"... da werden die armen Kerle vor ein Terminal gesetzt"

30.01.1981

Mit Hans Wulff, Leiter des Bildungswesens bei Honeywell Bull, sprach Helga Biesel

þHat der Mensch, der zum erstenmal vor einer Anlage der Basis-DV steht und damit arbeiten soll, beim Erwerb der Anlage mitgesprochen?

... in der Regel nicht.

þWer sind die Anwender von Basis-DV? Gibt es da Charakteristisches?

Das sind Unternehmen mit zwischen zehn und hundert Mitarbeitern quer durch die Branchen, sogenannte Ablösefälle von Mittlerer Datentechnik, Magnetkontencomputern etc.

þWo in der Unternehmenshierarchie steht denn der tatsächliche Erstanwender, also der, der dann am Bildschirm sitzt?

Es kommen Leute aus der Buchhaltung, auch Lehrlinge, EDV-lnteressierte und entsprechende Leute aus den Fachabteilungen. Eine bestimmte Sorte von Erstanwendern gibt es nicht, aber über 60 Prozent unserer Schüler sind jung, so zwischen zwanzig und dreißig.

þWelche schulischen Voraussetzungen bringen sie mit?

Sie kommen aus der Handelsschule, haben eine kaufmännische Lehre absolviert, sind Sachbearbeiter; einige sind auch graduierte Betriebswirte. Mit diesen Voraussetzungen kommen wir sehr gut zurecht.

þWie sieht das denn nun mit dem emotionalen Einstieg aus? Den Leuten sind die Anlagen teilweise "aufgebrummt" worden, sie haben massive Vorurteile, sie haben aber auch begründete Befürchtungen. Darum müssen Sie sich ja wohl auch kümmern. Wie machen Sie das?

Tja, wie sehen die Anfänger emotional aus? Sie schwanken zwischen Angst und Begeisterung. Sie wissen aber, die Arbeitsplätze der Zukunft haben mit Datenverarbeitung zu tun und sie wissen, daß sie mit EDV-Wissen bessere Chancen haben als ohne. Dennoch ist da eine instinktive Scheu vor der Maschine. Warum, wissen sie nicht genau.

Niemand kommt hier zitternd an. Im Gegenteil, sie sagen: Das ist prima; wir sind ganz begeistert; `ne neue Branche und da freuen wir uns drauf. Aber innere unausgesprochene Ängste haben sie schon!

þAlso eine ganz ambivalente Haltung?

Das kann man sagen!

þWelche Fehler werden in dieser Phase der Unsicherheit am häufigsten gemacht?

Genau an dieser Stelle liegt die höchste Anforderung an das pädagogische Feeling unserer Instruktoren. Und wir investieren hier relativ mehr Mittel gerade in die Erstausbildung, als wir das später bei der Weiterbildung tun müssen. Wir sagen unseren Schülern, daß der Computer höchstens 50 Prozent der Gesamtleistung bringt. Der Mensch muß also noch eine ganze Menge dazu tun. Es geht nicht einfach um eine Wissensvermittlung, sondern es geht um eine völlig andere Art des Denkens.

þZurück zu dem Punkt "Unsicherheit": Welche Fehler dürfen in diesem Stadium auf gar keinen Fall gemacht werden?

Ein ganz schlimmer Fehler wäre, in sehr großen Gruppen von vielleicht 40 Leuten zu unterrichten und die traditionelle Form der Vorlesung zu praktizieren. Dann kommt mit tödlicher Sicherheit bei mindestens 80 Prozent totaler Frust dabei heraus.

þ... und dazu Zeugnisse verteilen?

. . . und dazu benotete Zeugnisse verteilen und diese an die Unternehmensleitung schicken und sagen: "Also der war wohl nichts." Das ist absolut tödlich!

þWelche Motivationshilfen kann denn aber ein EDV-lnstruktor überhaupt anbieten? Es soll Lehrer geben, die nach der Methode verfahren: Friß oder stirb!

Ja, das stimmt. Ich hoffe, daß es sie bald bei den Herstellern nicht mehr geben wird. Wir bilden Gruppen von zwanzig Personen, maximal; Teamteaching nennen wir das; wir haben pro Gruppe zwei Instruktoren und halten in höchster Priorität die ständige Kontrolle der Lernschritte. Wir investieren viel in Medien, also Metaplantechnik, Videokamera mit Monitoren etc. Wir beobachten die gruppendynamischen Prozesse; wir bauen das "Fremdeln" ab, etc.

þWelches anlagenunabhängige Basis-Wissen muß jeder EDV-Erstanwender haben?

Inhalt des Basis-Seminars muß sein: Prinzip der Datenverarbeitung; Datenorganisation; maschinelle Datenverarbeitung; Datenträger; Zentraleinheiten und Peripherie; Zahlensysteme; Betriebssysteme; Betriebsarten; GIundlagen der Programmierung; Programmentwicklung; Programmtechnik; Programmierlogik. - Das ist das, was wir zusammengefaßt in zwei Wochen schulen. Programmieren kann der Teilnehmer dann noch nicht.

þWas kostet das?

Der Kurs kostet 2100 Mark.

þWie geht es dann weiter?

