitachis M200-er Modelle in der Bundesrepublik verkaufen will.

Die PCM-Engagements des größten bundesdeutschen Elektrokonzerns und des größten bundesdeutschen Chemiekonzerns bei den beiden größten japanischen Computerkonzernen sind nunmehr ins Gerede gekommen.

Siemens und BASF könnten, so die besorgte Vermutung, den Japanern als Sprungbretter dienen, das Computergeschäft in der Bundesrepublik nach einer Anlernphase selbst zu machen.

Welche Anzeichen sprechen dafür, daß diese Sorge berechtigt ist? 'Um diese Frage beantworten zu können, muß man die Besonderheiten des Computermarktes kennen. Allein die Boxen zu bauen, ist längst kein großes Geschäft mehr. Am Markt können sich auf Dauer nur diejenigen Hersteller behaupten, die in die Anwendung gehen und Hardware, Software Wartung sowie Ausbildung aus einer Hand bieten. Den Kopf oben behalten werden von diesen wiederum nur die geschicktesten, was die Kundenmanipulation, sprich: das Marketing betrifft. Computerkauf ist vor allem Vertrauenssache. Wenn überhaupt, dann gelingt Newcomern der Einstieg nur über den PCM-Weg, das Angebot IBM-kompatibler Zentraleinheiten also. Doch das Geschäft mit der Verträglichkeit ist hart, besonders auf dem alten Kontinent. Ein Blick auf die Amdahl- und NAS/ Itel-Bilanzen in Europa beweist es. Bei 29 (Amdahl) beziehungsweise 170 Installationen (NAS) kann man wahrlich nicht von einem Durchbruch der Plug Compatible Manufacturers sprechen. Warum sollten sich die Japaner leichter tun?

Allein auf Komponenten-Ebene vertreten zu sein, schafft noch keine tragfähige Startbasis. Wer bereits von einer gelben Gefahr auf dem Computersektor spricht, übertreibt maßlos.

Etwas anderes ist es, daß die heimische DV-lndustrie nicht in der Lage sein soll, einen (Großcomputer zu bauen, der es mit den führenden Marken der ausländischen Konkurrenz aufnimmt. Zu diesem traurigen Kapitel paßt nur ein Kommentar: Schwamm drüber!