Mitarbeiterstruktur in den DV-Berufen ändert sich schnell

Das Ausbildungsniveau in der DV ist seit 1980 stark gestiegen

13.04.1990

Deutschlands Datenverarbeiter sind älter, gebildeter und öfter weiblichen Geschlechts als ihre Kollegen vor zehn Jahren (siehe COMPUTERWOCHE 11 vom 16. März 1990, Seite 127). Offensichtlich vollzieht sich ein tiefgreifender Strukturwandel in den DV-Berufen.

Mittlerweile können die DV-Berufe auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken, in der sich Aufgaben, Status, Qualifikationen und Selbstverständnis immer wieder verändert haben. Allerdings basieren die meisten Kommentare und Stellungnahmen eher auf Gefühl und persönlichen Einschätzungen. Daten waren nur schwer zu erhalten und noch schwerer zu interpretieren. Man sollte meinen, daß die Möglichkeiten komplexer statistischer Analyse helfen sollten, hier mehr Transparenz zu schaffen. Doch weder die Ausgangsdaten noch die Methoden sind ausreichend, um erforderliche Klarheit über die Berufssituation in diesem immer noch nebelhaften Berufsfeld zu erhalten.

Als ein kleiner Beitrag zur Diskussion ist die folgende Analyse gedacht, in der, ausgehend von der Altersstruktur zu zwei Zeitpunkten, einige Hinweise zu dem Strukturwandel in den DV-Berufen abgeleitet worden sind.

Alterspyramide der DV-Fachleute

Die im Bild dargestellte Alterspyramide enthält die in den letzten zehn Jahren sozialversicherungspflichtig beschäftigten DV-Fachleute. Es sind also jene, die vorwiegend als Angestellte, einige wenige vielleicht auch als Arbeiter, tätig waren. Nicht berücksichtigt sind die Selbständigen, die Beamten und die freiwillig Sozialversicherten beziehungsweise jene, die nur eine geringfügige Beschäftigung hatten.

Es ergeben sich folgende sechs Felder:

A) Als DV-Fachleute tätige Männer, die bereits vor zehn Jahren als DV-Fachleute tätig waren.

B) Als DV-Fachleute tätige Frauen, die bereits vor zehn Jahren als DV-Fachleute tätig waren.

C) Als DV-Fachleute tätige Männer, die in den letzten zehn Jahren neu in dieses Berufsfeld

eingestiegen sind.

D) Als DV-Fachleute tätige Frauen, die in den letzten zehn Jahren neu in dieses Berufsfeld

eingestiegen sind.

E) Vor zehn Jahren als DV-Fachleute tätige Männer, die mittlerweile aus diesem Beruf oder aus der Erwerbstätigkeit ausgestiegen sind.

F) Vor zehn Jahren als DV-Fachleute tätige Frauen, die mittlerweile aus diesem Beruf oder aus der Erwerbstätigkeit ausgestiegen sind.

Jede dieser Gruppen hat ihre eigene Charakteristik. Daraus erklären sich manche Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt:

"Alteingesessene Männer" (A)

Bei dieser Gruppe handelt es sich um das größte Segment in diesem Berufsfeld: Es umfaßt etwa 76 000 Personen. Sie haben ein Durchschnittsalter von 43 Jahren.

Der Anteil der Hochschulabsolventen ist hier mit 18 Prozent nicht allzu hoch. Die meisten aus dieser Gruppe hatten zunächst eine andere Ausbildung und haben sich ihre Computerqualifikationen nachträglich erworben. Bei diesen Fachleuten ist die Erfahrung groß, insbesondere die älteren unter ihnen haben schon mehrere Computergenerationen kommen und gehen sehen. Sie besetzen auch die Führungspositionen im DV-Bereich.

Diese Fachleute mit Mischqualifikation und solider Erfahrung sind das Rückgrat jeder DV-Abteilung. Sie prägen auch den Arbeitsstil, legen die Arbeitsteiligkeit fest und tragen meist auch die Verantwortung für die Arbeit der DV-Abteilung.

Der größte Teil dieser Gruppe ist zwischen 40 und 50 Jahre alt. Über 60 Jahre sind nur ganz wenige, da es sich immer noch um ein junges Berufsfeld handelt und meist nur jüngere Leute neu einsteigen. Diese Leute werden also auch in den nächsten Jahren die Geschicke und die Mentalität der DV-Abteilungen bestimmen.

"Neue Männer" (C)

Dies ist das zweitgrößte Segment mit etwa 70 000 Personen. Sie haben ein Durchschnittsalter von 30 Jahren. Der Anteil der Hochschulabsolventen liegt in dieser Gruppe bereits bei 40 Prozent.

Hier machen sich die Informatiker und die Absolventen aus anderen nahestehenden Fachrichtungen bemerkbar. Auch in die DV umgeschulte, vorher arbeitslose Akademiker gehören zu dieser Gruppe.