Das neue Wissen muß sich erst einmal festigen. Erst nach einer gewissen Zeit setzen wir dann den zweiten Teil der Grundausbildung auf dieses Fundament. Das ist dann der Einstieg in eine Hochsprache, bei uns Cobol 74; hier sind wieder zwei Wochen als Lernzeit vorgesehen, und des kostet wieder 2100 Mark.

þMacht sich die "höhere Bedienerfreundlichkeit " - damit renommieren ja alle Hersteller - durch verminderte Schulungszeit bemerkbar?

Ja, in gewisser Weise. Insbesondere trifft das auf Dialogcomputer zu: Der höhere Komfort in der Bedienerführung hat jedoch den zeitlichen und finanziellen Aufwand für die Grundlagenvermittlung nicht geringer werden lassen.

þKönnen Sie insgesamt eine Relation angeben von jetzt gegenüber früher?

Der Vergleich geht andersrum. Die Betriebssysteme sind wesentlich aufwendiger geworden. Der Nutzen dieser komplizierten Betriebssysteme liegt an der Stelle, wo der Endbenutzer sitzt. Das hat aber auf die Schulung keine Auswirkung.

þMit anderen Worten: Zeit und Kosten der Erstausbildung sind ziemlich gleichgeblieben, aber der Effekt ist wesentlich höher.

So ist es.

þWas halten Sie von Teachware?

Gute Frage. Wir beschäftigen uns im Moment konkret damit in Bezug auf Rechner, die noch kleiner als Basis-DV sind. Größenordnung 20 000 bis 30 000 Mark Kaufpreis. Mittelfristig - wir überlegen das aber noch - wollen wir Teachware auch für größere Maschinen ins Spiel bringen. Teachware würde dann im wesentlichen für Mitarbeiter von Kunden gemacht, die - nachdem die Maschine dort schon eine ganze Weile im Einsatz ist - nachträglich in die ganze Geschichte hineinwachsen. Man erleichtert damit dem Kunden die Nachschulung.

þTeachware also nicht anstatt Schulung, sondern zusätzlich.

... bei den ganz kleinen Computern anstatt Schulung, bei den größeren zusätzlich.

þKann der Erstanwender, wenn er dann "an die Maschine entlassen" wird, sich noch an seinen "alten Lehrer"; den erkennt, zu dem er Vertrauen hat, wenden, oder ist er gleich auf einen anonymen Service, eine routinierte Ferndiagnose angewiesen, die ihn möglicherweise verprellt und wieder kopfscheu macht? Könnte man den Instruktor nicht so ansehen, wie die viel beschrieene "Bezugsperson", die bekanntlich wichtig ist für das Lernen und insbesondere Vertrauenlernen von Kindern. Der Lehrer hat, was die psychologische Seite angeht, geradezu eine Schlüsselposition.

Das ist richtig. Wir haben eine außerordentlich große Summe späterer Kontakte, und es gibt eine Menge Freundschaften. Auffallend sind die vielen guten Beziehungen zu den Lehrern der ersten Stunde.

þIst diese Kontaktpflege institutionalisiert. Ist die notwendige Zeit dafür ' in den Stundenplänen vorgesehen?

Das wird ganz locker gesehen! Da wird in den Pausen telefoniert oder abends zu Hause und so . . .

þWerden die Schüler auch dazu aufgefordert das zu tun?

Ja. Außerdem gibt es Kontakte mit den Kundendienstmitarbeitern im Geschäftsstellenbereich. Manche Dinge werden in Konferenzschaltung telefonisch erledigt.

þNun gibt es ja ganz andere Ansätze in der Erstanwender-Ausbildung.

Was haben Sie dazu zu sagen?

Es gibt divergierende Meinungen. Zum Beispiel schickt man Programmierte Unterweisungen für die Einsteiger ins Land. Das mag gut gemeint sein, wir haben das früher auch gemacht, aber das geht voll in die Hose.

þSie meinen, die Wirkung verpufft?

Ja. Wir machen das nicht mehr. Außerdem gibt die sogenannte Blackbox-Methode. Da werden dei armen Kerle vor ein Terminal gesetzt, dem müssen sie was eingeben, und dann sagt das wieder was etc. oder eben nicht etc. Das löst auch Frust aus. Unseres Erachtens ist beides nicht die richtige Methode, um positiv einzuführen.

Für rund 4000 Mark und mit zweimal 14 Tagen Schulung ist der Erstanwender, der Mann an der DV-Basis, Herr seiner Basis-DV - Im besten aller Fälle, wohlgemerkt. Falls er nicht zu den Besten zählen sollte, dann hat er die Chance, sich bei seinem Hersteller einen Instruktiven Freund fürs DV-Leben zu machen, seinen "Lehrer der ersten Stunde".

Hans Wulff, Leiter des Bildungswesens bei Honeywell Bull, zeichnet im nebenstehenden Interview dieses harmonische Bild, das den von Job-Killerphrasen Verschreckten beruhigen könnte. Nachdem der Proband bei der Systemumstellung oder auch Neuanschaffung in der Regel nicht mitreden durfte - und ja auch gar nicht gekonnt hätte -,bleibt ihm allerdings noch eine andere Chance - die Flucht nach vorne: sich auf Teufel komm raus motivieren lassen. Alles halb so wild. Schwellenangst? Nie gehört! bi