Zwei Grid-Initiativen von IBM und Sun

Das Internet als Computing-Plattform

01.03.2002
MÜNCHEN (CW) - Ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern sich erneut IBM und Sun Microsystems, diesmal im Bereich Grid-Computing. Jetzt soll das Verbundrechnen auch über das Internet ermöglicht werden.

Im vergangenen Herbst stellten Big Blue und die Java-Company fast zeitgleich ihre jeweiligen Flaggschiffe bei den Unix-Servern vor. Jetzt treten die zwei US-Unternehmen mit ihren Initiativen auf dem Gebiet Grid-Computing an die Öffentlichkeit. Beiden gemeinsam ist, dass sie das Verbundrechnen aus der akademischen Nische holen und kommerziell nutzbar machen wollen.

Sun kombiniert dazu die hauseigene "Grid-Engine"-Software mit dem "Portal Server" von Iplanet. Die Middleware von Iplanet setzt dabei auf Suns Solaris-Betriebssystem auf. Der Portal Server enthält die Web-Services-Schnittstellen WSDL (Web Service Description Language), UDDI (Universal Description, Discovery and Integration) und Soap (Simple Object Access Protocol). Dadurch kann er den Anwendern die von der Grid-Engine verwalteten Ressourcen als Web-Services anbieten. Suns Grid Engine sammelt die ungenutzten Ressourcen von Solaris- und Linux-Rechnern, die in einem Netz eingeklinkt sind, und schaltet sie zu einem Rechen-Pool zusammen. Damit soll sich die ungenutzte Rechenpower so addieren, dass damit auch aufwändige Aufgabenstellungen, für die sonst Supercomputer eingesetzt werden, zu bewerkstelligen sind.

Für die Verknüpfung von Iplanets Portal Server mit der Grid Engine hat Sun ein Java-basierendes Framework geschaffen, das sich "Technical Compute Portal" (tcp) nennt. Bislang, so der Branchendienst "Computerwire", läuft der Iplanet-Portal-Server nur unter Solaris, so dass der Java-Code des tcp auch nur mit dem Sun-Betriebssystem getestet werden konnte. Allerdings will die Company alles auf Linux portieren. Bis dahin müssen Kunden einen reinen Solaris-Rechnerverbund oder ein hybrides Cluster aus Linux- und Solaris-Maschinen verwenden.

Zukünftige kommerzielle Anwender der Grid-Lösung können eine Schnittstelle definieren, über die die Benutzer eigene Konten für die Nutzung der Rechenkapazitäten im Netz einrichten können. Über das Iplanet-Portal sollen sich die Entwicklungen der Grid-Applikationen verfolgen lassen. Zudem können Administratoren und Benutzer kontrollieren, wie die Daten zur und aus der Anwendung transferiert werden. Dank Web-Interfaces soll der Einstieg in das Grid-Computing von überall aus möglich sein. In ein bis zwei Monaten will Sun eine Enterprise-Version der Lösung vorstellen, mit der sich viele verschiedene Grid-Cluster in unterschiedlichen Netzen verwalten lassen.

Gegenspieler IBM hat zusammen mit den Forschern von Globus Project unter der Bezeichnung "Open Grid Services Architecture" (Ogsa) Spezifikationen für Grid-Verbundrechnen über das Internet entwickelt. Die Wissenschaftler kombinierten die im Globus-Projekt schon früher entwickelten Grid-Regeln mit den Vorteilen von Web-Services. Sie definieren ein Grid als einen "erweiterbaren Satz von Grid-Services, die sich in unterschiedlicher Weise kombinieren lassen". Das bedeutet, dass in Ogsa alle Ressourcen im Netz - Rechenpower, Speicherkapazität, Netze, Programme und Datenbanken - als Dienste aufgefasst werden. Ogsa beschreibt die Schnittstellen dieser Services und die Protokolle, über welche die Interfaces angesprochen werden.

Die neuen Spezifikationen basieren auf den oben erwähnten Web-Service-Standards XML, WSDL, UDDI und Soap sowie auf den im Globus-Projekt entwickelten Standards für Grid-Computing. Sie dienen dazu, Computing-Ressourcen zu finden, zu planen und zu reservieren.

Irving Wladawsky-Berger, Vice President Strategy and Technology von IBMs Server Group, gab sich bei der Vorstellung von Ogsa auf dem "Global Grid Forum" im kanadischen Toronto euphorisch: "Das Internet entwickelt sich über E-Mail, Inhalte und E-Commerce hinaus. Es wird eine reelle Computing-Plattform, die die Servicequalitäten des Enterprise-Computings mit der Möglichkeit kombiniert, über das Internet verteilte Ressourcen - Anwendungen, Daten, Speicher, Server und alles dazwischen - zu teilen."

Einige Industrievertreter sind bereits auf Ogsa aufmerksam geworden und haben Unterstützung angekündigt. Positive Reaktionen auf die Grid-Architektur zeigten unter anderem Avaki und Platform, beides Lieferanten von kommerziell nutzbaren Grid-Programmen, Entropia, das sich auf PC-gestützte Grid-Techniken spezialisiert hat, sowie Microsoft.

IBM will die Ogsa-Spezifikationen als Grundlage für das "Eliza"-Projekt nutzen, das "autonomes" Computing zum Ziel hat. Zudem hat Big Blue in Toronto angekündigt, das gesamte Produktportfolio Grid-fähig zu machen. Als Referenz-Implementierung für Ogsa soll die "Websphere"-Software dienen. Zudem soll auch die "Tivoli"-Plattform um die neuen Standards erweitert werden. Schließlich hat Big Blue auch ein weiteres Einsatzgebiet für die "Shark"-Speicher-Arrays gefunden: Sie sollen die Daten aus den Grid-Netzen über das iSCSIProtokoll aufnehmen. (kk)

Grid im Globus ProjectDas Globus Project (www.globus.org) wird hauptsächlich von drei US-amerikanischen Forschungseinrichtungen getragen: dem Argonne National Laboratory, Illinois, dem Information Sciences Institute der Universität von Südkalifornien sowie der Universität von Chicago. Sie definieren Grid als eine Infrastruktur, die es ermöglicht, Ressourcen gemeinsam zu nutzen. Dazu zählen Highend-Computer, Netze, Datenbanken und wissenschaftliche Instrumente, etwa Teilchenbeschleuniger oder Windtunnel, die verschiedenen Organisationen gehören und auch von diesen verwaltet werden. Grid-Anwendungen beinhalten meist große Datenmengen und benötigen viel Rechenleistung. Ein Merkmal von Grid ist, dass die Ressourcenteilung über die Grenzen von Organsationen hinweg geschieht. Die derzeit von der Internet- und Web-Infrastruktur bereitgestellten Werkzeuge reichen dafür allerdings nicht aus.

Außer den drei genannten Instituten sind so namhafte Einrichtungen wie das Nasa Ames Research Center oder das High Performance Computing Center in Houston am Globus-Projekt beteiligt. Gesponsert wird das Vorhaben von staatlichen Stellen wie der Defense Advanced Research Projects Agency (Darpa), dem US-Department of Energy, der National Science Foundation und der Nasa. Von Unternehmensseite haben sich IBM, Microsoft und Cisco engagiert. Eines der wichtigsten Produkte aus der Globus-Project-Entwicklung ist das "Globus Toolkit". Das Open-Source-Werkzeug wurde schon in einigen Grid-Projekten eingesetzt.