Satire

CW-Wert

16.01.2004

Die Wochen um den Jahreswechsel sind vom journalistischen Standpunkt her eine triste Zeit. Die Themen liegen nicht auf der Straße.

Haben Sie zwischen all den Familienfeiern mal einen Blick in die eine oder andere Zeitung geworfen? Bestimmt sind ihnen die Beiträge über die Verfettung der deutschen, amerikanischen oder neuerdings afrikanischen Bevölkerung aufgefallen. Schüler mit Mörsern und Molotow-Cocktails waren auch wieder unterwegs (trotz Ferien). Die Wirtschaftsgazetten langweilten derweil mit Euro-Stärke, Zinsschwäche und Arbeitslosendebakel.

Da ist es doch schön, wenn Blätter Mut zur Kreativität beweisen. Zum Beispiel eine Münchner Boulevardzeitung. Sie schrieb so lange über die enormen Bargeld-Beträge, die dank der neuen Praxisgebühr seit Jahresbeginn oft ungesichert bei den Ärzten herumliegen, bis sich endlich irgendwo in Mitteldeutschland ein Kleinganove zu einem Einbruch entschloss. Er erbeutete 250 Euro - für dieses Blatt genug, um die nächste Titelgeschichte zu drucken. Die Serie findet ihre Fortsetzung, wenn die Polizei einen Fahndungserfolg meldet.

Auch eine führende Wirtschaftszeitung zeigte Phantasie. "SAP krempelt sein Kernprodukt um", schrieb das Blatt, das damit im Wesentlichen eine alte Meldung neu aufkochte. Allerdings erwies sich die publizistische Langfriststrategie in diesem Fall als nicht besonders tragfähig. Die weitere Berichterstattung bestand nämlich aus Dementis, Klärungen und Korrekturen - und die fanden aus nachvollziehbaren Gründen in den Konkurrenzblättern statt.