Management-Report/ Neue Aktivitaeten wegen Client-Server-Architekturen

Das Gestaltungspotential beim Downsizing via BSZ erschliessen

12.02.1993

Die in MIPS ausgedrueckten Rechnerleistungen koennen auf einer Workstation heute rund 250mal preisguenstiger realisiert werden als auf einem Grossrechner. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich das Verhaeltnis bis zum Jahr 2000 auf den Faktor 700 zugunsten kleinerer Rechnereinheiten verlagern wird. Auch wenn PC-MIPS nicht mit einem Mainframe-MIPS vergleichbar sind, handelt es sich um eine beobachtenswerte Entwicklung. Sie zwingt die Unternehmen Ueberlegungen zur Portierung ihrer Informationssysteme auf neue, kleinere und offene Plattformen anzustellen.

Im Gegensatz zum Mainframe kann man Midrange- und PC-Kapazitaet in kleinen, das heisst passenderen, Schritten ausbauen. Konkret bedeutet dies, bei Ueberlegungen zur DV-Strategie Downsizing und Client-Server-Architektur (CSA) angemessen zu beruecksichtigen.

Erwartungen an die Client-Server-Architektur

Von einer Client-Server-Architektur erhoffen sich Anwender unter anderem folgendes:

- bessere Chancen fuer den Einsatz von kostenguenstigeren Standardsoftware-Paketen,

- stufenweise Erhoehung der Produktivitaet der eigenen Software- Entwicklung,

- billigere in der Systembetreuung,

- Investitionsschutz fuer eigenentwickelte Anwendungssoftware sowie

- Reduzierung der Hardwarekosten.

Will man Rahmenbedingungen definieren, muss man sich zunaechst im klaren sein, welche Entscheidungen langfristige und welche kurzfristige Auswirkungen haben. Die Fristigkeit ergibt sich aus den Lebenszyklen der einzelnen Komponenten innerhalb von Informationssystemen. Viele Hardwarelieferanten, aber auch viele Unternehmen, betrachten eigenartigerweise die Festlegung auf bestimmte Hardwaresysteme als eine strategische Entscheidung. In Wirklichkeit ist heute die Entscheidung fuer eine Software- Architektur und Betriebssysteme viel weitragender.

Unter Software-Architektur kann man verstehen: eine Datenbank, ein Datenverzeichnis, eine Programmiersprache sowie ein CASE- Werkzeug. Im Idealfall muessten diese Produkte sowohl fuer die PC-, wie auch fuer die Midrange- und Mainframe-Ebene verfuegbar sein aufeinander abgestimmt sein. Es kann vorteilhaft sein, die Produkte von einem Hersteller zu beziehen. Vor allem muss sichergestellt sein, dass Anwendungen, die nach den Regeln einer bestimmten Software-Architektur erstellt wurden, auf die fuer das Unternehmen relevanten Betriebssysteme mit relativ geringem Aufwand portierbar sind. Somit kann Softwareportabilitaet ueber Rechnerebenen hinweg im Rahmen einer bestimmten Software- Architektur gewaehrleistet werden. Nur so lassen sich wesentliche Vorteile von Client-Server-Architekturen erreichen.

Wichtig ist, dass die Hardware- von der Software-Entscheidung entkoppelt wird. Noch deutlicher: Es wird bei der Hardware- Entscheidung zur Bedingung, dass die Produkte der Software- Architektur auf den definierten Betriebssystem-Ebenen laufen.

Standardsoftware laesst sich besser einsetzten

Diese Konzeption ermoeglicht nicht nur eine effiziente Eigenentwicklung, sondern verbessert auch die Einsatzfaehigkeit von Standardsoftware. Ein weiterer Vorteil einer einheitlichen Systementwicklungs-Umgebung liegt darin, dass Mitarbeiter viel flexibler in Projekten eingesetzt werden koennen, da sie die gleichen Grundvoraussetzungen mitbringen.

