Satire

CW-Wert

12.05.2000

Nun ist es ja so, dass Journalisten grundsätzlich und überhaupt überparteilich zu sein haben. Von welcher ehernen Regel wir gerade wegen der heißen Wahlkampfphase in Nordrhein-Westfalen jetzt aber abweichen.

Wer jemals am Geisteszustand unserer Nation oder wenigstens doch an dem Kinder-statt-Inder-Visionär Jürgen Rüttgers zweifelte, Anwärter auf das Politmöbel des Ministerpräsidentenstuhls in NRW, dem setzte jetzt der schwedische Computerexperte Fredrik Björck ein Licht auf. Der Nordmann hat nämlich nicht nur den Erfinder des "Melissa"-Virus im Alleingang erlegt, was ihn auf immer als führenden Hacker-Häscher der Welt qualifiziert. Er kam auch dem Schöpfer des "I love you"-Problemerregers auf die Schliche. Und das sei kein anderer als ein Deutscher namens Michel. Er könne auch Michael heißen, gibt Björck noch zu bedenken. Uns als Nation im Gesamten muss das nicht mehr irritieren. ES IST EIN DEUTSCHER, der Tausende Konzerne weltweit und Abermillionen von Menschen rund um den Globus am Sinn der uneingeschränkten Internet-Vernetzung verzweifeln ließ. Und damit im Prinzip an allem, was der Mensch an Kulturwerten geschaffen hat: also an der Globalisierung, der sozialen Marktwirtschaft, den Segnungen des Kapitalismus und so weiter. Und irgendwie hat Jürgen das gewusst, dass Weltniveau in deutschen Informatikern steckt. Wer kann denn sonst von sich behaupten, die ganze Welt mit einem kleinen Programm aus den Angeln gehoben zu haben? Wir können das! Wir Deutsche! Und deshalb, und weil Du das gewusst hast, weil Du vielleicht noch ganz andere Sachen weißt, sollst Du auch am Sonntag Ministerpräsident werden! So viel journalistische Parteilichkeit muss sein.