Satire

CW-Wert

21.05.1999

Nervensägen berufen sich oft auf ihre "Identität". Sie meinen damit dasselbe wie die Genetiker mit der "Erbmasse" und die alten Kameraden mit der "Heimat": das Unveränderliche, außer jeder Kritik Stehende. Ich bin Serbe, Frau, Werkzeugmacherssohn, Kosovare oder hochadlig, und danach soll sich der Rest der Welt gefälligst richten. Selbstverständlich bleibt auch von diesen Mythen um so weniger übrig, je näher man hinsieht. Was eine Identität angeblich ausmacht, ist weder in der betreffenden Gruppe flächendeckend verbreitet noch auf sie beschränkt. Weil es aber bequem ist, seine Marotten als natürlich zu erklären, fallen Menschen auf die Identitätspropaganda gerne herein. Kein Krieg, der nicht mit Identität begründet würde, kein Land, in dem das auf größeren Widerspruch stieße. "Jede gschlamperte Bahnstation/ braucht a eigene Nation", singt der als Berufswechsler möglicherweise identitätsschwache Georg Ringsgwandl.

Sony hat nun den Roboterhund Aibo erfunden. Bis jetzt ist er eine häßliche Bastelarbeit, bald wird er aber aussehen und sich verhalten wie ein lebendiger Hund. Uns gefällt daran zweierlei. Erstens entwertet Aibo die Identität: Wenn ein digitales Spielzeug und ein echter Dackel das gleiche können, kann es mit beiden nicht so weit her sein. Zweitens werden nur wir Branchenkenner merken, ob es Aibo ist, was da stinkend an uns hochspringt, oder ein richtiger Bello, und in ersterem Fall werden wir endlich unsere Hemmungen überwinden und Aibo einen gewaltigen Tritt versetzen. Wir gehen nämlich gerne spazieren und hassen Hunde. Tut uns leid, so sind wir eben.