Satire

CW-Wert

10.05.2002

Japanische Forscher arbeiten an Handys, die die Worte von den Lippen lesen. Kämen sie auf den Markt, wäre das ein verheerender Rückschlag für die Mobilfunkindustrie.

Offenbar meinen die Wissenschaftler wirklich, die telefonische Intimsphäre wiederherstellen zu müssen. Für den Markt wäre das fatal. Niemand will in Ruhe telefonieren. Das hat übrigens dieTelekom als Erste erkannt und fast sämtliche Telefonhäuschen durch karge Säulen ersetzt. Ron Sommer und seine Freunde wissen: Menschen stehen gerne mit klammen Fingern im Regen oder Schneegestöber - vorausgesetzt, es ist Samstagmorgen und der Apparat ist so platziert, dass viele mithören können.

In jedem von uns steckt letztendlich ein kleiner Marcel Reich-Ranicki: Wir wollen uns mitteilen! Manche gehen dafür sogar ins Fernsehen und setzen sich zu Bärbel Schäfer oder Arabella Kiesbauer auf die Couch. Andere nutzen die Elternversammlung im Kindergarten. Wieder andere wählen im Supermarkt die Freifläche zwischen Wursttheke und Zeitungsständer, um via Handy lautstark die kleine Krise vom Frühstück beizulegen (Musst Du immer Zeitung lesen?).

Geleiten wir also unsere Freunde aus Japan auf den richtigen Weg: Beim Telefonieren handelt es sich im 21. Jahrhundert nicht mehr um eine Eins-zu-eins-, sondern um eine Eins-zu-n-Kommunikation. Handys haben nur dann Marktchancen, wenn sie mit einem möglichst leistungsstarken Lautsprecher ausgerüstet sind. Der Sender will sicher sein, dass seine Botschaft nicht nur beim angewählten Empfänger, sondern auch in seiner unmittelbaren Umgebung ankommt. Übrigens: Die Amerikaner haben das wieder einmal als Erste erkannt. Viele von ihnen verzichten inzwischen auf das Handy und stellen sich gleich mit einem Megafon auf eine Apfelsinenkiste in die Fußgängerzone.