CW-Umfrage: Die Kosten betriebswirtschaftlicher Software

09.05.1997

CW-Bericht, Hermann Gfaller

Trotz der marktbeherrschenden Stellung der SAP steht das Unternehmen keineswegs allein auf weiter Flur. Die 219 Anwender, die an der Umfrage teilnahmen, orderten ihre Software bei 144 Lieferanten. Insgesamt erreichte die SAP zumindest in der Gruppe der befragten Anwender einen Marktanteil von 14,3 Prozent.

Hinzu kommt, daß nur die wenigsten SAP-Kunden ihre Betriebswirtschaft allein den Walldorfern überlassen. Von den zwölf Großunternehmen unter den 28 auskunftgebenden SAP-Kunden setzt nur eines die gesamte Modulpalette, in diesem Fall von R/2, ein, ergänzt jedoch die Auftragsbearbeitung um ein selbstgeschriebenes MVS-Programm.

Doch diese Situation ist eine Momentaufnahme von Ende 1996. In großen Firmen ist die DV üblicherweise über einen längeren Zeitraum gewachsen, verschiedene Hersteller wurden ausprobiert, und oft sind Applikationen mit Hilfe eigener Programmierer entstanden. Letzteres trifft für acht der zwölf Großanwender zu. Vier davon sind dabei, auf Standardsoftware umzustellen, einer ist offensichlich mit der selbstgeschriebenen und unter MVS laufenden Auftragsbearbeitung und Mate- rialwirtschaft so zufrieden, daß er sie zwar überarbeitet, aber nicht durch Standardprodukte ersetzt.

Zwei der Großunternehmen tauschen mit der Software auch das Betriebssystem aus, konkret MVS und OS/400 gegen Unix und Windows NT. Diese Indikatoren lassen vermuten, daß von dem Wechsel am ehesten die SAP profitieren dürfte.

Die zwölf SAP-Anwender aus dem gehobenen Mittelstand zeigten schon zur Zeit der Erhebung größeres Vertrauen in die SAP. Dort läuft in immerhin fünf Unternehmen die gesamte Betriebswirtschaft mit Walldorfer Software - wenn auch nicht immer das PPS-Modul. Generell läßt sich sagen, daß SAP-Kunden relativ zufrieden sind. Obwohl deutsche Anwender als kritisch gelten, haben sie den Finanzbuchhaltungsfunktionen des Marktführeres elfmal die Note eins gegeben. Auch Kostenrechnung und Personalwesen schneiden in der Regel mit einer zwei ab. Getrübt wird das Bild lediglich durch vereinzelte Unzufriedenheit (Note vier) in den Bereichen Auftragsbearbeitung, Materialwirtschaft und PPS. Unklar ist, ob der häufige Einsatz des Personalwirtschaftsystems "Paisy" von der Bremer GSI GmbH auf eine Walldorfer Schwäche in diesem Bereich hinweist.

Im allgemeinen liegt die SAP bei der Kundenzufriedenheit etwas über dem Durchschnitt. 23,67 Prozent der Kunden vergaben die Note eins an Produkte aus Walldorf. Insgesamt sprachen 21,05 Prozent der Befragten diese Bewertung aus.

Absolut spitze ist die SAP allerdings bei den Preisen (siehe Abbildung 1). Jeder Kunde hat im Durchschnitt 4,15 Millionen Mark bezahlt, bis die SAP-Software lief. Umgerechnet auf alle 219 Befragten, liegt dieser Wert lediglich bei knapp 974 000 Mark. In dieser undifferenzierten Form ist ein solcher Vergleich aber nicht ganz fair. Schließlich nehmen 82 Prozent der SAP-Kunden über 100 Millionen Mark im Jahr ein, rund die Hälfte davon sogar mehr als 500 Millionen Mark (siehe Abbildung 2a). Kurz: Die Elite der deutschen Wirtschaft ist bis auf Ausnahmen (siehe Kasten "Großfirmen ohne SAP-Software) fest in SAP-Hand.

Das Gros der befragten Anwender, nämlich 51 Prozent, gehört jedoch zu den Klein- und Mittelbetrieben, die von solchen Summen nur träumen können und daher - aber auch aufgrund ihrer Bedürfnisse - mit der weit preisgünstigeren Software von KHK oder Navision besser bedient sind. Dort arbeiten in der Regel zwei bis fünf Mitarbeiter mit betriebswirtschaftlichen Anwendungen. Bei den befragten Großunternehmen sind es dagegen meist über 100 User, in einem Fall sogar 2300 Mitarbeiter.

Einen Unsicherheitsfaktor bei der SAP-Software stellen die Implementierungskosten dar. Allerdings haben sich zumindest bei den befragten Unternehmen die Horrormeldungen nicht bestätigt, wonach die SAP-Einführung nicht selten ein vielfaches der Lizenzkosten ausmachen kann - insbesondere wenn sie mit einem oft nötigen Business-Re-Engineering verbunden ist (vgl. Abbildung 1).

Plattformen für die Betriebswirtschaft

Die 219 Unternehmen setzen ihre betriebswirtschaftlichen Anwendungen auf 17 Plattformen ein. Am Desktop ist nach wie vor am häufigsten das PC-Betriebssystem DOS im Gebrauch. Damit sind 128 von insgesamt 692 Arbeitsplätzen bestückt.

Den Platz zwei teilen sich Windows 3.x und Windows 95. OS/2 spielt mit neun Erwähnungen nur eine Nebenrolle. Der überraschend hohe Anteil für DOS zeigt, daß viele Unternehmen noch keineswegs so modern ausgerüstet sind, wie die Branchenwerbung das glauben machen möchte. Er bedeutet auch, daß in diesem Bereich in den kommenden zwei Jahren massive Investitionen fällig sind, denn weder Microsoft noch Intel gibt eine Garantie dafür, daß PC-Hardware und -Software älteren Datums nach dem Wechsel zum Jahr 2000 noch einwandfrei funktionieren.

