Satire

CW-Wert

26.06.1998

Flitzer flitzen seit Jahrzehnten durch Stadtparks und über die Lokalseiten deutscher Tageszeitungen. Mit einer ganz neuen Variante hat es eine junge Mutter letzte Woche glatt geschafft, die "Exhibitionismus"-Definition des Duden zu sprengen. Diese beginnt mit "(Bei Männern auftretende) Neigung...". Die Frau glaubte nämlich, die Geburt ihres Kindes via Internet übertragen zu müssen - und das ausgerechnet in den USA, wo Exzesse von Prüderie oder Bigotterie nicht eben selten sind. Nachdem es zuvor Jahrzehnte dauerte, bis zumindest auch Kindesväter im Kreißsaal die Geburt miterleben durften, soll nun gleich die Weltöffentlichkeit zuschauen? Zugegeben, bereits seit Jahren bietet das Web immer mehr Augen tiefe Einblicke in die Privatsphäre von Menschen. Man denke nur an die 21jährige Jennifer, die mit ihrer "Jennicam" - www.jennicam. org - mittlerweile locker ihr Studium finanziert (Apropos, Bildungspolitiker: Das wäre doch eine tolle Alternative zu Studiengebühren, oder?). Etliche Voyeure entrichten brav 15 Dollar pro Jahr, damit sie irgendwann dem Collegegirl beim Ausziehen oder gar beim verwackelten Sex auf drei mal drei Zentimetern Bildschirm zuschauen können. Der Arbeitgeber zahlt ja den Internet-Zugang... Wir dagegen meinen: Wehret den Anfängen - rettet das Privatleben! Deshalb unser Rat: Schauen Sie sich keine sogenannten Reportermagazine im Fernsehen an, kaufen Sie sich kein Bildtelefon und lassen Sie das Handy zu Hause, wenn Sie sich mit Freunden auf ein Glas Wein treffen.