Die Rolle von SAP Hosting

Das Bindeglied zwischen ASP und SAP

02.03.2001
MÜNCHEN (jha) - Hecht im Karpfenteich oder barmherziger Samariter - welche Rolle spielt die Tochter des Walldorfer Softwarekonzerns SAP Hosting im ASP-, Application-Hosting- und Outsourcing-Markt?

Für die SAP sind die Vertriebsabläufe im Mittelstand klar gegliedert. An der Hierarchie Kunde-Partner-SAP gibt es nichts zu rütteln, es sei denn, es geht um Schlüsselprojekte wie das Application-Service-Providing (ASP) - da werden die Walldorfer schon mal schwach und packen selber an. Hand angelegt hat in diesem Fall der vor einem Jahr gegründete Geschäftsbereich SAP Hosting. In Eigenregie betreibt der von Hartmut Engel geleitete Unternehmenszweig ein ASP-Projekt mit einem Pilotkunden.

Ein heikles Thema, denn ASP-Dienste sind vornehmlich für kleine und mittlere Unternehmen gedacht, die wiederum von den SAP-Partnern betreut werden. Viele der Beratungs- und Projekthäuser tragen sich daher selber mit ASP-Gedanken und beäugen die Aktivitäten des großen Softwarelieferanten in diesem Umfeld mit Argwohn. "Den ASP-Dienst betreiben wir nur, um Erfahrungen in diesem Segment zu sammeln", wiegelte Engel daher bei seinem Auftritt auf der "Executive Konferenz 2001" ab. Vor der kritischen Partnerschar, die zu der von Strategy Partners, Valumark und Raad Consulting ausgerichteten Veranstaltung gekommen war, versuchte er, wohlwissend um die Bedeutung der Beratungshäuser für SAPs Erfolg im Mittelstand, jeden Konkurrenzverdacht beiseite zu räumen.

SAP Hosting strebt keinen Serviceumsatz anDie SAP Hosting sei das Bindeglied zwischen dem Mutterkonzern und den Partnern mit ASP-Ambitionen. "SAP Hosting verfolgt nicht das Ziel, Serviceumsatz zu machen, sondern will das Thema Hosting in all seinen Ausprägungen zur Marktreife führen." Mittel zu diesem Zweck ist unter anderem die Unterstützung der angehenden ASPs durch Beratungsleistungen (siehe Kasten "SAP Hosting"). Ein wesentlicher Bestandteil der SAP-Hosting-Aktivitäten ist die Zertifizierung der ASPs. Sie müssen einen Begutachtungsprozess durchlaufen, in dem ihre technische Infrastruktur, die Angebotsqualität sowie das Geschäftsmodell durchleuchtet werden.

Trotz Engels Ausführungen bleiben Kritik und Zweifel. In seiner jungen Geschichte bei der Zertifizierung von ASP-Partnern erlebte SAP Hosting beispielsweise schon das erste Waterloo. Hostlogic, ausgestattet mit SAP-Prädikat und Vorschusslorbeeren, weil der Anbieter die Walldorfer ERP-Software mit Siebels Customer-Relationship-Management-(CRM-)Lösung verschmolz, zog sich klammheimlich aus den Markt zurück. Dem mit Venture Capital versehenen Unternehmen flossen in der zweiten Finanzierungsrunde keine Geldmittel mehr zu.

Das Ende eines zertifizierten SAP-PartnersDas üppig mit Vertriebsniederlassungen, aber spärlich mit Kunden ausgestattete Unternehmen entließ daraufhin einfach die Mitarbeiter, trennte die Server vom Netz und ließ Anwender wie Gläubiger im Regen stehen. Einen sauberen Rückzug etwa in Form eines Konkursverfahrens hat es bislang nicht gegeben.

"Was ist ein SAP-Zertifikat überhaupt wert?" fragt Helmuth Gümbel vor diesem Hintergrund zu Recht. Doch der von dem Münchner Strategy-Partners-Analysten eingeforderten Überprüfung des finanziellen Hintergrunds der Partner im Rahmen des Zertifizierungsprozesses widersetzt sich Engel vehement: "Wir können doch nicht die Bücher prüfen!" Folgerichtig wendet sich Gümbel an alle Anwender, die künftig Leistungen von einem ASP beziehen wollen, mit dem Rat: "Finger weg von Anbietern, die mit Risikokapital finanziert werden."

