Digitalisierung provoziert ordnungspolitischen Wandel:

Das Endgerät rückt in den Mittelpunkt

15.02.1985

Teil II der SCS-Studie von Franz Arnold (vergleiche CW 6/85, Seite 1). Ist ein vielversprechendes Paket von Änderungsvorschlägen, realisierbar allerdings nur im Verbund, wie der Verfasser betont. Die Planungsgrundlage könnte, so jedenfalls ihre Intention, die EG-Kommission, die Post und auch die Hersteller aus einer Situation herausführen, die von allen Seiten als unbefriedigend empfunden wird. Die Vorschläge laufen auf eine Modifizierung des Fernmeldemonopols am Hauptanschluß hinaus.

Die heute bereits verfügbare Skala der Endgeräte reicht vom schlichten Telefon über das Btx-Terminal bis zum externen Rechner oder gar zum Großrechner mit einer X.25-Schnittstelle. Eine Zentraleinheit allerdings als Endgerät zu bezeichnen, dürfte einem DV-Mann herkömmlicher Strickart nicht in den Sinn kommen. An der Peripherie seiner Computerwelt sitzt ein Drucker oder ein Terminal, vielleicht eine Datenfernübertragungseinheit, und sein Rechner ist der Mittelpunkt dieser Konfiguration, aus seiner Sicht gewiß kein Endgerät. Anders für den Nachrichtentechniker, der als erstes die Carrier-Funktion des Übertragungsmediums sieht und an der Endstation, dem Übergabepunkt quasi, eben das Endgerät. Schon aus dieser unterschiedlichen Betrachtungsweise erklärt sich der immer noch zugrunde liegende Konflikt zwischen Datenverarbeitung und Telekommunikation. Aber nicht nur unterschiedliche Traditionen, auch unterschiedliche Sprachregelungen und Wünsche prallen aufeinander. Das Endgerät, wie die Nachrichtentechniker sagen, beziehungsweise die Schnittstelle zum Netz, wie die DV-Leute es sehen, ist daher notwendigerweise ein ständiger Stein des Anstoßes, wo doch eigentlich Informationen naht- und schnittlos fließen sollten. Digitalisierung der bisher analogen Netze, also eine Anpassung an die Computerwelt, und gleiche Basistechnologie wie die Mikroelektronik, geben nun einen neuen Denkansatz vor.

Eine einheitliche Betrachtungsweise bietet sich geradezu an, auch wenn sie den beiden Lagern nicht so schnell geläufig werden sollte wie der Umgang mit ihren Terminals, die heute hard- und software-mäßig das Verschmelzen beider Traditionen längst realisiert haben-allerdings so wenig einheitlich, daß von den anfallenden Schnittstellenproblemen ganze Generationen von Beratern gut leben könnten, wenn sich DV- und Tele-Welt nicht zusammenraufen. Der Umsatz, der den Consultern dann in den nächsten 20 Jahren vielleicht verlorengeht, könnte sich jedoch um ein Vielfaches potenziert in den Bilanzen der Endgeräte-Hersteller und der Netzbetreiber niederschlagen. "Hohe Stückzahlen durch Akzeptanz und Attraktivität" der Endgeräte und Tele-Dienste ist ihr Ziel, aber vorerst noch ein Traum.

Alte Strukturen, die sich zu einem Teil im Monopol der Post, wenn auch "liberal gehandhabt" widerspiegeln, zum anderen in den Standards der Computerwelt, die durch Software-Investitionen in Milliardenhöhe gefestigt, aber auch gefesselt ist, müssen einander angepaßt werden. Hier einen "Compiler" zu entwickeln, der den Rahmen für beide Welten, aber auch für die unterschiedlichen Postverwaltungen zunächst einmal Europas, bieten könnte, hatte sich offenbar der Ex-Postler Franz Arnold vorgenommen, dem das Vieler- und Mancherlei seines Ressorts, nämlich "Fernmeldenetze", neustrukturierungsbedürftig erschien. Jedenfalls machte er sich zur Speerspitze einer Gruppe, die sich die vier Buchstaben "ISDN" auf die Fahne schrieb. "Integrated Services Digital Network", sinngemäß übersetzt in "Dienste integrierendes digitales Netz, schaffte es, als Innovations-Entwicklungsprogramm vom Glaubensbekenntnis in relativ kurzer Zeit zur Planungsgrundlage der fernmeldetechnischen Industrie und der Bundespost zu werden Aber auch die DV-Welt soll nicht im Regen stehenbleiben, heißt es. ISDN ist für alle da, selbst ein Schlupfloch für Traditionalisten im Stile von Datex-P sieht das ISDN-Struktogramm noch vor.