Im Server-Bereich liegen die verschiedenen Unix-Derivate (162) hauchdünn vor den proprietären Midrange-Systemen (160), bei letzteren dominiert mit 90 Nennungen IBMs AS/400 vor HP mit dem MPE-Betriebssystem (40). Mit zusammen 322 Erwähnungen bilden Unix und die Midrange-Systeme offensichtlich die tragen- den DV-Säulen der betriebswirtschaftlichen Anwendungen.

Diese Situation wird sich jedoch in den kommenden Jahren ändern - vor allem zugunsten des Microsoft-Betriebssystems Windows NT. Von den 96 Anwendern, die sich dem gehobenen Mittelstand beziehungsweise den Großunternehmen zurechnen, hatten Ende 1996 erst drei NT im Einsatz - bis zur Jahrtausenwende werden es nach eigener Auskunft 23 sein (siehe Abbildung 4). Vor allem Anwender mit proprietären Altsystemen wie MTOS, Niros, Dinos und Tanos versuchen, ihre Betriebswirtschaft mit Hilfe von NT ins nächste Jahrtausend zu transportieren. Die AS/400- und MVS-User der IBM zeigen sich von den Bewegungen im Betriebssystem-Markt unberührt und bleiben ihren Umgebungen treu. Besiegelt scheint dagegen das Aus für BS2000 von Siemens-Nixdorf. Die Kunden des Münchner Anbieters orientieren sich laut Umfrage fast alle in Richtung NT, einer investiert in Unix.

Dem NT-Trend folgen offensichtlich auch die SAP-Kunden. Von den zwölf Unternehmen, die über ihre Betriebssystem-Pläne Auskunft gegeben haben, setzen fünf zumindest in Teilbereichen auf das Microsoft-Produkt.

Für die meisten ist das jedoch noch Zukunftsmusik. Bei den Großunternehmen, die häufig noch R/2 im Einsatz haben, dominiert nach wie vor IBMs Main- frame-Betriebssystem MVS - hart bedrängt von Unix. Ein Unternehmen mit 1300 Anwendern setzt allerdings fast die gesamte R/3-Palette gleichzeitig unter Unix und Windows NT ein. Bei den mittleren Unternehmen ist Unix mit 53 Prozent Anteil eindeutig die Plattform der Wahl.

Die Umfrage

Im Herbst 1996 lag der COMPUTERWOCHE ein mit der Hamburger Koeppler & Partner Consulting GmbH erstellter Fragebogen über den Einsatz von betriebswirtschaftlicher Software bei. An der Aktion beteiligten sich 219 Anwenderunternehmen aus den Reihen der Leser, die zum großen Teil nicht nur verrieten, welche Software sie einsetzen, sondern auch, was sie dafür bezahlt haben, wie zufrieden sie damit sind und wie ihre Zukunftsplanung und das dafür nötige Budget aussehen.

Von den 219 Anwendern, die geantwortet haben, zählen sich etwas mehr als die Hälfte (51 Prozent) zu den Klein- und Mittelunternehmen, das sind nach der Definition der Studie Firmen mit weniger als 100 Mitarbeitern oder unter 100 Millionen Mark Umsatz. Über diesen Grenzwerten ist der gehobene Mittelstand angesiedelt, der ein gutes Drittel der Anworten (35 Prozent) beisteuerte. Mit 19 Anworten beziehungsweise einem Anteil von 8,6 Prozent beteiligten sich Großfirmen, die laut Umfrage-Definition mehr als 1000 Mitarbeiter beschäftigen beziehungsweise jährlich mehr als 500 Millionen Mark Umsatz erwirtschaften. Die restlichen elf Fragebögen wurden von Behördenvertretern ausgefüllt. Diese Verteilung gibt in etwa die wirtschaftliche Struktur Deutschlands, aber auch die Zusammensetzung der CW-Leser wieder. Damit gewinnt die Untersuchung eine gewisse repräsentative Bedeutung, auch wenn sie aufgrund der Zahl und Zufälligkeit der Teilnehmer als Stichprobe bezeichnet werden muß. Das gilt natürlich auch für die 28 SAP-Kunden, die rund 14 Prozent der Befragten und kaum ein Prozent der deutschen SAP-Anwender ausmachen.

Grossfirmen ohne SAP-Software

Wie angesichts der Marktpositionierung des Anbieters kaum anders zu erwarten, dominieren unter den SAP-Kunden die Großunternehmen, was umgekehrt bedeutet, daß nur sieben der antwortenden 19 Großfirmen keine SAP-Software einsetzen. Sie kaufen zusammen bei elf verschiedenen Lieferanten, wobei ein Anwender bislang nur selbstgeschriebene Programme verwendet. Dieses Unternehmen gab, wie zwei weitere Nicht-SAP-Anwender unter den Großen, leider keine Auskunft über seine Zukunftspläne - abgesehen von beabsichtigten Investitionen in betriebswirtschaftliche DV in für die Unternehmensgröße ungewöhnlich geringer Höhe von 110 000 Mark bis 1999. Von den übrigen vier Unternehmen schwören zwei auch künftig auf ihre Anwendungspakete für OS/400, zwei öffnen sich dagegen für die Betriebssysteme Unix und Windows NT und damit für einen Bereich, in dem die SAP besonders stark vertreten ist. Gemeinsam haben die sieben SAP-Abstinenzler den Hang zu proprietären Betriebssystemen. Unix kommt nicht vor, dafür dominiert OS/400 über Betriebssysteme wie MTOS und VM/VSE.