Voice-Service-Providing

Das Call-Center neuer Prägung

17.08.2001
MÜNCHEN (CW) - In der Service-Provider-Szene hat sich eine neue Spezies angesiedelt. Voice-Service-Provider (VSPs) wollen den Call-Center-Markt mit neuen Verfahren aufmischen.

Die Belastungsprobe erfolgte zu später Abendstunde. Während Hillary Clintons viel beachtetem Auftritt in der US-amerikanischen Late Night Show von David Letterman im vergangenen Januar schaltete die zweitgrößte Einzelhandelskette des Landes Sears, Roebuck & Co. eine Autobatteriewerbung mit eingeblendeter Telefonnummer. Gespannt verfolgten die Verantwortlichen die Bearbeitung der eingehenden Anrufe, denn erstmals wurde nicht mehr das eigene Call-Center bemüht, sondern das des jungen Startups Telera.

Der Anbieter scheint seine Sache gut gemacht zu haben, denn "diese Aktion selbst zu betreuen hätte für uns bedeutet, unheimlich viel Ressourcen zu verlagern. Wir konnten uns diesen Luxus aus Zeitgründen aber nicht leisten", erinnert sich Kevin McLinden, TK-Manager bei Sears. Telera und weitere Anbieter wie Tellme Networks, Bevocal und Voxeo sind Voice-Service-Provider (VSPs). Sie haben eine neue Form des Call-Center-Betriebs geschaffen, mit der sie Unternehmen vom Zwang befreien, sich eigene interaktive Anrufsysteme (Interactive Voice Response = IVR) anzuschaffen. Die Serviceunternehmen bieten TK-Dienstleistungen auf Basis aktueller Web-Techniken an.

Finanzielle Patt-Situation

"Wir bringen soeben den IVR-Markt zur Strecke", tönte Andy Scott, Marketing-Direktor bei Tellme Networks, einem in Mountain View, Kalifornien, ansässigen VSP. Worauf sein Selbstbewusstsein derzeit beruht, ist nicht eindeutig ersichtlich, denn bislang dominieren Anbieter wie Intervoice-Brite das Geschäft. Sie haben gute Kontakte zu den Carriern, einer wichtigen Abnehmergruppe derartiger Produkte, und reagieren mit eigenen Hosting-Angeboten auf neue Trends. Unter Kostenaspekten läuft der Vergleich zwischen dem IVR-Kauf und einer VSP-Miete auf ein Patt hinaus. Die Marktforscher von Giga Information Group errechneten für beide Angebote über einen Zeitraum von drei Jahren etwa die gleichen Kosten von rund 1,6 Millionen Dollar (für ein IVR-System, das pro Tag 5500 zweiminütige Gespräche abarbeitet beziehungsweise eine zugrunde liegende Miete von 14 Cent pro Anruf).

Datensammlung inbegriffen

Was die VSPs dennoch attraktiv erscheinen lässt, ist der Komfort der Angebote. Die Dienstleister arbeiten mit Spracherkennungssystemen, die dem Anrufenden Ansagen wie "Drücken Sie jetzt die Taste ´2´ am Telefon" ersparen, und können umfangreiche Informationen über die anrufende Kundschaft sammeln. VSP-Services kommen mit minimalen Aufwand an Mitarbeitern aus. Sie wandeln gesprochene Angaben in Textdateien um und nehmen Bestellungen auf. Die Dateien werden dem Auftraggeber übergeben, der dann die Produkt- und Werbeaussendungen starten kann.

Um derartige Dienstleistungen zu erbringen, müssen die VSPs in Vorleistung treten. In ihren Call-Centern müssen Voice-XML-Browser, Spracherkennungs- und -konvertierungssysteme, Sicherheitseinrichtungen, Lösungen für das Berichtswesen und die Abrechnung installiert werden. Zu Buche schlagen auch die TK-Kosten und die permanente und zuverlässige Betriebsbereitschaft - und das alles muss für den Massenansturm ausgelegt sein. Wie bei jedem xSP-Angebot ist daher die Frage nach der finanziellen Stabilität des Partners erlaubt.

Marktbeobachter raten derzeit, die VSP-Angebote nur in ausgewählten Fällen wahrzunehmen. So hätte Sears grundsätzlich auch das Anrufaufkommen selbst bearbeiten können, doch der Einzelhandelskonzern führte mit der Batteriewerbung eine neue Form der Kundenbetreuung ein. "Wir wollten mehr Informationen als nur Name und Adresse der Kunden", erläuterte Sears-Manager McLinden, ohne weitere Details über die gewünschten Angaben zu machen.