IT-Orakel

Das erwarten die Analysten für 2010 - Part 2

31.12.2009
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Was wird aus Windows 7?

Frage: Schafft Microsoft den Befreiungsschlag mit Windows 7?

Christophe Chalons (PAC): Windows 7 wurde generell von allen Marktteilnehmern und -beobachtern deutlich besser angenommen als Vista. Damit, und nicht zuletzt gerade weil viele Kunden den Schritt zu Vista nicht getan haben, kann Microsoft auf substanzielle Erfolge hoffen. Jedoch leidet der Markt immer noch unter der Wirtschaftskrise. Darüber hinaus sind die Anwenderunternehmen vorsichtiger geworden: Keiner will das Versuchskaninchen spielen, lieber wartet man auf den ersten Patch. Letztendlich prägen Konzepte wie Virtualisierung (auf Server- wie auf Client-Ebene) und Cloud mehr und mehr die Plattformstrategie der Anwenderunternehmen.

Foto: Forrester Research

Daniel Kraus (Forrester): Hasta la Vista, Windows! Nach mehr als zwei Jahren der Bestrebungen, Windows Vista noch zum Erfolg zu verhelfen, haben sich nicht nur die Kunden, sondern sicherlich auch die Mannschaft bei Microsoft nach der Einführung von Windows 7 gesehnt. Derzeit dominiert XP nach wie vor die Betriebssystem-Landschaft mit zirka 80 Prozent bei Geschäftskunden, Vista nutzen dagegen gerade mal zwölf Prozent. Diese Zurückhaltung wird jedoch in eine schnellere Adoption von Windows 7 umschlagen. Neuesten Zahlen zufolge planen zwei Drittel aller Unternehmen eine Migration auf Windows 7, das somit innerhalb der nächsten zwölf Monate der neue Standard werden dürfte. Gute Nachrichten also für Microsoft, das in seinem Kerngeschäft wieder zur alten Größe gelangen kann. Wie der Vista-Tiefschlag aber gezeigt hat, sollte sich Microsoft darauf nicht ausruhen.

Rüdiger Spies (IDC): Microsoft ist mit Windows 7 ein großer Schritt vorwärts gelungen. Es gibt praktisch keine Kritik an der neuen Betriebssystemversion. Allerdings gestaltet sich der Umstieg von XP aufwändig und verlangsamt die Migration der Unternehmen auf Win 7. Office 2010 wird der nächste große Prüfstein für Microsoft im kommenden Jahr. Der Druck durch Mitbewerber wie Google mit Android und Chrom OS, Oracle, IBM sowie die Open-Source-Angebote bleibt bestehen. Dem kann Microsoft auch nicht durch eine neue Betriebssystem-Version ausweichen.

Foto: Microsoft

Andreas Klein (Techconsult): Microsoft hat in der Tat Imageeinbußen durch das oft kritisierte Vista Betriebssystem hinnehmen müssen. Ob die Kritik immer gerechtfertigt war oder nicht, sei dahingestellt. Mit Windows 7 hat Microsoft auf seine Kunden gehört und weitere Innovationen einfließen lassen. Ob Windows 7 aber jemals einen derart hohen Stellenwert beim Anwender bekommen wird, wie ihn Windows XP heute noch hat, ist aufgrund zunehmend dynamischer Marktanforderungen eher fraglich. Unter Umständen könnte Windows 7 für Microsoft das letzte Desktop-Betriebssystem sein, das in die gleiche Kerbe wie Windows XP schlägt, vorausgesetzt, der Desktop-Virtualisierungs-Hype flacht ab und die grundsätzliche Notwendigkeit eines mächtigen Betriebssystems bleibt in der aktuellen Form noch ein paar Jahre bestehen.

Foto: Experton Group

Andreas Zilch (Experton Group): Investitionen in Client-Rollouts mit Vista wurden spätestens mit den ersten Tests von Windows 7 gestoppt. Das hat die vor allem die Hersteller von Client-Hardware hart getroffen. Für Microsoft wurde der negative Effekt etwas abgefedert, da viele Unternehmen Enterprise Agreements mit Software Assurance abgeschlossen haben und damit quasi "automatisch" Vista erworben hatten. Trotzdem ist das Deployment von Win 7 gerade jetzt für Microsoft erfolgskritisch, da weitere Applikationen darauf aufbauen. Unternehmen, die meist von XP auf das neue Release umsteigen, sollten sich möglichst umfassend auf die Migration vorbereiten und den Rollout dann schnell durchziehen. Einige Unternehmen werden den Rollout schon in 2010 beginnen, die Mehrheit aber das Jahr für die Vorbereitung brauchen. Es liegt an den Anbietern, die Anwender-Unternehmen massiv bei der Vorbereitung insbesondere beim Applikations-Testing zu unterstützen, nur so kann schon in 2010 ein größeres Investment ausgelöst werden.

Foto: Gartner

Annette Jump (Gartner): Auch wenn Windows Vista wenig erfolgreich war und viele Anwender das System links liegen gelassen haben - Unternehmen können Windows XP nicht ewig betreiben. Die Einschätzungen zu Windows 7 gehen weit auseinander: das reicht vom Major Windows-Release bis hin zum Service Pack für Vista. Aber egal, was es nun ist: Man darf Windows 7 nicht übersehen. Das neue Betriebssystem bietet eine ganze Reihe von Optimierungsmöglichkeiten, raffinierten Veränderungen und neuen Funktionen. Viele Unternehmen werden auf Windows 7 wechseln müssen. Schließlich läuft bei den meisten Firmen ein Großteil der verwendeten Applikationen unter Windows. Diese zu ersetzen, wäre mit zu hohen Kosten verbunden. Allerdings sollten die Firmenverantwortlichen in Zukunft grundsätzlich stärker darauf achten, ihre Abhängigkeit von einem Betriebssystem zu reduzieren und Anwendungen zu bevorzugen, die mehr Optionen bieten. Ein Faktor, der die Verbreitung von Windows 7 beschleunigen wird, ist das Auslaufen des Supports für Windows XP. Bis April 2014 wird Microsoft Security-Fixes ausliefern, die Unterstützung der Independent Software Vendors (ISVs) wird vermutlich früher enden. Unternehmen sollten daher eher konservativ planen und zusehen, dass sie sich bis spätestens 2012 von Windows XP verabschiedet haben. Für Microsoft wird es darauf ankommen, mit dem neuen System einen guten Start hinzulegen, um für ein gewisses Momentum im Markt zu sorgen und damit die Probleme rund um die Windows-Familie hinter sich zu lassen.