Satire

CW-Wert

12.07.2002

Können Sie sich vorstellen, wie Ihre Eltern sich gefühlt haben, als Sie flügge wurden? Ach, Sie haben selbst volljährige Kinder! Na, dann wissen Sie es ja.

Geistige Kinder loszulassen fällt übrigens nicht weniger schwer. Wer wüsste das besser als wir, die wir unsere Artikel erst der Chefredaktion, dann dem Textchef und schließlich dem Korrektorat überantworten müssen? Deshalb haben wir großes Verständnis für Firmen wie Coca-Cola oder Microsoft. Sie erlauben ihren Kopfgeburten einfach nicht, das Haus zu verlassen, fremde Eindrücke zu sammeln, sich vom Leben formen zu lassen. Wenn denn das behütete Cola-Rezept pro Flasche ein paar Löffel Zucker mehr oder der Windows-Sourcecode auf tausend LoCs einen Bug weniger enthalten soll, sorgen Mama und Papa schon selbst dafür. In unseren Augen ist Linus Torwalds ein Rabenvater: Schließlich hat er sein Kind, das Betriebssystem Linux, allein in die Welt hinaus gestoßen, kaum dass es geboren war, damit es jeder nach Belieben nutzen, mit ihm herumspielen, ihm seinen Stempel aufdrücken kann - sofern er das arme Ding anschließend zur Schau stellt und die "Community" das schändliche Werk vollenden lässt. Community! Hört sich das nicht verdächtig nach einer Gesellschaftsform an, die vor zehn Jahren den Bankrott erklärt hat? Vermutlich steckt hinter Open Source eine ähnlich schräge Idee wie hinter dem "Statt-Auto": Wenn man es endlich bekommt, funktioniert mindestens ein Bremslicht nicht, und der Aschenbecker quillt über. Oder können Sie sich vorstellen, dass etwas dadurch gewinnt, dass andere es durch die Mangel drehen? Diese Glosse war ursprünglich auch mal um Klassen besser, glauben Sie mir!