Schnittstellen der Technik und der Interessen wird es gleichwohl weiterhin geben. Jedoch sollen die Grenzen fließender werden.

"Modem-Monopol" hemmt

Ansatzpunkt für Kritik am Post-Monopol, das die Fernmeldebehörde zwar "liberal" handhabe, aber eben nicht im Interesse der Europäischen Gemeinschaft oder auch der deutschen Industrie, ist der Netzabschluß, der Übergabepunkt, das Modem. Hier zu Unrecht ein "Modern-Monopol" zu beanspruchen, daß sich hemmend auf die gesamte Entwicklung der Telekommunikation auswirken könnte, ist inzwischen die Meinung etlicher Politiker, Ökonomen, Europäer, ja sogar Postler.

Ein in sich geschlossenes Gebäude von Änderungsvorschlägen, die vom ordnungspolitischen Rahmen bis zum technischen Kern der künftigen Telekommunikation reichen, repräsentiert nun die kürzlich vorgelegte Studie aus dem Hamburger Softwarehaus SCS, die zum Verfasser Franz Arnold, den ISDN-Promotor, hat. Nebenstehende Abbildungen skizzieren sein Konzept eines modifizierten Post-Monopols im Endgeräte-Sektor.

Voll-Service: Die Bundespost als Netzträger kann für jede Art von Fernmeldedienst einen Voll-Service anbieten der wie folgt zu definieren ist:

- Endgerät und Netz bilden eine Einheit das heißt die Bundespost bietet dem Kunden einen Dienst an der besteht aus

- den Netzdienstleistungen

- der Zurverfügungstellung des Endgerätes

-der Wartung und Entstörung des Endgerätes

- Leitungsanschluß mit Netzabschluß wird gegen eine monatliche Grundgebühr überlassen

- Der Netzträger ist berechtigt ebenfalls Endgeräte zum Anschluß an Netzabschlüsse für Teilnehmer mit Netz-Service anzubieten im wesentlichen für vollstandardisierte Dienste. In diesen Fällen sollen für diese Netzgeräte ordnungspolitisch und rechtlich die gleichen Regelungen gelten wie für Endgeräte die dem Teilnehmer selbst gehören oder von dritten angemietet sind.

- Die Grundgebühr soll die Zurverfügungstellen des Endgerätes und dessen Wartung und Entstörung abgelten.

- Dem Teilnehmer am Voll-Service wird vom. Netzträger eine einwandfreie Dienstgute seines Informationsaustausches mit jedwedem anderem Teilnehmer am Voll-Service garantiert.

Netz-Service: Grundsätzlich wird der Netzträger verpflichtet

- in allen Fällen in denen ein Voll-Service angeboten wird und

- in allen übrigen Fällen des Anschlusses von beliebigen Endgeräten an öffentliche Fernmeldenetze einen Netz-Service anzubieten der wie folgt definiert wird:

-Zurverfügungstellung eines Leitungsanschlusses an das öffentliche Fernmeldenetz

- Abschluß des Leitungsanschlusses mit einem definierten Netzabschluß.

- Es ist keinerlei elektrische Schnittstelle zwischen Endgerät und Netz erforderlich. Endgeräte,- Netz- und Netzabschlußfunktionen können vom Netzträger frei gestaltet werden

Kombination von Voll- und Netz-Service: Haben Teilnehmer den Voll-Service in Anspruch genommen so ist es durchaus möglich daß er mit zusätzlichen Endgeräten neben dem vollstandardisierten Dienst noch weitere Netzdienstleistungen am gleichen Netz in Anspruch nehmen möchte. Typisches Beispiel sind Zusatzgeräte zum heutigen Telefonhauptanschluß.