Das Dilemma von IBM, Siemens & Co.

06.03.1992

Was etablierte DV-Hersteller wie IBM, Unisys, Bull oder Siemens seit Jahrzehnten leisten, ist Beratung, IS-Implementierung, Software-Entwicklung und Betreuung, ist Systemintegration - wer wollte das leugnen? Sie liefern die Hardware, hauchen dieser (Betriebssystem-)Leben ein und bringen darauf Anwendungen zum Laufen, an deren Erstellung sie nicht selten mitgewirkt haben. Spräche demnach also nichts dagegen, daß Hardwarehersteller, insbesondere die genannten Alles-aus-einer-Hand-Anbieter, gute System-Integratoren sein können? Die Frage ist brisant, weil IS-Integration angesichts heterogener DV-Umgebungen - unverträglicher, inkompatibler Rechnerwelten bei den Anwenderunternehmen - einen Service darstellt, der vom Markt verlangt wird. Sie ist brisant auch insofern, als IBM & Co. auf den Erfolg im Integrationsgeschäft angewiesen sind.

Der Grund für die Frage ist klar: Die Hardwarehersteller haben sich als "ideale" System-Integratoren selbst ins Gespräch gebracht. Integration ist zum meistgebrauchten Marketing-Schlagwort, in der DV-Branche geworden. Kunststück: Das Hardwaregeschäft ist rückläufig. Um genau zu sein: dasjenige Geschäft, das IBM, Siemens & Co" die Universalanbieter, betreiben - das Geschäft mit Mainframes und allem, was dazugehört. Doch immer mehr Anwenderunternehmen kommen davon ab, Informationsverarbeitung mit Mainframe-DV Ó la IBM gleichzusetzen.

Doch zurück zu der Frage, was von den Bekundungen der Mainframer in Sachen System-Integration zu halten ist. Ein klares ja für die Hardwarehersteller haben wir schon ausgesprochen: Wissen über Informationssysteme, was diese zu leisten vermögen, wird man ihnen nicht absprechen können. Doch dies ist erst die halbe Antwort. Als Therapeuten haben IBM, Siemens & Co. versagt. Die konventionelle Methode, Anwenderunternehmen eine Zentral-DV zu verordnen, hat sich als untauglich herausgestellt - gut nur für die Therapeuten.

Daß diese sich jetzt als geläutert präsentieren, kann man ihnen nicht einmal übelnehmen. Wo also ist der Widerhaken verborgen? Pikanterweise verrät uns IBM die richtige Formel: "Muß eine Beratung nicht eigentlich herstellerunabhängig sein?" Cornelius Schulz-Wolfgramm, Leiter der IBM-Unternehmensberatung für Informationsmanagement, wurde in der Kundenzeitschrift "IBM Nachrichten" so gefragt, um darauf die Antwort zu geben: "Herstellerunabhängig müßte man sein, wenn man einem Kunden bestimmte Produkte oder Dienste eines Herstellers empfiehlt. Das tun wir aber nicht." Geschenkt, Herr Schulz-Wolfgramm! Hören wir dazu die IDC-Meinung (siehe Seite 1.): "Hardwarehersteller und System-Integrator zu sein, widerspricht sich. Es gibt dabei immer Interessenkonflikte."