IT-Orakel

Das erwarten die Analysten für 2010 - Part 1

30.12.2009
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Kann Oracle mit Fusion Applications zu SAP aufschließen?

Frage: Wird es Oracle im nächsten Jahr gelingen, mit Fusion Applications am Nimbus von SAP zu kratzen?

Christophe Chalons (PAC): Fusion ist für Oracle besonders wichtig: Schließlich hat Oracle ein Patchwork an "Best-of-Breed"-Anwendungen, das es stärker zu integrieren gilt. Sicher kann Oracle in ausgewählten Branchen, Themen und Ländern Marktanteile gewinnen, SAP wird aber - zumindest kurz- und sogar mittelfristig - der unanfechtbare Marktführer bleiben.

Holger Kisker (Forrester): Im nächsten Jahr wird Oracle endlich die seit Jahren angekündigten Fusion Applications auf den Markt bringen. Die Vision einer vollständig integrierten Applikationslandschaft hat sich allerdings längst überholt. SAP hat beispielsweise mit der Business Suite 7 eine solche integrierte Lösung bereits seit einiger Zeit auf dem Markt. Neu hingegen wird die Möglichkeit sein, die Fusion Applications auch als SaaS-Modell anzubieten. Kunden erhalten so erstmals die Möglichkeit, Cloud Computing effizient für verschiedene Applikationen zu nutzen. Damit dürfte sich Oracle wieder an die Spitze der Innovationen katapultieren. Dagegen wird kaum ein Bestandskunde in Erwägung ziehen, seine Systemlandschaft wegen Fusion in 2010 von SAP auf Oracle zu migrieren.

Rüdiger Spies (IDC): Wenn Fusion Applications dann doch nach erheblicher Verzögerung endlich verfügbar sind, wird das nichts an der Gewichtsverteilung zwischen SAP und Oracle verändern. SAP’s Funktionsvorsprung beim klassischen ERP und den Ergänzungen wird Oracle weiter auf Abstand halten. Das Neuschreiben der Fusion Applications wird nicht auf Anhieb den Funktionsumfang der existierenden Anwendungen erreichen können. Allerdings bieten die zugekauften Applikationen von Oracle vergleichbare Funktionen - jedoch nur in Teilbereichen. Die Integration fehlt weiter. Deshalb: Oracle wird weiter hart kämpfen müssen, um auf der Application-Seite als zu SAP gleichwertig anerkannt zu werden.

Foto: Experton Group

Andreas Zilch (Experton Group): Sicher noch nicht im nächsten Jahr - aber die langfristige Perspektive ist entscheidend. Wenn Oracle zeigt, dass sie Innovationen besser an den Markt bringen können als SAP, dann wird man aus Sicht der Anwender und Analysten einen deutlichen Vorsprung vor SAP erzielen, der sich mittelfristig in einen klaren Wettbewerbsvorteil und damit den Gewinn von Marktanteilen umsetzen lässt. Das ganze Thema ist aber außerordentlich komplex und damit stehen für Oracle selbst auch einige Risiken im Raum.

Thomas Otter (Gartner): Die Fusion Applications sind noch nicht auf dem Markt, und bis dato gibt es nur sehr wenige Details darüber, was Oracle ausliefern wird, wenn es soweit ist. Oracle hat mit Fusion viel versprochen, aber darüber zu spekulieren, ob Fusion das Kerngeschäft von SAP attackieren kann, wäre voreilig. Wenn Fusion das hält, was es verspricht, dann werden wir ein konkurrenzfähiges System im Markt sehen. Das muss man aber erst abwarten. Wahrscheinlich lässt sich diese Frage nicht im kommenden Jahr beantworten sondern erst zwischen 2012 und 2015.