Ideenwettbewerb in Indien

Daimler veranstaltet IT-Hackathon in Bangalore

18.02.2015
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Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Bei Berichten über die Verlagerung von IT-Diensten nach Indien stehen in der Regel interkulturelle Probleme oder - positiv betrachtet – Einsparmöglichkeiten im Vordergrund. Ein von Daimler veranstalteter IT-Hackathon in der indischen Niederlassung in Bangalore demonstriert, welch enormes Potenzial in der vorhandenen Kreativität und schnellen Umsetzungsgabe liegt.
Das Sieger-Team "Unreal" mit Daimler-CIO Dr. Michael Gorriz und MBRDI-Chef Manu Saale.
Das Sieger-Team "Unreal" mit Daimler-CIO Dr. Michael Gorriz und MBRDI-Chef Manu Saale.
Foto: Daimler

Der IT-Hackathon ist Teil der Digital-Life-Initiative von Daimler, die vor vier Jahren gestartet wurde. Ausgangspunkt der darin gebündelten Aktivitäten war die Fragestellung, wie Mobile, Social und andere digitale Aspekte das Leben und Arbeiten bei Daimler beeinflussen. Das Spektrum von Digital Life umfasst die Gestaltung des Arbeitsplatzes, neue Wege der Kundenkommunikation, die Integration von Social und Mobile ins Auto sowie neue Geschäftsmodelle, um Autoproduktion und -verkauf zu erweitern.

Nach dem erfolgreichen Auftakt im Mercedes Benz Museum in Stuttgart im Februar 2014 hatten nun die aktuell 1100 IT-Mitarbeiter im südindischen Bangalore die Gelegenheit, in dem 24-stündigen Wettbewerb ihr Können unter Beweis zu stellen. Insgesamt 38 Teams mit über 100 Teilnehmer machten sich dazu am 10. Februar um 10 Uhr morgens ans Werk, ihre Ideen in konkrete Projekte und teilweise sogar Produkte umzusetzen. In punkto Themenstellung wurde den Teams die größtmögliche Freiheit gelassen, die Ideen sollten jedoch in irgendeiner Verbindung mit Digital Life stehen.

Wobei die Bezeichnung Ideenwettbewerb nicht weit genug greift: Als Daimler-CIO Dr. Michael Gorriz nach 24 Stunden den Wettbewerb beendete, gab es weit mehr als nur Powerpoint-Präsentationen zu bestaunen. Einige Teams hatten nach Ablauf der Zeit sogar weitgehend einsatzfähige Produkte vorzuweisen. Das Spektrum der ausge"hackten" Lösungen reichte von einem neuen (lauffähigen) Web-Portal mit verschiedenstes Informationen und Services für Daimler-Mitarbeiter, über einen internes Chat-Programm mit Echtzeit-Übersetzung via Google Translate, bis hin zu einer Android-App, die den Standort des morgendlichen Shuttle-Buses zur Arbeit in Echtzeit anzeigt.

Natürlich waren auch weniger spektakuläre Projekte dabei, etwa mehrere Versuche, für Daimler-Mitarbeiter eine Art Craigslist oder Ebay hochzuziehen. Immerhin - nicht viel anders hatten Ende des vergangenen Jahrtausends die Samwer-Brüder die Grundlage für ihr Millionen-Euro-Copycat-Imperium geschaffen.

Mercedes C-Klasse meets Xbox One

Neben viel Programmiercode kamen bei manchen Projekten auch Hardware-Komponenten zum Einsatz. So versuchte ein Team, für realistische Videorennspiele Lenkrad und Pedale eines aktuellen Mercedes über das Steuerungssystem mit einer Xbox One zu verbinden. Hochspannend und trotz kurzer Entwicklungszeit nahezu einsatzfähig war auch ein Health Monitoring System, das über im Sitz integrierte Sensoren die Biodaten des Fahrers misst und interpretiert. Im Ernstfall - während des Pitches wurde dazu mit einem Lötkolben hohes Fieber simuliert - leitet das System sogar remote eine Notbremsung ein.

Das Projekt Health Monitoring System war schließlich auch eines der besten drei, die in zwei Abstimmungsrunden von den teilnehmenden Teams ausgewählt wurden. Auf dem zweiten Platz landete ein Smart-Printing-System von Team Elegant, das aufzeigte, wie man mit nur 500 Zeilen Code den unnötigen Ausdruck von Dokumenten auf mehreren Printern vermeiden könnte. Sieger war schließlich "Digital Sense" von Team Unreal, ihre Idee war es, Spezifikationen, Bilder oder sogar Videos der in einem Showroom ausgestellten Fahrzeuge via NFC auf das Smartphone des Verkäufers oder Interessenten zu übertragen.

Während den Gewinner-Teams nun ein Wochenende mit einem Mercedes samt Fahrer winkt, werden die entwickelten oder prämierten Lösungen in einem nächsten Schritt im Open-Space-Gremium vorgestellt und diskutiert. Eine Garantie für eine Umsetzung gibt es allerdings nicht. Wie Dr. Gorriz ausführte, hätten aber einige Ideen sehr reele Chancen, über kurz oder lang auch umgesetzt zu werden. So sei das Thema Shuttle-Service angesichts der Verkehrsverhältnisse in Bangalore ein tatsächliches Problem. Bedarf sieht er auch bei Find me - eine ähnliche Idee, auf einer digitalen Karte den Sitzplatz von Kollegen anzuzeigen und eine Suchfunktion zu bieten, habe es auch auf dem ersten IT-Hackathon in Stuttgart gegeben. Das prämierte Health Monitoring System bezeichnete der Daimler-CIO zwar als spannend, jedoch schwer umzusetzen.

Mehr als verlängerte Werkbank von Stuttgart

Interessant fand Dr. Gorriz die Tatsache, dass viele der in Indien entwickelten Ideen stark technisch orientiert und sehr praktisch waren, während es in Deutschland mehr um Prozessoptimierung gegangen wäre. Letztendlich habe der Hackathon demonstriert, dass die in Bangalore angesiedelte IT mehr als eine verlängerte Werkbank von Stuttgart, nämlich ein integrativer Teil der Gesamt-IT sei.

Manu Saale, Managing Director und CEO von Mercedes-Benz Research & Development India Private Limited (MBRDI), bezeichnete den Hackathon als eine großartige Erfahrung für alle Mitarbeiter und das Management. Es sei interessant gewesen, die Begeisterung und den Innovationsgeist aller Teilnehmer zu beobachten und zu erfahren, was in 24 Stunden rund um die großartigen Vorschläge entstehen kann.

MBRDI in Bangalore ist das größte Forschungs- & Entwicklungszentrum von Daimler außerhalb Deutschlands und trägt zu zahlreichen R&D- und IT-Aktivitäten des Automobilkonzerns bei. So befindet sich dort etwa die größte CAE-Niederlassung außerhalb Deutschlands, das 1100-köpfige IT-Team erbringt Infrastrukturdienste sowie SAP- und Rollout-Services für den Gesamtkonzern.