Wachsende Bedeutung erlangen somit verteilte Anwendungen, welche die Staerken von PCs, Abteilungsrechnern und Mainframes kombinieren. Die klassische Anwendungsentwicklung muss sich daher neu orientieren und eine andere Aufgabenverteilung anstreben. Jede Programmfunktion soll moeglichst auf der am besten dafuer geeigneten Systemkomponente ausgefuehrt werden.

Bei der traditionellen Verarbeitung, die heute noch ueberwiegt, wird ein PC aber hoechstens dann eingesetzt, wenn ein Terminal emuliert werden soll. Auf diese Weise bleibt ein grosses Gestaltungspotential ungenutzt.

Auswirkungen der Client-Server-Architektur beziehungsweise des Downsizings auf die DV-Strategie ergeben sich insbesondere fuer die Ebenen Organisation, Personal und Wirtschaftlichkeit.

Damit einhergehend werden die Anwender vermehrt individuelle Datenverarbeitung (IDV) betreiben.

Um diese Entwicklung steuern zu koennen, muss ein wirksamer Benutzerservice auf- oder ausgebaut werden.

In vielen Unternehmen existiert bereits seit geraumer Zeit eine solche Abteilung. Bislang konzentrierten sich deren Aktivitaeten auf Produkte der IDV, zum Beispiel Textverarbeitung und Tabellenkalkulation. Diese Aufgaben bleiben dem Benutzerservice auch zukuenftig erhalten. Es kommen jedoch neue Aktivitaeten hinzu, und zwar schwerpunktmaessig fuer LAN- und Downsizing-Projekte.

Es befinden sich eher hundert PCs in einem Unternehmen als eine Organisation, die diesem Tatbestand Rechnung traegt. Der Benutzerservice kann somit zum einen die Aufgabe uebernehmen, die DV-Anwender zu beraten und zu betreuen, in einer weiteren Ausbaustufe ist es aber auch moeglich, ihn als Schnittstelle fuer alle Fragen der Anwender zu Themen der Informationstechnik zu etablieren. Diese Entwicklung verstaerkt auch den Trend zu einem mehr service- und dienstleistungsorientierten DV-Bereich. Die wachsende Zahl von Client-Server-Projekten macht diese Perspektive noch realistischer.

Der PC ist aber nur ein Element innerhalb von CSA, er ist kein Ersatz fuer die zentrale DV und deren Equipment. Wichtiger ist vielmehr eine rechtzeitige Integration der verschiedenen Downsizing-Elemente in die DV-Organisation. Sie ist keineswegs in erster Linie ein technisches Problem, sondern die aufbau- und ablauforganisatorischen sowie personellen Fragen muessen rechtzeitig beantwortet werden. Es handelt sich um eine reine Management-Aufgabe.

Verschieden Stellen erledigen gleiche Aufgaben

Dass der PC als wichtiger Bestandteil der Client-Server- Architektur in den wenigsten Unternehmen richtig integriert ist, kommt dadurch zum Ausdruck, dass gleiche Aufgaben von unterschiedlichen Stellen erledigt werden. So gibt es Hotline- Institutionen fuer den Host (zum Beispiel im Rechenzentrum) und den PC (im Benutzerservice). Auch die Themen Beratung, Programmentwicklung, Systemprogrammierung und Daten-Management sind in vielen Faellen organisatorisch redundant belegt. Die Umsetzung des Drei-Saeulen-Prinzips (Anwendungsentwicklung, Rechenzentrum, Benutzerservice) kann aber nur mit einer rigorosen Aufgabenzusammenfuehrung erfolgreich sein.

Rechenzentren nicht mehr im Zentrum

Rechenzentren bilden keineswegs mehr den DV-technischen Unternehmensmittelpunkt. Ziel der Bemuehungnen muss staerker der Anwender an seinem Arbeitsplatz sein. Die Schaffung einer informationstechnischen Infrastruktur kann nicht mehr vom Elfenbeinturm RZ aus betrieben werden, sondern es bedarf dazu der Entwicklung eines passenden Konzeptes.

