Das große "Bit-in"

07.01.1983

"Wer sich mit der Gegenwart einläßt, hat nicht genug Zeit, seiner Zukunft ständig einzureden, es gebe sie gar nicht.

Herbert Riehl-Heyse in der Süddeutschen Zeitung vom 1./2. Januar 1983.

Die Karten liegen auf dem Tisch: Aussichten, ohne die Mikroelektronik wieder in Schwung zu kommen, hat die deutsche Wirtschaft bei der derzeitigen Weltmarktlage nicht. Daraus folgt, daß nur mit mehr Technik, mehr Industrialisierung die Forderungen der Gesellschaft nach Chancengleichheit und Wettbewerbsfähigkeit erfüllt werden können

In diesem Sinne sind jedenfalls die Informationen zu verstehen, mit denen Firmenchefs, Gewerkschaftsbosse, Politiker und Wissenschaftler erläutern, wie sie sich die Auswirkungen der Computer-Evolution vorstellen: künstliche Intelligenz als "deus ex machina" - das große "Bit-in" an der Schule, in der Fabrik, im Büro; oder, wie das amerikanische Magazin "Time" titelt: "The Computer moves in".

Bleibt für die Bundesrepublik zu konstatieren, daß "artificial intelligence" als Begriff des Computerjargons noch eine vorwiegend irrationale Dimension hat. Das traurigste Kapitel Ober die Computerangst schreiben die Medien (Funk, Fernsehen, Boulevardpresse), da wo sie den "Jobkiller" in ihre Negativwerbung hereinholen. Computerspezialisten kennen diese Vorliebe der Massenmedien für die Arbeitsklau-Symbolik. Computerspezialisten wissen aber auch, daß Computer keine Jobkiller sind - nicht notwendigerweise sein müssen -, sondern Jobveränderer

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, daß die Datenverarbeiter das Image des Computers entscheidend beeinflussen können. Man kann es auch so sagen Je nachdem, wie frei sie sind, ihre Freiheit als Computer-Dompteure - als Nicht-Hersteller und Nicht-Anwender - für sachliche Aufklärung zu nützen, so frei sind auch die eigentlichen Endanwender. Schlimm ist, daß nur wenige DV-Insider verraten wollen mit welchen Tricks sie die Kiste beherrschen.

Gürtel enger schnallen

Stehen wir vor einem neuen Boom in der Computerbranche? Wird die Informations- und Kommunikationstechnik im Verlaufe dieses Jahres Impulse auch für einen gesamtwirtschaftlichen Aufschwung geben?

Wer in den letzten Wochen und Tagen die Wettervorhersagen der DV-Marktforscher verfolgt hat, findet einige Gründe für diese Vermutung. Die Wachstumskrise zeigt, wie notwendig es ist, daß sich die Unternehmen verstärkt um den Einsatz des Rationalisierungsinstruments Computer bemühen.

Neue Anwendungen im Bereich Computer Aided Design/Computer Aided Manufacturing (CAD/CAM), bei der Fertigungsautomation, in der Bürokommunikation versprechen enorme Effektivitätssteigerungen. Viele DV/Org.-Abteilungen stehen Gewehr bei Fuß, anspruchsvollere Aufgaben in Angriff zu nehmen. Doch jetzt rächt sich, daß die DV stets ein Eigenleben im Betrieb führte. Neuerdings gibt es seitens der Unternehmensleitungen immer mehr Kontrolle - und immer wenige Investitionsspielraum Ausgaben werden gekürzt, DV-Budgets eingefroren. Für die Datenverarbeiter heißt das, den Gürtel enger zu schnallen. Man muß darüber nicht traurig sein: Wenn es gelingt, mit weniger mehr zu machen, werden am Ende auch die Topmanager aufgeschlossener gegenüber neuen DV-Vorhaben sein.