Satire

CW-Wert

11.04.1997

Endlich wird nicht mehr nur virtuell gelebt, jetzt wird auch cybermäßig gestorben. Soeben hat ein weiterer Friedhof im World Wide Web eröffnet. Auf der Internet-Site www.tombtown.com können Surfer nicht nur die letzten Ruhestätten großer Dahingeschiedener besuchen. In der virtuellen Nekropolis lassen sich auch Grabsteine zur Erinnerung an Freunde und Verwandte errichten. Setzt sich diese Erfindung durch, wären viele Probleme gelöst. So bräuchten die Stadtplaner großer Metropolen wie New York, London und Sao Paulo keine Friedhöfe mehr zu berücksichtigen, die wie im Falle Chikagos schnell das Ausmaß einer mittleren Großstadt annehmen könnten, verbrauchen virtuelle Gräber doch nur Plattenplatz auf einem Internet-Server. Auch den Standort Deutschland könnte man um einen ersatzlos gestrichenen Feiertag attraktiver machen. Schließlich fiele der für alle Katholiken obligatorische Friedhofsbesuch zu Fronleichnam weg. Ein bißchen Gedenken und das Anzünden einer virtuellen Kerze am Cybergrabstein ließen sich auch in der Mittagspause erledigen. Und für die heute florierende Bestattungsindustrie finden sich sicher Ersatzgeschäfte. Sie müßte sich nur auf Designservice für virtuelle Särge, Grabstätten und -steine verlegen. Virtueller Grabschmuck käme natürlich noch dazu. Außerdem dürfte sich durch die Internet-Bestattung die Online-Gemeinde enorm vergrößern, braucht doch jeder Hinterbliebene für die Trauerarbeit einen Internet-Zugang.