Professor Scholz spricht von Herausforderungen in der New Economy

Das "Commitment der Söldner" erschwert die Personalarbeit

23.06.2000
MÜNCHEN (hk) - Das Fehlen an qualifizierten IT-Spezialisten ist nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Personalabteilungen eine Herausforderung. Christian Scholz, Professor für Personalwirtschaft, Organisation und Informations-Management an der Universität Saarbrücken, markierte in einer Reihe von Roundtable-Veranstaltungen der COMPUTERWOCHE die wichtigsten Veränderungen.

Scholz bezeichnet die aktuelle Situation als Phase des "Darwiportunismus". Zum einen herrscht Darwinismus, da nur die fittesten Mitarbeiter überleben, die Schwachen werden aussortiert. Beispielsweise beschäftigen Startups in den seltensten Fällen ältere Mitarbeiter. Die Jungen, die Scholz als die "Generation Y" bezeichnet, sind mit Informationstechnik aufgewachsen. Sie verhalten sich opportunistisch: Zwar engagiert, aber auf Spaß an der Arbeit und den eigenen Vorteil bedacht. Loyalität ist ein Fremdwort.

Bewerber lassen Arbeitgeber zappelnIndem er die Personalarbeit von gestern und heute gegenüberstellte, verdeutlicht Scholz, worauf sich Unternehmen künftig einzustellen haben. Früher fand Personalarbeit in geordneten Strukturen statt, heute dagegen entscheiden der Markt und - vor allem in der IT - der Mitarbeiter. Früher durfte sich der Beschäftigte über eine Zusage des Arbeitgebers freuen, heute überlegen und prüfen Bewerber endlos und lassen den potenziellen Arbeitgeber zappeln. Konnte sich das Unternehmen in der Vergangenheit auf das Anheuern und die Pflege der Beschäftigten konzentrieren, läuft heute das Abwerben und das Wildern, neudeutsch "Poaching", auf Hochtouren, der Markt entscheidet über den Personalbestand, der Unternehmer ist nicht mehr Herr im eigenen Haus. Galt Firmenloyalität als hehres Gut, so spricht Scholz heute vom "Commitment der Söldner". Der Kandidat interessiert sich für einen interessanten Job, für einen Arbeitgeber der technologisch führend ist und bei dem er seinen Marktwert steigern kann. Das Gehaltsgefüge gerät häufig aus den Fugen. Zählte früher noch die Qualifikation und die Berufserfahrung, entscheiden jetzt primär Leistung und Marktwert. Der Wissenschaftler nennt in diesem Zusammenhang das amerikanische Modell der "hot skill premium". Das bedeutet, dass Mitarbeiter für eine gewisse Zeit, in der sie für ihre Qualifikationen besonders begehrt sind, einen überdurchschnittlichen Gehaltszuschlag bekommen.

Die Schwierigkeit für Personaler besteht nun darin, eine Unternehmenskultur zu installieren, auch wenn Beschäftigte nur kurze Zeit bei der Firma bleiben. Scholz meinte, es lohne sich, dafür viel Gehirnschmalz zu investieren, denn all seine Befragungen, die er in Unternehmen vornimmt, zeigen, dass die Mitarbeiter einen Mangel an Visionen und Orientierung bei ihren Chefs beklagen. Das Management nehme sich zu wenig Zeit herauszuarbeiten, warum es ein attraktiver Arbeitgeber sei. Man könne von der Konkurrenz jedes Vergütungssystem kopieren, was aber bleibt, sei eben das ganz Spezifische, das eine Firma auszeichnet, und das sollte sowohl nach außen als nach innen bekannt gegeben werden.