Über die künftige Rolle der SAP und von SAP Hosting im ASP-Markt gehen die Meinungen von Analysten und Vertretern des Softwarekonzerns stark auseinander. Immer wieder betonte Engel, dass die SAP keinerlei Ambitionen als Anbieter von ASP-Service habe: "Unser Ziel ist das Lizenzgeschäft. Beim Thema ASP geht es uns allein darum, dass die SAP mit im Boot sitzt."

ERP-Software eine marginale KomponenteDoch diese Abstinenz wird sich der ERP-Anbieter nach Meinung der Marktbeobachter nicht lange leisten können. "Auf jede Mark, die mit Softwarelizenzen umgesetzt wird, entfallen 20 Mark im ASP-Geschäft", rechnete Strategy-Partner-Analystin Karin Henkel dem SAP-Manager vor. Zu einer regelrechten Werteexplosion kommt es bei der logischen Weiterentwicklung des ASP-Ansatzes zum Business Process Outsourcing (BPO): Hier beträgt das Verhältnis zwischen Umsatz mit Softwarelizenzen und dem Geschäftsprozess-Outsourcing eins zu 200. Können es sich die Walldorfer erlauben, diesem Markt fern zu bleiben? Nein, meint Henkel: "SAP muss sich als Dienstleister etablieren, um nicht vom Markt zu verschwinden."

Noch ist eine solche Bedrohung theoretischer Natur, denn sie beruht auf einem Gedankenspiel: Wenn die Kunden von einem ASP Leistungen beziehen und diese Schritt für Schritt zu BPO-Angeboten ausbauen, dann wird die zugrunde liegende Software zu einer marginalen Komponente. Dem Anwender ist es egal, ob seine ausgelagerten Geschäftprozesse auf einer Lösung von SAP, Baan, J.D.Edwards oder Oracle basieren, so lange die Prozesse sauber abgebildet werden. Die Entscheidung für eine Software obliegt dem Dienstleister. In der Folge würde die SAP den Kontakt zum Kunden verlieren. Zudem schwinden die Margen der SAP wie auch aller anderen reinen Softwareanbieter, weil die Dienstleister Lizenzen im großen Stil ordern können.

Unbekannte Größe Microsoft/Great PlainsEs bestehen noch weitere Zwänge, die SAP beziehungsweise SAP Hosting in den ASP-Dienstleistungsmarkt treiben könnten, denn mit der Kombination aus Microsoft und Great Plains gibt es eine neue, unbekannte Größe im ERP-Markt. Durch die Verknüpfung der Great-Plains-Software mit Microsofts .NET-Strategie hätte der Softwaremarktführer sich die Basis für den Einstieg in das Geschäft mit Mietsoftware geschaffen, und "dann muss auch SAP folgen", erwartet Henkel.

Noch hat Microsoft seine Pläne mit der erworbenen ERP-Software nicht offen gelegt. Außerdem spielt Great Plains derzeit in einer anderen Liga als SAP, denn der US-Anbieter, der in Deutschland nur über die zugekauften Apertum-Produkte präsent ist, bedient kleine und mittlere Unternehmen - die allerdings sind die bevorzugten Adressaten der ASP-Offerten, und an denen finden auch die SAP und ihre Partner Gefallen. An die Adresse der SAP-Partner richtet Henkel daher die Warnung: "Derzeit ist SAP Hosting kein Wettbewerber im ASP-Geschäft. Das könnte sich aber spätestens im Jahr 2004 ändern."

SAP HostingDie SAP Hosting spielt als direkter Anbieter von ASP-Diensten derzeit keine Rolle. Mit lediglich einem Pilotkunden testet das Unternehmen gerade den ASP-Baukasten "Connect & go", der im nächsten April als lokalisierte Ausführung auf den deutschen Markt kommen soll. Diese Software bietet SAP Hosting potenziellen ASPs an, sie enthält generische R/3-Funktionen, ist also branchenunabhängig, kann aber von Partnern ausgebaut werden.

SAP Hosting übernimmt im Bereich der Mietsoftware nur beratende Funktionen für die Partner, versteht sich also als deren Competence-Center. Zu den Leistungen zählen technische Workshops, Schulungsprogramme für das Application-Management,-Hosting und -Service-Providing sowie ein Partnerportal, Newsletter und das Zertifizierungsprogramm.

Nebenher übernimmt SAP Hosting das Hosting für sieben Marktplätze und bietet SAP-Kunden das Implementation-Hosting an. Letzterer Dienst wird zur Zeit von rund 15 Kunden genutzt. Sie beziehen während einer Projektphase die Infrastruktur zum Betrieb ihrer IT von SAP Hosting.

Abb: SAP und ASP

In allen ASP-Bereichen bringt sich SAP in Stellung. Quelle: SAP AG 2000