Satire

CW-Wert

31.08.2001

Die Tage des drögen Nachrichtenjournalismus sind gezählt. Dem deutschen Blätterwald stehen im wahrsten Sinne des Wortes märchenhafte Zeiten bevor.

Verantwortlich für diese journalistische Trendwende zeichnet ein neuer Kollege namens "Author" - unter uns gesagt ein sicherer Kandidat für den Pulitzer-Preis. Kollege Author ist seines Zeichens - ja, was eigentlich? Digitaler Redakteur? Softwaregestützter Schreiberling? Oder taugt gar der Titel: Textroboter? Berufsbezeichnung hin oder her, dieser Teufelskerl ist seinen Erfindern zufolge jedenfalls in der Lage, aus stichpunktartigem Input wohlfeine Artikel samt launigen Dialogen zu zaubern. Kurzum, er kann märchenhaft formulieren und wuchert mit diesem Pfund auch hemmungslos in seinem Lebenslauf: Author legt als Leseprobe nämlich das Märchen Rotkäppchen vor, das er, so seine Erzeuger stolz, nach entsprechender Inhaltsfütterung mit eigenen Worten nacherzählt hat. Donnerwetter! Damit ist er für den IT-Journalismus doch wie geschaffen. Denn Hand auf Herz: Versuchen die Hersteller nicht ständig, uns, der Presse, Märchen aufzutischen? Da liegt es doch nahe, der "fabelhaften" Phantasie eines digitalen Redakteurs freien Lauf zu lassen. Bill Gates als Kreide fressender, böser Wolf in Gestalt der Großmutter, das hat doch was. Und wenn dann noch HP-Chefin Carly Fiorina als Rotkäppchen den Unhold zur Strecke bringt und als Krönung in eine Computermaus verwandelt, dann... Leserherz, was willst du mehr!

Kein Wunder also, dass uns allzu menschlichen Redakteuren der beklemmende Gedanke kommt, einer aussterbenden Berufsgattung anzugehören und bald die Arbeitslosenstatistik zu zieren - als wäre das jüngste Sterben der Dotcom-Blätter nicht schon schlimm genug. Schade, dass wir rauchen, schmutzen, mehr Gehalt fordern und leider nicht auf digitalen Textroboter umschulen können.