Das technische Herzstueck des unternehmensweiten Informationssystems ist nicht mehr als eine Nebenstellen-Anlage, deren einzige Aufgabe darin besteht, alle relevanten Daten schnellstmoeglich an den Arbeitsplatz zu bringen, an dem sie gebraucht werden. "Ein fortschrittlicher DV-Chef legt aufs Rechenzentrum gar keinen Wert mehr", sagte Wolfgang Dernbach von der Diebold Deutschland GmbH. Auch wenn man solch zuspitzenden Aussagen noch nicht folgen will, lassen sie doch eindeutig den Trend zu einem gewandelten Aufgabenspektrum des Rechenzentrums erkennen.

Der groesste Teil der DV-Applikationen wird heute noch auf dem Zentralrechner entwickelt und dort in die Produktion aufgenommen. Diese Systeme werden vermutlich bis zu einer Neukonzeption ihren Status behalten.

Ueber Downsizing und Client-Server-Architekturen wird viel geredet. Vorzeigbare verteilte Anwendungen, welche die Staerken der verschiedenen Rechnerebenen zu einem Optimum kombinieren, haben hingegen noch Seltenheitswert.

Diese Entwicklungen sollten jedoch aus folgenden Gruenden forciert werden:

- Hochintegrierte Host-Anwendungen wachsen in ihrer Komplexitaet.

- Die Nutzer werden anspruchsvoller (Stichwort: Oberflaechen) und sind auf groessere Unabhaengigkeit bedacht.

- Der Entwicklungsstau fuer neue Anwendungen nimmt weiter zu.

Bis zur Ausreifung in zwei Welten leben

Teile der Anwendungsentwicklung gehen damit natuerlich in den Verantwortungsbereich des Anwenders ueber. Durch diese Aufgabenverteilung erhaelt er flexiblere Wachstumsmoeglichkeiten. In der Praxis laesst sich dieses Konzept allerdings noch nicht so einfach verwirklichen. Verfuegbar sind zwar Produkte fuer Netze und Endgeraete, einheitliche Benutzeroberflaechen befinden sich jedoch noch in der Entwicklung, und auch Produkte fuer verteilte Datenbanken kommen erst zoegerlich auf den Markt.

Der Versuch, bestehende Applikationen umzustellen, wuerde ohne Zweifel zu einer Verlaengerung des Entwicklungsstaus fuehren. Deshalb wird es sich nicht vermeiden lassen, bis zum Ausreifen dieser Systeme in zwei DV-Welten zu leben. Ein Distributed Computing in voll befriedigender Form wird vermutlich erst in einigen Jahren moeglich sein. Fuer zukuenftige Systementwicklungen sollte man jedoch schon mit den Basisplanungen beginnen, Pilotprojekte sind dafuer empfehlenswert.

Downsizing soll auch wirtschaftliche Vorteile bringen. Der Vorwurf, die DV-Abteilung sei zu teuer, bekommt durch die rasante PC-Preisentwicklung taeglich neue Nahrung. Die Argumente der Fachabteilungen sind in vielen Unternehmen gleichlautend: "Fuer den Betrag, der mich die Aenderung in einer Host-Anwendung kostet, bekomme ich ja schon einen PC!"

Die technische Entwicklung forciert solche Aussagen. Aufgabe von DV-Management und Benutzerservice ist, an dieser Stelle auf die tatsaechlichen PC-Kosten hinzuweisen. Ein PC wird erst nach der Anschaffung richtig teuer!