Diese jungen, oft recht dynamischen Neueinsteiger erarbeiten sich derzeit Führungspositionen. Sie sind fachlich meist anders ausgerichtet, da sie die frühen Computergenerationen nicht kennen und recht unbefangen mit den heutigen Möglichkeiten umgehen: Sie nutzen Rechenkapazität und Speicherplatz recht großzügig, stützen sich auf umfangreiche Softwaresysteme, versuchen nicht, immer wieder neue Programme zu schreiben, kurzum, sie gehören einer neuen Generation von Fachleuten an.

"Alteingesessene Frauen" (B)

Dies ist eine relativ kleine Gruppe: Es sind etwa 12 000 Personen. Ihr Durchschnittsalter liegt bei 41 Jahren. Nur sieben Prozent verfügen über einen Hochschulabschluß.

DV-Berufe sind zwar in der Frühzeit der Computersaurier, in den 40er Jahren, durchaus Frauenberufe gewesen: Die Männer bauten die Hardware, die Frauen machten die Software. Doch das hat nur sehr kurz vorgehalten. In der Folgezeit wurde die Software fast nur noch von Männern entwickelt.

Einige von diesen alteingesessenen Frauen haben auch Karriere gemacht, aber eben doch nur sehr wenige. Die meisten sind weiterhin in untergeordneter Position tätig, als Assistentinnen, als Sachbearbeiterinnen oder als Teammitglieder in der Software-Entwicklung.

"Neue Frauen" (D)

Die Situation scheint sich mittlerweile zu ändern: Zwei Drittel der heute in DV-Berufen tätigen Frauen sind in den letzten zehn Jahren eingestiegen. Sie sind deutlich besser qualifiziert (28 Prozent verfügen über einen Hochschulabschluß), haben ein niedriges Durchschnittsalter (29 Jahre) und sind durchaus auch an einer Karriere interessiert.

In den heutigen Ausbildungsgängen sind bei den Mathematisch-Technischen Assistenten und in den Berufsfachschulen die Frauen in der Überzahl. In den Informatik-Studiengängen allerdings stellen sie derzeit erst ein Viertel der Studenten. Studiendauer und Prüfungserfolg sind nicht geschlechtsspezifisch: Abbruchquote und erforderliche Semesterzahl unterscheiden sich nicht oder nur geringfügig.

Bei Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen sind die Frauen mit 47 Prozent gut vertreten. Allerdings sind sie häufiger in den kürzeren Maßnahmen zu finden. Bei Fortbildungsveranstaltungen, die länger als 12 Monate dauern, sinkt der Frauenanteil auf 30 Prozent.

"Aussteiger" (E)

Immer wieder wird darüber gerätselt, wann DV-Fachleute das Handtuch werfen. Wann haben sie genug von einem Beruf ohne Kontinuität, der immer wieder neue Herausforderungen stellt, in dem Hektik und Streß oft kaum noch zu bewältigen sind?

Nach den hier vorliegenden Daten gibt es nur wenige Aussteiger. In den letzten zehn Jahren waren es etwa 8000 Datenverarbeiter, die ihren Beruf verlassen haben. Es waren nicht die schlecht Ausgebildeten: Der Anteil der Hochschulabsolventen in dieser Gruppe liegt auf ähnlichem Niveau wie bei den Alteingesessenen.

Der Ausstieg erfolgt entweder zwischen 40 und 50, später wieder ab 58. Wie auch in anderen Berufen erreichen nur wenige das Pensionierungsalter von 65 Jahren. Offenbar ist es üblich, schon etwas früher zu gehen. Dies kennen wir bisher vor allem aus den Fertigungsberufen, weniger aus den Büroberufen. Doch hier scheint sich die Schnell-Lebigkeit des Arbeitsgebietes auszuwirken.

"Aussteigerinnen" (F)

Bisher sind nur wenige DV-Frauen ausgestiegen (etwa 800). Das liegt wohl daran, daß es auch nicht viele ältere in diesem Berufsfeld gibt. Sie stiegen meist erst dann aus, wenn sie die Altersgrenze erreicht hatten.

Trends

Folgende Trends lassen sich ableiten:

- Die Datenverarbeiter werden zwar älter, durch das massive Wachstum des Berufsfeldes strömen aber junge Absolventen hinein und halten das Durchschnittsalter niedrig.

- Einen Ersatzbedarf aufgrund des Altersabgangs wird es in den nächsten Jahren kaum geben. Manche Datenverarbeiter steigen allerdings vorzeitig aus.

- Der Frauenanteil nimmt zwar langsame aber kontinuierlich zu.

- Bei den Neueinsteigern achten die Arbeitgeber auf gute formale Qualifikationen. Ohne Abitur beziehungsweise Hochschulstudium wird es immer schwieriger werden, in dieses Berufsfeld einzusteigen. Natürlich kann eine derartige Datenanalyse nur formale Strukturen bewerten. Die individuelle Situation kann durchaus abweichend sein.