Das Beste ist nicht gut genug

15.09.1989

Es ist schon merkwürdig. Da geraten Computerfirmen - in USA, in Europa - reihenweise in Schwierigkeiten, und wo wird über die Branchenmisere laut nachgedacht? Die Blitzantwort "Paderborn" bringt keine Punkte. Lowell (Wang), Natick (Prime), Minneapolis (Control Data), Westboro (Data General), Tustin (MAI), London (ICL), Paris (Bull), Ivrea (Olivetti): Fehlanzeige auf der ganzen Linie.

Da ist der Norweger Rolf Skar. Er bestimmte über zwei Jahrzehnte hinweg den Kurs des Minicomputer-Herstellers Norsk Data. Und er war kein schlechter Firmenchef. So gut kann er auch nicht gewesen sein, werden Industriebeobachter einwenden. Denn bei Norsk Data hat es im vergangenen Jahr einen Knick nach unten gegeben, die größte norwegische Computerfirma rutschte in die roten Zahlen. Im August '89 verließ Skar das Unternehmen.

Was der Ex-ND-Manager heute über die Gründe für das Scheitern von Norsk Data sagt (Seite 5), verdient branchenweite Beachtung. Das ist Oberhaupt nicht wehleidig, es ist ganz

einfach wahr: Ein leidlich etablierter Mini-Anbieter muß zusehen, wie die Marktentwicklung, hin zu PCs, Workstations und Netzen, hin aber auch zu offenen Systemen (Unix!), an ihm vorbeiläuft. Mit der Aufgabe, neue Märkte zu besetzen, ist er finanziell überfordert - und der alte (Minicomputer-)Boden trägt nicht mehr. Was den Kundenpark betrifft: In einem Markt, der sich zunehmend an Standards orientiert, bilden Norsk-Data-Anwender eine verschwindend kleine Minderheit - mit proprietären Systemen ist da kein größerer Auftrag mehr zu gewinnen, auch wenn der Hersteller, in diesem Fall Norsk Data, technologisch sein Bestes gibt. Das Beste ist eben nicht gut genug.

Was nicht heißen soll, daß "proprietär" immer ein negatives Attribut wäre. Es kommt auch hier auf den Betrachter an. IBM-Kunden sehen das anders als Norsk-Data-Kunden. Damit sind wir bei IBM - und wieder bei Rolf Skar: Das Dickschiff "Big Blue", so Skar sinngemäß, könne jede Techno-Welle, ob Mini, Mikro oder LAN-Server, gelassen ausreiten. Welcher IBM-Mainframe-Kunde wäre schon einmal in Verzweiflung geraten über die widersprüchlichen Aussagen seines VBs in Bezug auf die Verfügbarkeit von Unix-Maschinen! Bei IBM, und nur bei IBM, das will Skar wohl sagen, ist das Bewährte (/360 forever!) immer noch gut genug.

Daran geht letztlich die ganze Branche kaputt, womit wir bei einem anderen Punkt der Skar-Aussage wären: Welch ein Aberwitz, daß sich die IBM-Konkurrenten - und insbesondere die europäischen DV-Hersteller - noch gegenseitig die Butter vom High-Tech-Brot nehmen. Ein Bündnis der Kleinhersteller, eine "Entente core-diale" sei angesagt. Skar spricht nur aus, was viele andere auch denken: Die Verhältnisse sind nicht so, daß sich die Kleinen auf Dauer gegen den Quasi-Monopolisten IBM am Computermarkt behaupten können.

An der Pader scheint man diese bittere Medizin noch nicht schlucken zu wollen. Die Leichtfertigkeit etwa, mit der Klaus Luft mit Fakten umgeht, um die Wende gleichsam herbeizuzaübern, die Trotzhaltung auch, die Lufts Handeln bestimmt: Nichts läßt erkennen, daß der Nixdorf-Chef zur Sache gehen will. Aber vielleicht tun wir Luft ja unrecht. Die neue Adresse von Rolf Skar dürfte ihm sicherlich bekannt sein. Man könnte ganz privat über das Minderheiten-Problem reden.