Untersuchungen haben ergeben, dass die Hardware-Anschaffung lediglich 20 Prozent dessen ausmacht, was in vier Jahren an Kosten fuer einen PC auf das Unternehmen zukommt. Den groesseren Teil verschlingen Einarbeitung und Schulung sowie die laufende Betreuung durch eine Serviceinstitution (unabhaengig davon, ob diese Leistungen von einem Internen oder Externen erbracht werden). Wegen des dramatischen Hardware-Preisverfalls auf der einen Seite und den anspruchsvoller werdenden Aufgaben innerhalb von Downsizing-Projekten auf der anderen Seite, scheint die Behauptung nicht gewagt zu sein, dass der Anteil fuer Hardware auf fuenf bis zehn Prozent an den Gesamtkosten zurueckgehen wird.

In den seltensten Faellen werden diese Komponenten aber in einer Investitionsrechnung transparent gemacht. Bei hundert Geraeten erreicht man schnell eine Groessenordnung von mehreren Millionen Mark. Gelingt es darueber hinaus einem Unternehmen nicht, den PC in die DV-Organisation und eine echte Client-Server-Architektur zu integrieren, wird seine Wirtschaftlichkeit immer fraglicher.

Eine der groessten Schwierigkeiten besteht wohl darin, den PC nicht als Selbstzweck anzusehen und ihn unkontrolliert im Unternehmen verfuegbar zu machen. Wenn Mitarbeiter in den Fachabteilungen ploetzlich die Haelfte ihrer Arbeitszeit oder mehr mit technisch orientierten Arbeiten am PC verbringen, muss die Frage beantwortet werden, fuer welche operativen Aufgaben sie urspruenglich eingestellt wurden. Ein mit den entsprechenden Kompetenzen ausgestatteter funktionierender Benutzerservice kann dazu beitragen, den PC-Einsatz im Unternehmen wirtschaftlich zu gestalten.

Kostendeckendes Arbeiten muss das Minimalziel sein

Der Kostenverursacher PC muss als solcher auch von der Unternehmensleitung erkannt werden. Das minimale Ziel einer DV- Abteilung - und damit auch des Benutzerservices - ist es, kostendeckend zu arbeiten.

Sicherlich ist es moeglich, eine Stunde Beratung fuer die Anschaffung eines PCs oder eine telefonische Fehlererklaerung in Rechnung zu stellen, aber dessen muss man sich bewusst sein, und der Aufwand dafuer darf nicht den erzielbaren Nutzen uebersteigen. Dass auch die Anwender in den Fachabteilungen deren Kosten verantworten muessen kann dazu fuehren, dass Leistungen des Benutzerservices nicht in Anspruch genommen werden, weil man die Kosten dafuer scheut. Statt dessen versuchen viele PC-Benutzer, ihre Probleme selbst zu loesen, was erwiesenermassen in den meisten Faellen zeitaufwendiger ist, als die Hilfe eines Spezialisten in Anspruch zu nehmen.

Der Unternehmensleitung muss klargemacht werden, dass das offizielle DV-Budget nur die eine Seite der Medaille ist. Erschreckend hoch ist in vielen Unternehmen die Zahl derjenigen Mitarbeiter, die als Schatten-Benutzerservice fungieren. Schaetzt man deren Aufwand und die damit verbundenen Kosten, kommen astronomische Groessenordnungen heraus. Dies sollte fuer viele Unternehmen der Anlass sein, eine Effizienzanalyse fuer einen PC- Einsatz zu initiieren.

Die Entwicklung von Client-Server-Architekturen sowie von Downsizing-Projekten wird nicht aufzuhalten sein. Dies ist aus vielen Gruenden zu begruessen. Wirtschaftlich vertretbar ist die Tendenz jedoch nur, wenn es dem DV-Management und der Unternehmensleitung gelingt, die organisatorischen Rahmenbedingungen sinnvoll zu gestalten und ihre Einhaltung zu kontrollieren.

*Dr. Carsten Mueller ist Direktor der Zentralabteilung Datenverarbeitung der Kloeckner & Co Aktiengesellschaft, Duisburg; der Autor haelt bei einem BSZ-Seminar am 24. und 25.2. in Frankfurt am Main einen Vortrag (siehe Seite 42).