CW-Round Table: 30 Jahre Informatik an der TU Darmstadt

29.05.2002
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.

HUSS: Das Problem ist, den Studenten die Verknüpfung ganz unterschiedlicher Prinzipien beizubringen, zum Beispiel die sequentielle mit der parallelen Abarbeitung, die verteilte Kommunikation, die asynchron abläuft. Das kann man an verschiedenen Stellen im System sehen, betrachten Sie das Internet oder eingebettete Systeme. Die Prinzipien, wie man damit umgeht, verändern sich relativ langsam, die Hypes fast täglich. Wir können selbst nur schwer abschätzen, welcher Trend bleibt. Unsere Aufgabe ist es, den Studenten ein Wissen mitzugeben, das eine Halbwertszeit von mehr als fünf Jahren und nicht nur von drei Monaten hat. Wir wissen auch, dass wir ihnen nicht alles mitgeben können, um für das Berufsleben gerüstet zu sein.

AUSTERMÜHL: Natürlich glaubt die Industrie, dass sie bestimmt, was die Universität machen muss. Andererseits kann sich die Universität bei der Wissensvermittlung nicht nur auf den aktuellen Bedarf beschränken. Zum Teil beherrschen Absolventen die Grundlagen nicht, weil sie sich immer wieder auf den nächsten Hype konzentriert haben. Wir brauchen beides, die Vision der Universität und die solide Ausbildung, die den aktuellen Stand beschreibt.

WEDEKIND: Die Universität kann nur Berufsfähigkeit, aber nie Berufsfertigkeit hervorrufen. CW: Kann die Informatik den Anspruch einer guten Ausbildung heute noch aufrechterhalten, wenn sie von Studienanfängern regelrecht bestürmt wird?

BUCHMANN: Die explodierenden Studentenzahlen belasten vor allem die wissenschaftlichen Mitarbeiter. Für die Professoren macht es keinen Unterschied, ob sie die Vorlesung vor 100 oder 300 Studenten halten. 300 Studenten in der Übung oder im Praktikum zu betreuen, ist eine Last, die auf den Schultern der wissenschaftlichen Mitarbeiter liegt.

BORMANN: Die Vielzahl von Studenten haben wir bislang nur im Grundstudium. Kommen sie ins Hauptstudium, wird sich die Lage verschärfen. Die hohe Studentenzahl wird sich auf die Betreuung von Studien- oder Diplomarbeiten auswirken. Da die Informatik mittlerweile eine Grundlagenwissenschaft ist, von der viele andere Fachbereiche profitieren, müssen wir viele Studenten aus anderen Fachbereichen mitbetreuen. Zusätzliche finanzielle Mittel sollten nicht nur dafür aufgebraucht werden, um die Lehre aufrechtzuerhalten. Wir brauchen auch noch genügend Mittel für die Forschung.

BUCHMANN: Es hat eine Aufstockung der Mittel gegeben, aber leider nicht proportional zum Wachstum der Studentenzahlen. Wir haben die Unterstützung der Hochschulspitze, es werden neue Stellen für Professoren und Mitarbeiter in die Informatik geschoben. Außerdem gibt es ein Notprogramm Informatik. Diese Versuche sind aber angesichts der wachsenden Zahlen unzulänglich. Das kann man nur durch wachsendes Engagement versuchen wettzumachen. Ich glaube, die Betreuung ist trotz gewachsener Studentenzahlen gut, aber es kann nicht auf Dauer so sein. Man kann nicht davon ausgehen, dass wir ewig mit diesem Berg von Studenten fertig werden. Irgendwann müssen zusätzliche Mittel freigeschaufelt werden.