Jobstruktur im Umbruch

Das Hoch auf dem IT-Arbeitsmarkt bringt keine Impulse

26.07.1996

Im Verlauf von nur zwei Jahren haben sich die Gewichte zwischen den wichtigsten Stellenanbietern verschoben. Innerhalb dieses Zeitraums ist bei allen potentiellen Anbietern die Zahl der Stellenangebote absolut gewachsen. Von Interesse aber sind die inzwischen eingetretenen Strukturveränderungen.

Allmählich, in jüngster Zeit aber sehr deutlich, ist der Anteil der Stellen mit DV-Bezug an allen ausgeschriebenen Positionen gewachsen. Betrug er 1993 und 1994 knapp zehn Prozent, so waren es 1995 bereits zwölf Prozent und in den ersten fünf Monaten dieses Jahres schon 20 Prozent. Im akademischen Bereich des Arbeitsmarktes ist die Relation noch eindeutiger. Hier beziehen sich, soweit für 1996 die Ergebnisse bereits vorliegen, beinahe 30 Prozent des über Printmedien annoncierten Stellenmarktes auf Experten mit DV-Hintergrund. Diese wichtige Tendenz bedeutet nun zweierlei:

-Der Anteil von DV-Experten am gesamten Fachkräftemarkt nimmt ständig zu.

-Sehr deutlich zeigt sich, daß diese Zuwächse in erster Linie Substitutions- und keine Additionsprozesse sind. Das bedeutet: Es findet eine Umschichtung zugunsten der DV-Fachleute statt, aber ohne nennenswerte beschäftigungswirksame Nettoeffekte für den Gesamtmarkt. Eher wird mittelfristig das Gegenteil zu vermuten sein.

Beim Vergleich des Stellenangebotes von Januar bis Mai 1994 mit dem gleichen Zeitraum des Jahres 1996 hat die Elektronikindustrie inklusive der Computerhersteller ein deutlich kleineres Stück des Kuchens neu zu vergebender Positionen zur Verfügung gestellt. Ebenfalls zurückgegangen sind die Anteile der Industrie insgesamt. Aber auch öffentliche wie private Dienstleister haben offensichtlich weniger Appetit und begnügen sich mit kleineren Stücken. So ging der Anteil der Stellenanzeigen von Banken, Versicherungen und Immobiliengesellschaften um beinahe zwei Prozent und im öffentlichen Sektor um fast drei Prozent zurück.

Größere Stücke servierten dagegen der Handel - hier insbesondere der mit Computer-, Elektronik- und Softwareprodukten - sowie die Medienwirtschaft einschließlich Telekommunikation. Am gravierendsten veränderte sich der Bereich Organisation/ DV- Beratung und Software. Hier wuchs das Stellentortenstück gar um elf Prozent und dominiert diesen Markt mit fast der Hälfte des gesamten Angebotes.

Hinter dieser Dominanz stehen vor allem die zahlreichen Outsourcing-Prozesse der jüngsten Vergangenheit. Bei Einrichtung neuen Equipments, neuer Software, bei Fragen des Downsizings und der Vernetzung wurden und werden in Zukunft Softwarehäuser betraut. Insofern ist es leicht nachvollziehbar, daß insbesondere der Markt für Entwicklungs- und Software-Ingenieure, für Datenbank- und Netzwerkspezialisten, für DV-Berater, Trainer, Schulungsexperten und DV-Dozenten, boomt. Auch Support- und DV- Controller partizipieren an dieser Konjunktur.

Weniger positiv sieht es dagegen für Führungskräfte aus. Der Markt für DV-/Org.-Chefs speist sich weitestgehend aus Fluktuation ohne erkennbare Wachstumsimpulse. Bei solchen Neubesetzungen müssen sich die neu eingestellten Manager in aller Regel mit niedrigerem Gehalt als ihre Vorgänger zufriedengeben. Derzeit haben jüngere akademisch vorgebildete Kräfte mit etwa fünfjähriger Berufserfahrung bis hin zur Projektleitung bei Neubesetzungen in Beratungs- und Softwarehäusern gute Chancen. Das gilt insbesondere dann, wenn sie auch Kenntnisse über SAP R/3 mitbringen.

*Dr. Sigmar Gleiser ist Fachbereichsleiter bei der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung in Frankfurt am Main.