Keine-Zeit-Arbeitswelt

Das Ende des Telefonierens

01.01.2015
Von 
ist freier Journalist in Bonn.
Jeder kennt das: Mail an den Kollegen abgeschickt. Nur eine kleine Anfrage. Senden. Fertig. Die Angelegenheit ist vom Tisch. Doch dann klingelt das Telefon.

Der Kollege ist am Apparat. Die Mail hat er gesehen. Aber sie reicht ihm nicht. "Guten Tag, ich wollte nur schnell ...", grüßt er. Was dann folgt, dauert jedoch lange: Er erläutert, holt aus, kommt auf Sachen, die längst erledigt sind, plaudert. Dann fängt er noch von den bevorstehenden Ferien an. "Hör zu, Kollege, ich muss jetzt", sagt der Angerufene und würgt das Gespräch kurzerhand ab.

Als der Hörer aufgelegt ist, kommt ein erleichtertes "Uff" über die Lippen des Angerufenen. Das Telefonat hat gestört, sein Inhalt war völlig belanglos, überflüssig, verschwendete Zeit. Was mit einem Satz per Mail zu erledigen gewesen wäre, dehnte sich auf geschlagene 13 Minuten aus.

Eine kleine Begebenheit, die sich heute immer wieder in den Büros abspielt: Telefonklingeln, kleiner Adrenalinstoß, dann der Gedanke: "Nicht jetzt!" Fünf andere Sachen warten darauf, bearbeitet, durchdacht und zu Ende gebracht zu werden. Anrufe stören.

In vielen Büros hat sich deshalb in letzter Zeit ein neues Verhalten durchgesetzt: Man will nicht mehr überraschend hereinplatzen, auch nicht fernmündlich. "Es wird weniger telefoniert als noch vor zehn Jahren", konstatiert Martin Eppler, Professor und Inhaber des Lehrstuhls für Medien- und Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen. Anrufe wie im genannten Beispiel zeigen: "Solche Unterbrechungen können ein großer Produktivitätskiller sein."

Keine-Zeit-Arbeitswelt

Die Keine-Zeit-Arbeitswelt ist deshalb längst auf schriftliche Verständigung gewechselt. Textbotschaften sind schnell, weitgehend frei von Emotionen, verbrauchen weniger Zeit und stören nicht, wenn sie ankommen. Elektronische Kanäle wie E-Mail sind in vielen Büros der Kontaktkanal Nummer eins, der Kollege hätte es wissen müssen.

Am deutlichsten erkennbar ist das bei den Führungskräften von morgen. Ihr Medium Nummer eins ist die elektronische Post. Als zweitwichtigster Kanal werden Social Media wie Xing, Twitter und LinkedIn oder interne Tools wie Yammer und Jive eingesetzt. An dritter Stelle in der Hierarchie der Kommunikationsmittel stehen Messaging-Tools wie Whatsapp. Das Telefon, einst aus dem Geschäftsalltag nicht wegzudenken, rangiert nur noch auf Platz vier, ermittelte eine Studie des Dienstleisters Dimension Data unter jüngeren Berufstätigen. Die neue Regel lautet: Anrufen nur, wenn es sonst nicht geht. "Die Generation Y sagt ,Adieu` zum klassischen Telefonanruf", erläutert Andrew McNair, verantwortlich für die Studie, den großen Trend.