Satire

CW-Wert

20.08.2004

Grauenerregende Szenen müssen sich in North Andover, Massachusetts, abgespielt haben. Dort demonstrierte vor dem Sitz von Netzwerker Lucent der lokale Chef der Gewerkschaft der Communications Workers of America.

Gary Nilsson ist nämlich passiert, was heutzutage und in Zeiten des Schweinekapitalismus ständig geschieht: Er ist gefeuert worden. Da gab es nur noch eine adäquate Reaktion: Hungerstreik! Ganz allein. Monofasten sozusagen. Vorher, erzählt er, hat er noch einen doppelten Cheeseburger mit Pommes frites vertilgt.

Mal abgesehen davon, dass sich hiernach nicht wenige ohnehin einer freiwilligen Esssperre (oder schreibt man das jetzt wieder Eßsperre?) unterzogen hätten, will Gary ein Zeichen setzen vor den Augen der Welt.

Das erinnert mich an eine Episode aus dem vorigen Jahrtausend, als ich unter anderem an der Universität Würzburg studierte. Dort nun begab es sich, dass die Studentenschaft gegen einen auf absonderliche Art installierten Professor und Intimus des damaligen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß demonstrierte. Auf dem Höhepunkt der unterfränkischen Revolte erklärten sieben Kommilitonen und Kommilitoninnen in einer äußerst bewegenden Szene vor Hunderten Mitstudierenden in einer Vollversammlung, ab sofort in den Hungerstreik treten zu wollen. Betroffenheit! Bewunderung! Beifall!

Als Ort des Aufruhrs wählten sie allerdings einen Platz fernab der Öffentlichkeit. Bis auf einen Assistenten des umstrittenen Gelehrten und ein paar Sympathisanten, die Durchhalteparolen an die Fastenden und hoch achtende Worte für diese spendeten, fand das Spektakel unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Nach einer Woche marschierten die sieben Aufrechten in Maßen ausgemergelt wieder vor das Plenum und erklärten das Fanal für beendet. Der besagte Assessor habe mit Spott vermerkt: "Na, dann hungert mal schön." Und das wäre nun mehr, als im äußerten Fall zu ertragen sei. Donnernder Beifall für eine grandios gescheiterte Aktion.

Wir fragen uns jetzt: Was ist wohl aus Gary geworden? Hat er zur Arbeitslosigkeit jetzt wenigstens sein Idealgewicht wiedererlangt? Den doppelten Cheeseburger verdaut? Haben sich Lucent-Manager vor Scham selbst entleibt? Wir wissen es nicht. Wahrscheinlich hat aber auch er einen unheimlich starken Abgang gehabt.